20.04.2015 10:55 Uhr

Ex-ÖFB-Teamkapitän Kriess gesteht Doping

Werner Kriess (Bildmitte) gesteht Doping mit Captagon
Werner Kriess (Bildmitte) gesteht Doping mit Captagon

Ex-ÖFB-Teamkapitän Werner Kriess gesteht im Interview mit der Tageszeitung "Kurier" Doping zu seiner aktiven Zeit in den 70er-Jahren. Bei Wacker Innsbruck war demnach die Einnahme von Captagon-Tabletten vor wichtigen Spielen an der Tagesordnung.

Zuletzt hatte in Deutschland ein Bericht der Evaluierungskommission der Freiburger Sportmedizin über die systematische Verabreichung von Anabolika in den "späten 1970er und frühen 1980er Jahren" beim Bundesligisten aus Stuttgart "im größeren Umfang" und auch beim damaligen Zweitligisten aus Freiburg für Aufsehen gesorgt.
>> Doping: Vorwürfe gegen Bundesligisten

Nun legte auch Werner Kriess für Österreich eine Doping-Beichte ab. Gegenüber dem "Kurier" (Sonntag-Ausgabe) gestand der heute 67-Jährige die dauerhafte Einnahme von Captagon-Tabletten. Unter dem damaligen Handelsnamen versteckt sich Fenetyllin: Ein Amphetamin-Derivat und Arzneistoff (Sympathomimetikum), der als Stimulans genutzt wird.

Fenetyllin wurde 1986 in die Liste der gefährlichen Drogen aufgenommen und ist in vielen Ländern als illegaler Suchtstoff eingestuft. Zudem steht es auf der Verbotsliste der Welt-Antidoping-Agentur.

Bei Wacker Innsbruck regelmäßig vor wichtigen Spielen Captagon

Der gebürtige Kärntner Werner Kriess kam über Polizei Klagenfurt 1967 zur Vienna in die Nationalliga (damals die höchste Spielklasse in Österreich) und wurde ein Jahr später von Wacker Innsbruck verpflichtet. Beim Tiroler Traditionsverein reifte Kriess zum Abwehrchef und Teamleader. Mit fünf Meisterschaften und fünf ÖFB-Cupsiegen sowie zahlreichen großen Europacup-Spielen hat er eine stolze Visitenkarte aufzuweisen.

Am 4. April 1971 debütierte er unter Teamchef Leopold Šťastný bei der 0:2-Heimniederlage gegen Ungarn vor 35.000 Zuschauern im Wiener Praterstadion auch in der österreichischen Nationalmannschaft. Später rückte er sogar zum ÖFB-Teamkapitän auf, ehe ein Unterschenkelbruch am 19. November 1975 beim EM-Qualifikationsspiel in Wales seine Karriere nach 15 Spielen in der Nationalmannschaft abrupt beendet.

Nun gesteht Kriess Jahrzehnte später, wie in den 70er-Jahren bei Wacker Innsbruck im Fußball gedopt wurde. "Wir haben damals in Innsbruck vor allem Captagon-Tabletten verwendet. Das hat aufgeputscht, du warst dann halt richtig überdreht und ewig munter, und hast die ganze Nacht nicht geschlafen. Andererseits: Wegen dem ganzen Adrenalin schläfst du als Fußballer nach Partien sowieso nie gut. Insofern weiß ich nicht, ob das wirklich etwas genützt hat", meinte Kriess gegenüber dem "Kurier".

"Das wurde schon ganz gezielt eingesetzt. Auch in der Hoffnung, dass wir auf dem Spielfeld aufmerksamer sind. Aber wir haben das nicht vor jedem Match genommen, sondern hauptsächlich vor Europacupspielen und vor den richtig schwierigen und entscheidenden Partien in der Liga. Es haben auch nicht alle etwas genommen, es gab Spieler, die haben vor dem Match lieber zwei Gläser Cognac getrunken", so Kriess.

"Ärzte und Trainer haben nichts davon gewusst"

"Unsere Ärzte und Trainer haben davon nichts gewusst. Captagon war damals ein rezeptpflichtiges Medikament, aber das war natürlich für uns kein Problem, es zu kriegen. Das hat auch nichts gekostet, und irgendein Spieler hat immer zwei, drei Packerln besorgt, und vor dem Spiel gab es dann die Tabletten", meinte der Ex-Teamspieler.

"Damals hat es auch noch keine richtigen Dopingkontrollen gegeben. Die Schwerathleten haben zu meiner Zeit geschluckt wie die Narren. Die Biathleten haben Tranquilizer verwendet, um beim Schießen ruhig zu bleiben. Wir haben auch mit Vitamincocktails herumprobiert", sagte Kriess.

"Als Aktiver denkst du ja keine Sekunde an mögliche Spätfolgen. Klar hätte man das Mittel wahrscheinlich im Blut nachweisen können. Aber ich kann mich nicht erinnern, dass ich jemals kontrolliert worden wäre, obwohl es geheißen hat, dass sie Stichproben machen."

"Wir waren in Innsbruck ja nicht die einzigen"

"Es hat geheißen: Wir nehmen das jetzt, weil es die anderen auch nehmen. Weil so blöd sind wir ja nicht, dass wir das nicht auch könnten. Wir waren in Innsbruck ja nicht die einzigen. Es ist zwar nicht viel darüber geredet worden, aber alle haben gewusst, was los ist. Es ist schon anzunehmen, dass diese Sachen ziemlich flächendeckend genommen wurden", erklärte Kriess.

"Wobei ich heute sage, dass es nicht wirklich etwas gebracht hat. Das war mehr Placebo und alles andere als professionelles Doping, wir hätten unsere Erfolge auch ohne diese Mittel gefeiert. Ich kann mich erinnern, dass sich ein Rapid-Spieler, ein berüchtigtes Raubein, noch berüchtigter als ich, einmal beim Schiedsrichter beklagt hat. Der hat gesagt: Schau dem einmal in die Augen, der ist doch bis oben hin zu, der ist sicher gedopt", erinnerte sich der Wacker-Defensivspieler.

Zudem hat er auch einmal sehr negative Erfahrungen gemacht. "Vor einem Europacupspiel in Basel haben wir neue Tabletten ausprobiert. Keine Ahnung, wer die damals daher gebracht hat, aber jedenfalls hat es geheißen: Die sind eine echte Sensation. Aber schon beim Aufwärmen im Stadion habe ich gekotzt. Daran sieht man schon, dass es bei uns damals äußerst dilettantisch zugegangen ist", so Kriess.

Mehr dazu:
>> Übersicht aller Spiele von Werner Kriess

red