24.06.2015 13:29 Uhr

Rampenlicht: Occéan’s Eleven

Zurück in der Wohlfühloase: Olivier Occéan
Zurück in der Wohlfühloase: Olivier Occéan

Viele bekannte Gesichter spielen weitgehend unbeachtet von der deutschen Presse im Ausland. Heute blickt weltfussball auf einen kanadischen Sturmtank mit Skandinavien-Faible, einen chinesischen Riesen und einen Wandervogel mit Berliner Vergangenheit.

Derzeit richten sich ungewöhnlich viele Blicke der Fußballexperten aufs ferne Kanada, wo die weltweit besten Damenmannschaften um den WM-Titel konkurrieren. Im Land der Ahornblätter ist "Soccer" bis heute eine mäßig populäre Randsportart, die im Schatten der "Volksreligion Eishockey" recht wenig Beachtung findet. Wenig verwunderlich, denn mit Triumphen und Titeln kann der kanadische Fußballverband wahrlich nicht glänzen.

Nur selten schaffen die Talente aus dem zweitgrößten Flächenstaat der Erde den Sprung über den großen Teich nach Europa. Eine der wenigen Ausnahmen bildet der Ex-Frankfurter Olivier Occéan, der sein Auslandsabenteuer vor elf Jahren in Norwegen begann und nun zu seinen Wurzeln zurückgekehrt ist.

Von Nordamerika nach Nordeuropa

Im Frühjahr 2004 war der Sohn haitianischer Einwanderer an die norwegische Küste zum Odd Grenland Ballklubb gewechselt. Der 1,85 Meter große Sturmtank fand sich in ungewohnter Umgebung auf Anhieb prima zurecht und knipste, was das Zeug hielt. Sechs Jahre lang gehörte Occéan zu den Top-Torjägern der Tippeligaen und erzielte fast 60 Tore für Odd Grenland und Lillestrøm SK. Mit 28 Jahren wagte der Nationalspieler noch mal einen Neustart: Drittligist Kickers Offenbach hatte angeklopft und den Goalgetter von einem Wechsel überzeugen können.

Occéan integrierte sich in Windeseile und empfahl sich mit 16 Saisontreffern schnell für höhere Aufgaben. Im Folgejahr setzte der Kanadier noch einen drauf: 17 Zweitliga-Buden im Trikot der SpVgg Greuther Fürth verhalfen dem Kleeblatt zum ersehnten Aufstieg und dem bulligen Angreifer als I-Tüpfelchen zur Torjägerkanone. Plötzlich war der damals 30-Jährige in aller Munde.

Missverständnis statt Höhepunkt

Im Sommer 2012 schien der Karrierehöhepunkt des Spätstarters erreicht, als sich Mitaufsteiger Eintracht Frankfurt die Dienste des Stürmers sicherte. Die Ehe wurde letztlich jedoch zu einem großen Missverständnis. Occéan fand sich im System von Armin Veh nicht zurecht und landete schnell auf der Ersatzbank. Ohne Selbstvertrauen schlurfte der Frankokanadier über den Rasen, auch eine Leihe nach Kaiserslautern brachte keine Besserung.

Als im Winter 2014 Gerüchte um ein Karriereende die Runde machten, trat Odds BK (bis 2012 Odd Grenland) erneut auf den Plan und holte den mittlerweile 33-Jährigen auf Leihbasis wieder nach Hause in die Skagerrak-Arena. Frei nach dem Motto "Occéans Eleven" genügten ihm dort elf Einsätze, um zu alter Form zurückzufinden. In diesen elf Begegnungen steuerte er vier wichtige Treffer bei, darunter die 1:0-Führung am vergangenen Freitag gegen IK Start (Endstand 3:3). In Norwegen ist der Torjäger endlich wieder gefragt und glücklich. Vielleicht kein hollywoodreifes Happy-End für Occéan, doch zumindest ein Kreis, der sich schließt für eines der wenigen Aushängeschilder des kanadischen Fußballs.

Zwischen Zwergen und Riesen

In die Kategorie "Riesenland & Fußballzwerg" passt auch die Volksrepublik China, die mit 1,37 Milliarden Einwohnern der bevölkerungsreichste Staat der Erde ist. Im südostasiatischen Raum gibt es für die Chinesen allerdings kein Vorbeikommen an den Fußballmächten Japan und Südkorea, die den Kontinent regelmäßig bei den großen Weltturnieren repräsentieren dürfen. Zwar werden seit geraumer Zeit Top-Spieler aus dem Ausland mit Mondgehältern in die chinesische Super League gelockt, die einheimischen Kicker verharren dabei jedoch in Statistenrollen.

Einer der wenigen chinesischen Akteure mit einer besonderen Profi-Laufbahn ist Jiayi Shao. Über acht Jahre verweilte der Freistoßspezialist mit der außergewöhnlichen Schusstechnik in Deutschland. Erst im Frühjahr 2012 brach der Ex-Nationalspieler seine Zelte wieder ab und kehrte nach 67 Erst- und 101 Zweitligabegegnungen in seine Heimat zu Beijing Guoan zurück. Und das durchaus erfolgreich: Auch mit stolzen 35 Jahren auf dem Buckel hat der frühere Cottbusser den Spaß am Spiel noch nicht verloren. Erst vor wenigen Tagen traf Shao schlappe zwei Minuten nach seiner Einwechslung zum 3:0 gegen Tianjin Teda. Zwar muss er jetzt, im Spätherbst seiner Karriere, häufiger mit der Jokerrolle vorlieb nehmen, doch nicht nur wegen seiner Körpergröße von 1,88 Metern gilt der Offensivspieler bis heute als einer der "Fußballriesen" seines Landes.

Berlin, Beerschot, Beijing? Hauptsache Brasilien!

Ein ehemaliger Teamkollege von Shao ist der Ex-Herthaner André Lima, der eine Saison lang in Beijing auf Torejagd ging. Sein kurzes Gastspiel in Berlin begann schon im Sommer 2007: Als Führender der Torschützenliste der brasilianischen Série A wurde der Angreifer als Alternative zu Platzhirsch Marko Pantelić an die Spree gelockt, der Knipser vom Zuckerhut hatte allerdings Ladehemmungen und kam in 16 Bundesligaeinsätzen nur auf magere zwei Törchen. Nach einem Jahr ging Lima, wie schon nach seinem ersten Europaabenteuer beim belgischen Erstligisten Germinal Beerschot, zurück in seine brasilianische Heimat.

Dort angekommen tingelte er von Klub zu Klub, in drei Spielzeiten stand Lima bei vier verschiedenen Vereinen unter Vertrag. Als es so schien, als würde er bei Grêmio Porto Alegre endlich heimisch werden, wechselte er zu Beijing Guoan nach China. Also zog er weiter nach Fernost, so als hätte es die vorigen Flops im Ausland nie gegeben – und scheiterte dort ebenfalls. Mittlerweile steht André Lima wieder in Brasilien beim Avaí FC unter Vertrag. Am vergangenen Wochenende konnte er dort immerhin mal wieder beweisen, dass er seine Paradedisziplin trotz aller Tiefschläge noch beherrscht: In letzter Minute traf er als Joker zum späten 1:1-Ausgleich beim FC São Paulo. Man möchte ihm raten: Berlin, Beerschot, Beijing – bleib diesmal besser in Brasilien!

Heiko Lütkehus