07.11.2014 11:52 Uhr

Fünf Jahre nach Enke: Depression weiter tabu

Seit dem Suizid von Nationaltorwart Robert Enke am 10. November 2009 hat sich nicht viel verändert
Seit dem Suizid von Nationaltorwart Robert Enke am 10. November 2009 hat sich nicht viel verändert

Die Rede war von einer Zäsur, von einer nachhaltigen Veränderung in der Welt des Profisports. Doch seit dem Suizid von Nationaltorwart Robert Enke am 10. November 2009 hat sich nicht viel verändert.

Gehen die Profis offener mit der Krankheit Depression um?

Enkes Tod war für den ehemaligen Bundesliga-Profi Andreas Biermann 2009 Anlass, sein Depressionsleiden öffentlich zu machen. Nach jahrelangem Kampf unterlag auch er der Krankheit und beging im Juli Suizid. "Es gibt eine ganz kleine Tendenz, aber das sind Einzelfälle, die mit einer Depression möglichst schnell relativ offen umgehen", sagt Martin Kind, der Vorsitzender des Stiftungsrats der Robert-Enke-Stiftung. Sportler wie Biermann, Sebastian Deisler, Markus Miller oder Ralf Rangnick, die sich öffentlich zu ihrer Krankheit bekannten, sind nach wie vor die Ausnahme.

Sind die Fans toleranter geworden?

Nein. Pfiffe und Schmähgesänge gehören nach wie vor genauso zum Fußball, wie die Tore. Erst am vergangenen Bundesliga-Spieltag beschimpften die Fans von Hertha BSC ihre Spieler als "Versager". "In einem System, in dem nur Leistung, Stärke und Erfolg zählt, sind Schwächen verpönt. Fans nutzen Schwächen des Gegners gnadenlos aus", sagt der Fanforscher Gunter A. Pilz. Bleibt der sportliche Erfolg aus, wächst der Druck auf die Spieler. Im Februar attackierten aufgebrachte HSV-Fans die Spieler des Bundesliga-Dinos: Autos wurden beschädigt, Feuerzeuge geworfen und ein HSV-Spieler sogar am Kopf verletzt.

Werden Talente gezielt auf den psychischen Druck im Profifußball vorbereitet?

Psychologen sind in den Nachwuchsleistungszentren der Bundesligisten mittlerweile Pflicht. Das hat die Deutsche Fußball-Liga (DFL) angeordnet. "Deren Arbeit ist darauf ausgerichtet, jungen Spielern im Umgang mit täglichen Drucksituationen zu helfen und sie bei ihrer persönlichen Entwicklung zu unterstützen", sagt Maximilian Türk von der DFL. Für den Fall, dass ein Depressionsleiden bei einem Akteur festgestellt wird, hat die DFL eine Ombudsstelle bei der Deutschen Sporthochschule Köln eingerichtet. "Die Sportpsychologen in den Leistungszentren könnten die Behandlung im Erkrankungsfall dann gar nicht alleine leisten", erklärt Türk.

Wie hat Enkes Club Hannover 96 reagiert?

Nach Enkes Tod schafften die Niedersachsen ganz knapp den Klassenverbleib in der Bundesliga. Die Verantwortlichen des Clubs boten der Mannschaft anschließend umfassende psychologische Betreuung an. "Doch das lehnten die Spieler ab. Seitdem gibt es aber einen Psychologen, zu dem unsere Spieler gehen können, wenn sie Probleme haben", sagt Vereinspräsident Kind. Florian Fromlowitz, der damals die schwere Enke-Nachfolge im Tor antrat, ist mittlerweile Ersatzkeeper in der dritten Liga. "Ich war wie gelähmt, labil und am Maximum. So eine Situation wird es im Sport hoffentlich nie mehr geben", sagte er.

Warum fällt es so vielen Profis schwer, offen mit einer psychischen Erkrankung umzugehen?

"Weil die Leistungssportler wissen, dass bei den Fans, in den Medien und in den Vereinen nur der Sieg zählt", sagt der Sportpsychiater Valentin Markser. Enke war vor seinem Tod lange beim ehemaligen Handballprofi Markser in Behandlung. "Nur die Erfolgreichen und mental Starken gelten als seelisch gesund, was definitiv nicht stimmt", sagt der Therapeut. Es gebe zahlreiche Olympiasieger und Nobelpreisträger, die in der psychiatrischen Behandlung seien. Markser fordert die Gesellschaft und die großen Sportverbände zu einem Umdenken auf. Viele Spitzensportler fürchten um Erfolg und Existenz, sollte ihr psychisches Leiden öffentlich werden.

Mehr dazu:
>> Schmadtke: Enkes Tod hat nicht viel geändert

dpa