03.07.2018 07:49 Uhr

1990: Matthäus und die Geburt eines Weltstars

Lothar Matthäus: Der Abschluss eines überragenden Solos
Lothar Matthäus: Der Abschluss eines überragenden Solos

Alle vier Jahre wird bei WM-Endrunden Geschichte geschrieben. Während der Weltmeisterschaft in Russland erinnert weltfussball an kuriose Ereignisse und unvergessene Momente. Heute: Lothar Matthäus' Gala bei der WM 1990.

Lothar Matthäus und die deutsche Nationalmannschaft – über viele Jahre stand diese Verbindung unter keinem guten Stern. Bei Inter Mailand und vorher bei Bayern München ein Spielmacher von Weltformat, schaffte es der gebürtige Erlanger nur selten, sein Ausnahmetalent auch im Adlertrikot auf den Platz zu bringen. Bis zur Weltmeisterschaft 1990.

Im Auftaktmatch der deutschen Mannschaft gegen Jugoslawien setzte der damals 29-Jährige ein wahres Ausrufezeichen, das ihn zum Weltfußballer des Jahres 1990 werden ließ und seinem Team den Weg zum dritten Weltmeistertitel ebnete.

"Wenn er so spielt, gibt es keinen Besseren auf der ganzen Welt", jubilierte Nationaltrainer Franz Beckenbauer nach der Gala gegen Jugoslawien - und das aus gutem Grund. In der 28. Minute hatte Matthäus seine Mannschaft mit einem trockenen Schuss aus 18 Metern ins linke untere Toreck in Führung gebracht. Jürgen Klinsmann erhöhte kurz vor der Halbzeit mit einem Kopfball auf 2:0.

Die Partie schien entschieden, zumal die hoch eingeschätzten Jugoslawen um ihren Regisseur Dragan Stojkovic dem druckvollen Spiel der Deutschen kaum etwas entgegenzusetzen hatten. Ein verlorenes Kopfballduell von Jürgen Klinsmann nach einem Freistoß reichte, um das Team von Ivica Osim wieder zurück ins Spiel zu bringen. Davor Jozic köpfte in der 55. Minute den Anschlusstreffer.

Das "Tor des Jahres" zum 3:1

Die Hoffnung der Jugoslawen, gegen die überlegenen Deutschen noch etwas mitzunehmen, zerstörte dann Lothar Matthäus mit einem ganz großen Auftritt nur Minuten später. Tief in der eigenen Hälfte angespielt, pflügte der Franke mit dem Ball am Fuß durch das gesamte Mittelfeld, wich dabei einer Grätsche von Davor Jozic aus, legte sich 22 Meter vor dem Tor den Ball zurecht und ließ mit seinem satten Abschluss Tomislav Ivkovic im Kasten der Jugoslawen keine Chance.

Das Weltklasse-Solo stellte den alten Torabstand wieder her. Wenige Minuten später erhöhte Rudi Völler zum 4:1-Endstand.

Nach dem Gala-Auftritt der deutschen Mannschaft und ihres Superstars war für die internationale Presse klar: Wer den WM-Titel holen wollte, musste die Beckenbauer-Elf schlagen. Die Sympathien der neutralen Stadionbesucher hatten die Deutschen eh auf ihrer Seite. Bis einschließlich zum Viertelfinale durfte der spätere Weltmeister im Mailänder Giuseppe-Meazza-Stadion antreten, dem Heimstadion von Inter Mailand, wo neben Matthäus auch Jürgen Klinsmann und Andreas Brehme unter Vertrag standen.

Die Unterstützung des "Heimpublikums" trug die Mannschaft durch die Weltmeisterschaft, die im Finalerfolg über Argentinien in Rom ihren krönenden Abschluss nahm.

Rekordnationalspieler mit Macken

Mit 29 Jahren befand sich Lothar Matthäus schon im fortgeschrittenen Fußballeralter. Dennoch sollte seine Karriere durch die WM 1990 noch einmal richtig Fahrt aufnehmen. Gegen Jugoslawien lief der spätere Rekordinternationale zum 75. Mal im Trikot der deutschen Nationalmannschaft auf. Bis zum Rücktritt aus dem DFB-Team nach der EM 2000 sollten noch einmal genauso viele Spiele folgen.

Ein weiterer großer Titel im schwarz-weißen Dress sollte ihm allerdings nicht mehr vergönnt sein: In einem "Geheimen Tagebuch" plauderte Matthäus im Sommer 1996 Interna aus, was ihn die Teilnahme an der Europameisterschaft kostete. Bundestrainer Berti Vogts und sein verlängerter Arm auf dem Spielfeld, Jürgen Klinsmann, nahmen dem damals 35-Jährigen die gezielten Indiskretionen übel, sodass Matthäus nicht in den EM-Kader aufgenommen wurde.

Nicht zum ersten und nicht zum letzten Mal stand sich Lothar Matthäus mit seiner offenherzigen Öffentlichkeitsarbeit selbst im Weg. Bei der WM 1990 gehörten die Schlagzeilen allerdings einzig und allein den sportlichen Qualitäten des Ausnahmekönners.

Ralf Amshove