28.05.2015 12:00 Uhr

Rangers: Mit europäischer Nacht nach oben

Die Rangers wollen wieder erstklassig jubeln
Die Rangers wollen wieder erstklassig jubeln

Nach drei Jahren im Sumpf der Bedeutungslosigkeit stehen die Rangers vor der Rückkehr ins schottische Oberhaus. Wenngleich viele Fragezeichen über dem Klub stehen, würde ein Wiederaufstieg der Attraktivität der Liga gut tun.

Beinahe auf den Tag genau zehn Jahre ist es her, als ein damals 21-jähriger Scott McDonald im Trikot des Motherwell FC zum großen Helden für die Rangers wurde.

Es war der 22. Mai 2005, die Steelmen empfingen im heimischen Fir Park den designierten schottischen Meister Celtic. Bis kurz vor Schluss sah es nach einer Meistersause in grün und weiß aus. Dann drehte McDonald die Partie: Ein Doppelpack in der 88. und 90. Minute brachte einen 2:1-Sieg für Motherwell – das Zünglein an der Waage im Titelkampf. Zeitgleich gewannen die Rangers nämlich in Edinburgh bei den Hibs und zogen mit einem Zähler Vorsprung auf der Zielgeraden noch an Celtic vorbei. Der Rangers FC war schottischer Meister, der "Helicopter Sunday" ging in die Geschichte ein.

Zehn Jahre später sind die Rangers weit vom Glanz alter Tage entfernt. Nachdem der 54-fache Meister im Jahr 2012 in die Viertklassigkeit zurückgestuft wurde, ist er jetzt nur noch einen Schritt vor dem Wiederaufstieg entfernt. Gegner im Finale der Playoffs ist der Motherwell FC. Nach Gastspielen bei Celtic, Middlesbrough und Millwall wieder dabei: Scott McDonald.

Wird der Glücksbringer von damals in diesem Jahr zum Spielverderber? Geht es nach ihm, wird das schwierig: "Sie sind klarer Favorit. Jeder hat uns schon abgeschrieben. Aber wir fühlen uns wohl als Underdog, vielleicht können wir sie überraschen."

Schwierige Saison

Tatsächlich gelten die Rangers für Experten und Buchmacher als Favorit. Das hätte man lange nicht erwartet. Die Saison verlief alles andere als rund.

Den direkten Aufstieg verpasste man meilenweit. Mit Ally McCoist (Entlassung) und Kenny McDowall (Rücktritt) mussten zwei Trainer gehen. Ständige Systemwechsel, öffentliche Beschuldigungen - ein Mannschaftsgefühl schien sich nicht zu entwickeln. Dazu kamen Unruhen um eine abermalige Neuverschuldung und den drohenden erneuten Kollaps des Traditionsklubs.

Wirtschaftlich wurde der Kollaps vorerst abgewendet: Dave King, größter Privat-Aktionär des Klubs, hat gemeinsam mit dem ehemaligen Ibrox-Direktor Paul Murray und Geschäftsmann John Gilligan die Kontrolle bei den Rangers übernommen.

Letzte Woche wurde er offiziell als neuer Chairman vorgestellt. Sogleich sagte er hohe Investitionen zu. Durch eine Neustrukturierung des Klubs und eine stärkere Einbindung der Fans will er die Rangers sanieren und wieder nach oben führen.

McCall-Verpflichtung als Schlüssel

Sportlich brachte der im März engagierte neue Interimstrainer Stuart McCall das Team auf Kurs. Keith Jackson, Journalist der "Daily Record", analysierte: "McCall hat ein Wunder vollbracht, egal, wie es letztlich ausgeht. In seiner kurzen Amtszeit hat er erstmals in den letzten vier Jahren geschafft, ein Team zu formen. Es gibt eine Einheit, das Spiel hat Struktur und System wie unter keinem seiner Vorgänger. Er ist ein guter Organisator und Motivator, seinetwegen könnten die Rangers aufsteigen, was lange keiner gedacht hätte."

Die Personalie McCall ist für die Playoffs brisant: Mit Motherwell ist der Gegner ausgerechnet dessen letzte langjährige Station. Von Ende 2010 bis November letzten Jahres war der 50-Jährige bei den Steelmen tätig. Er hat die Mannschaft aufgebaut, kennt Stärken und Schwächen auswendig.

Momentum spricht für Rangers

Neben diesem Vorteil spricht auch das Momentum für den Zweitligisten: Während Motherwell in der Premiership nur eines der letzten sechs Spiele gewann, hatten die Rangers den Nervenkitzel der K.o.-Spiele und setzten sich – wenn auch denkbar knapp – zuletzt zweimal in Hin- und Rückspiel durch.

Dass man sich allerdings schon seit zwei Wochen im Drei-Tages-Rhythmus befindet, während der Gegner längere Ruhephasen hatte, kann laut Verteidiger Richard Foster auch ein Nachteil sein: "Der Playoff-Modus benachteiligt den Zweitligisten deutlich. Wir haben vier Spiele gemacht, sie zwei. Da kommen Verletzungen, Blessuren und Sperren zusammen."

Eindeutige Verhältnisse sind also nicht gegeben – zumal die Rangers zuletzt nicht unbedingt mit spielerischer Klasse überzeugten, als sie sich gegen die Hibs in der Schlussphase gerade so über die Zeit retteten.

Celtic braucht die Rangers

Spielerische Klasse hin oder her, Aufmerksamkeit werden die Playoffs auf jeden Fall bekommen: Insgeheim sehnt sich Schottland nämlich nach der Rückkehr der Rangers. Selbst die Fans des großen Erzrivalen Celtic werden nicht verneinen können, dass der eigene Klub von einem Aufstieg der Gers profitieren würde.

In den letzten vier Jahren wurde Celtic konkurrenzlos Meister. Wenngleich nicht damit zu rechnen ist, dass die Rangers sofort wieder ein echter Konkurrent um den Titel wären, würde die zuletzt dröge Meisterschaft (in diesem Jahr: 17 Punkte Vorsprung, 2014: 19, 2013: 16 und 2012: 20) wieder an Reiz gewinnen. Alleine durch das Old Firm: Eines der ältesten und emotionalsten Derbys der Welt ist für Medien- und Sponsoreneinnahmen von hoher Bedeutung.

Fans als Faktor

Vor allem aber sind es die Fans der beiden verfeindeten Klubs, die sich nach den Duellen sehnen. Für die Anhänger der Rangers wäre es das Größte, wieder mit Celtic um die schottische Krone zu konkurrieren.

Eben diese Sehnsucht und die daraus resultierende Leidenschaft machte den Ibrox Park zuletzt zur schwer einnehmbaren Festung. Genau darauf baut Trainer Stuart McCall im Hinspiel gegen Motherwell: "Es wird ein Zauber wie in einer europäischen Nacht. Wenn wir sie gebraucht haben, waren sie immer da und haben uns nach vorne gepeitscht. Vor allem in der Schlussphase gegen die Hibs, als wir gewackelt haben, waren sie unglaublich." 

Gegen Motherwell dürften die Fans erneut ein wichtiger Faktor werden. Beinahe müßig zu erwähnen, dass der Ibrox Park restlos ausverkauft ist.

Besonders in der Schlussphase müssen die Anhänger mithelfen zu verhindern, dass wie vor zehn Jahren die Stunde des Scott McDonald schlägt. Dieses Mal wäre es weniger erfreulich für die Light Blues.

Mehr dazu:
>> Das Playoff-Hinspiel am Donnerstag ab 20:45 Uhr im weltfussball-Liveticker

Jochen Rabe