04.08.2014 13:38 Uhr

Macht und Ohnmacht bei der Austria

Schlechtester Saisonstart seit 2006, Pfiffe von den Tribünen, ein Trainingsbesuch von teilweise vermummten Fans. In den letzten Tagen brodelt es bei der Wiener Austria. Kritik via TV-Sender "Sky" von Ex-Trainer Nenad Bjelica macht die Situation nicht einfacher. Auch wenn sich Kapitän Manuel Ortlechner gegen die Aussagen wehrt.

Der ausgerufene Neustart droht bei Austria Wien mit einem Bauchfleck zu enden. Zwei Punkten aus den ersten drei Meisterschaftsspielen stehen auf der sportlichen Habenseite. "Das ist einer Austria nicht würdig", gestand auch Flügelspieler Alexander Gorgon nach dem jüngsten 0:0 gegen Aufsteiger SCR Altach ein. Noch prägnanter drückten es Choräle auf den Tribünen nach dem Spiel aus. "Wir haben die Schnauze voll", sangen die Fans.

Denn die Krise ist aus ihrer Sicht mehr als nur Momentaufnahme. Die Saison 2013/2014 gilt nämlich trotz der erstmaligen Champions-League-Teilnahme im Herbst als missglückt. Am Ende reichte es in der Bundesliga nicht einmal zu einer Europacupteilnahme. Mit Nenad Bjelica und Herbert Gager wurden gleich zwei Trainer vor die Tür gesetzt.

Nachfolger Gerald Baumgartner ist mit dem Ziel angetreten, das Spielsystem umzukrempeln. Pressing und Angriffslust sollten das Offensivspiel beleben. Die bisherige Ausbeute war, abgesehen vom 6:0-Cupsieg gegen einen dankbaren Gegner wie die frisch in die Regionalliga Ost abgestiegene Vienna, mit nur einem Tor bescheiden. Mangelndes Spielglück tat den Rest.

Gibt es einen Schuldigen?

Trotz der "üblichen Mechanismen" im Fußball scheint der Trainer diesmal vor der Rolle als Sündenbock gefeit. Der oder die Schuldigen werden eher in den Bereichen Mannschaft, Sportvorstand und Klubumfeld gesucht. Geradezu exemplarisch hört sich daher die Kritik von Ex-Coach Bjelica an, der sich via TV-Sender "Sky" zur Situation bei der Austria äußerte.

"Ich kann nur aus meiner Perspektive sagen, solange einige Spieler mehr Macht haben als ein Trainer, wird für Austria nichts besser werden. Der Trainer von Austria Wien, egal wie er heißt, ob Bjelica, Stöger, Gager oder Baumgartner, wenn dieser Trainer keine Unterstützung von der sportlichen Leitung bekommt, wird er es sehr schwer haben", so Bjelica. Ausdrückliches Lob gab es indes für Finanzvorstand Markus Kraetschmer – es ist schließlich nicht alles schlecht bei der Austria.

Vorstandskollege Sport Thomas Parits warf Bjelica mangelnde Rückendeckung vor. "Ich war bereit einiges zu ändern bei der Austria, ich wollte die Konfrontation, in keine Kompromisse gehen. Von diesen Konfrontationen hätte die Austria profitiert, aber ich bin gebremst worden, so Bjelica. Der Sportvorstand wurde bei den Veilchen aber ohnedies zur Lame Duck erklärt. Der Vertrag des 68-Jährigen läuft bis Saisonende und werde nicht verlängert, hieß es beim "Neustart" im vergangenen Mai. Eine frühere Ablöse wäre zumindest theoretisch möglich, sollte sich ein adäquater Nachfolger finden. Angesichts der lauter werdenden "Parits raus"-Rufe sollte diese Personalfrage aber rasch beantwortet werden, ehe die grundsätzlich erfolgreiche Ära ein unwürdiges Ende findet.

"Machtloser" Ortlechner hält Bjelica-Kritik für unfair

Kapitän Manuel Ortlechner versteht die Wortmeldungen des streitbaren Ex-Trainers Bjelicas nicht: "Was heißt in diesem Fall Macht haben? Ich muss immer schmunzeln über diese Worte", so der 34-Jährige in der Sendung "Talk und Tore". Er selbst hätte unglaublich viel Kontakt zu Bjelica gehabt. "Ich weiß, es gab viele Brandherde, habe mich nach allen Ecken und Enden immer gestreckt und versucht, das alles zusammen zu halten. Und dann höre ich sowas. Das finde ich zum Teil ein bisschen unfair, muss ich sagen", so Ortlechner. Den Vorwurf von Bjelica, dass vor allem zwei Spieler sehr viel Macht bei der Austria hätten bestritt Manuel Ortlechner wies er zurück: "Ich habe überhaupt keine Macht in dem Verein."

Als Führungsspieler war der Routinier zuletzt abseits des Spielfelds gefordert. Am Sonntag besuchten Anhänger der Austria das Training, um ihren Unmut kundzutun. "Zwei, drei Spieler haben Bescheid gewusst, dass sie kommen werden und sprechen wollen", erklärte Ortlechner, der sich dem Mob zunächst alleine stellte. "Sie wollten mit der ganzen Mannschaft sprechen. Dem Wunsch bin ich dann nachgekommen und habe dann die Jungs geholt. Dann sind wir raus und haben uns dem Ganzen gestellt und dann ist eine bunte Diskussion daraus entstanden."

Ortlechner ist bewusst, dass die Fans viel Geld und Herzblut investieren, letztgenanntes auch von allen anderen einfordern. Daher wird seitens der Austria bemüht Verständnis für den Trainingsbesuch suggeriert. Ein unschönes Detail musste der violette Kapitän aber doch bestätigen: "Dass der eine oder andere heute vermummt war, hat mich ein bisschen konsterniert und verwundert. Aber das war halt so."

Der Druck wird bis zum nächsten Wochenende – am Samstag wartet ein Auswärtsspiel bei Schlusslicht SC Wiener Neustadt – jedenfalls nicht abnehmen. Anspruch und Wirklichkeit klaffen auseinander - zumindest eines davon wird sich auf der Skala bewegen müssen.

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sk