09.11.2014 10:28 Uhr

Gianelli Imbula: Bielsas Bester

Durchsetzungsfähig: Olympique Marseilles Gianelli Imbula
Durchsetzungsfähig: Olympique Marseilles Gianelli Imbula

Olympique Marseilles Mittelfeldjuwel ist die Entdeckung der Saison in Frankreich. Unter Trainer Marcelo Bielsa reifte der 22-Jährige zum Schlüsselspieler des Überraschungs-Spitzenreiters. Längst haben internationale Topklubs ein Auge auf den belgisch-stämmigen Youngster mit den kongolesischen Wurzeln geworfen.

Das Trainingsvideo von "OMtv" machte vor einigen Wochen die Runde in Frankreich. Marseilles Coach Marcelo Bielsa - eigentlich nicht als besonders begeisterungsfähiger Mensch bekannt - bekam sich am Rande einer Übungseinheit seiner Mannschaft vor Freude kaum noch ein. "Sehr schön, sehr schön", rief "El Loco" immer wieder verzückt auf den Platz. Das Lob galt Gianelli Imbula. Wenig später fielen sich der Youngster und der sonst so spröde Argentinier sogar in die Arme.

Eine Szene mit Symbolcharakter für die hohe Wertschätzung und das uneingeschränkte Vertrauen, das Imbula seit Bielsas Amtsantritt im Juli bei OM genießt. Auch die enge Beziehung zum Trainer lässt das im Sommer 2013 für 8 Millionen Euro aus Guingamp verpflichtete Talent nach einer durchwachsenen Premierensaison in Marseille derzeit aufblühen.

Der "Bielsa-Effekt"

Während er unter Bielsas Vorgängern Elie Baup und José Anigo nur Rotationsspieler war, ist der 22-Jährige nun nicht mehr wegzudenken. 2014/2015 stand er in allen zwölf Ligapartien in der Startelf und liefert in einer überraschend starken OM-Mannschaft regelmäßig Topleistungen ab. Abwehrchef Nicolas N'Koulou hält hinten den Laden zusammen, Goalgetter André-Pierre Gignac sorgt vorne für die Tore - Herz und Hirn des Spitzenreiters aber ist Imbula.

Die gute Zusammenarbeit mit Bielsa hob den Hochbegabten in kürzester Zeit auf ein neues Level. "Er gibt mir während des Spiels viele Hinweise", erklärt der Mittelfeldspieler. "Das hilft mir sehr weiter." Auch team-taktisch bringt der neue Coach die außerordentlichen Fähigkeiten seines Lieblingsschülers bestens zur Geltung. Vor dem 3:1-Erfolg am 5. Spieltag bei Évian TG stellte Bielsa im Mittelfeld von einer "Flachen Vier" auf eine Formation mit Doppelsechs um. Seitdem darf Imbula mit wechselnden Nebenmännern auf seiner Lieblingsposition ran.

Claude Makélélé 2.0

Für die im modernen Fußball so wichtige Rolle in der defensiven Schaltzentrale ist der Shooting-Star mit seinen Anlagen prädestiniert: Der 1,86 Meter große Vorzeigeathlet verfügt über eine starke Physis, ist schnell, aggressiv und zweikampfstark. 64 Prozent seiner direkten Duelle entscheidet er für sich – eine herausragende Quote für einen Mittelfeldspieler. Auch als Ballverteiler glänzt Imbula: Fast 90 Prozent seiner Pässe finden den Weg zum Mitspieler.

Nicht von ungefähr wird er in Frankreich bereits als "neuer Makélélé" gehandelt. Was der Youngster dem früheren Weltklasse-Sechser allerdings voraus hat, sind seine ausgeprägten Offensivfähigkeiten. Imbula ist Marseilles drittbester Torchancenvorbereiter und erzielte in dieser Saison selbst bereits zwei Treffer. Zudem zählt er zu den dribbelstärksten Spielern der gesamten Ligue 1.

Nationalmannschaft als mittelfristige Perspektive

Aufgrund dieses beeindruckenden Gesamtpakets dürfte auch Nationaltrainer Didier Deschamps den Newcomer längst auf dem Zettel haben. Noch wartet der auch für Belgien und den Kongo spielberechtigte Imbula aber auf seine erste Nominierung für die Équipe Tricolore. Vielleicht auch wegen seines Fehlverhaltens beim U21-Länderspiel gegen Island im letzten Herbst, als er nach seiner Auswechslung ausfällig gegenüber einem Teambetreuer wurde.

Diese Disziplinlosigkeit bereut der Übeltäter von damals heute. "Es ist nicht einfach, immer unter Beobachtung zu stehen, aber das gehört zu unserem Beruf", sagt er. "Man muss ein Vorbild sein und sollte sich deswegen im Griff haben."

Entwickelt sich der reifer gewordene Jungspund in Zukunft weiter so rasant wie in den letzten Monaten, dürfte seine Chance bei den Großen allerdings nicht mehr lange auf sich warten lassen. "Das Nationalteam ist ein Ziel", erzählt Imbula. "Die EM 2016 findet in Frankreich statt und natürlich würde ich gerne teilnehmen."

Bald in blau?

Bis dahin könnte der ehrgeizige Ausnahmekönner auch auf Vereinsebene den nächsten Schritt machen. Eine Reihe europäischer Schwergewichte soll am Mittelfeldmann interessiert sein - unter anderem ausgerechnet Claude Makélélés früherer Klub Chelsea. Die Blues hatten Imbula bereits vor seinem Wechsel nach Marseille mehrfach beobachtet und sind angeblich bereit, 25 Millionen Euro für ihn auf den Tisch zu legen.

Dann könnte Olympique Marseille sein Kronjuwel wohl nicht halten und Marcelo Bielsa würde seinen Besten verlieren. Eine Aussicht, die "El Loco" sicherlich nicht sonderlich begeistern dürfte.

Tipp: weltfussball berichtet am Sonntag ab 21:00 Uhr im Liveticker vom Spitzenspiel der französischen Ligue 1 zwischen Paris Saint-Germain und Olympique Marseille.

Tobias Knoop