28.07.2015 13:40 Uhr

Michu: Verliebt, verlobt, verloren

Michu (r.) hat für Swansea einst wie am Fließband getroffen
Michu (r.) hat für Swansea einst wie am Fließband getroffen

Ein 26-jähriger Spanier wechselt für einen Schnäppchenpreis in die Premier League und schießt sich auf Anhieb in die Herzen der Fans und in die Top Five der Torjägerliste. Drei Jahre, eine Leihgabe und viele Verletzungen später ist die kurze aber innige Beziehung zwischen Michu und Swansea City vor dem Aus.

Auf die Frage, welche Ziele er sich auf der Insel gesetzt habe, antwortete Michu bei seiner ersten Pressekonferenz für Swansea süffisant: "Das Monster von Loch Ness zu finden". Der sympathische Spanier mit dem langen Haar flog die meiste Zeit unter dem Radar der Premier-League-Klubs, bevor ihn Michael Laudrup zum walisischen Erstligisten lockte. Gerademal zweieinhalb Millionen Euro überwiesen die Swans nach Spanien, um Miguel Pérez Cuesta, wie Michu mit bürgerlichem Namen heißt, von seinem bisherigen Verein Rayo Vallecano loszueisen.

Spätestens nach der Hinrunde fragten sich die britischen Topklubs, wer der Junge mit dem zottligen Haupthaar sei. 16 Tore in den ersten 24 Partien für seinen neuen Arbeitgeber verhalfen ihm schnell zum Titel "Schnäppchen der Saison": Englands Fußballlegende Gary Lineker bezeichnete den Offensivspieler gar als "Schnapper des Jahrhunderts" und brachte dessen Coach allein für die Verpflichtung des Spaniers ins Gespräch als Trainer des Jahres. Und Sir Alex Ferguson fügte hinzu: "Ich hatte noch nicht einmal von ihm gehört, bevor er zu Swansea kam. Ich befürchte, ich muss ein ernstes Wort mit unserer Scouting-Abteilung reden."

Um die Avancen der Großen frühzeitig zu unterbinden, verlängerten die Waliser im Januar 2013 frühzeitig mit ihrem Torjäger, dessen Kontrakt noch bis 2016 läuft. Sein Höhenflug hielt an, Michu kam am Ende der Spielzeit auf 22 Treffer und fünf Vorlagen in 43 Partien und leistete einen Löwenanteil am größten Erfolg der bisherigen Vereinsgeschichte Swanseas: dem Gewinn des Capital One Cups und damit dem Einzug in die Europa League.

Flucht nach Italien

Und auch in der zweiten Saison begann der Spanier, der sich als hängende Spitze am wohlsten fühlt, wo er in der ersten aufgehört hatte. Seine beständig guten Leistungen verhalfen Michu sogar zur Premiere in der Nationalmannschaft des damaligen Weltmeisters. Nach den 60 Minuten für die Furia Roja im WM-Qualifikationsspiel gegen Weißrussland wurde der Debütant auf die Möglichkeit eines Wechsels zu einem europäischen Spitzenverein angesprochen. "Darüber denke ich momentan nicht nach", sagte er damals: "Ich genieße gerade einfach mein Leben bei Swansea." Das sollte sich noch im selben Monat ändern.

Auf eine Knieverletzung folgten Beschwerden am Knöchel, die weder Trainer noch Spieler als folgenschwer ansahen. Der Leistungsträger wurde verfrüht zurück aufs Feld geschickt und bekam solche Schmerzen, dass er beinah ein halbes Jahr ausfiel.

Genau in dieser Zeit trennte sich Swansea von Trainer Laudrup, Michus Vertrauensperson im Klub. Im Umfeld des Vereins heißt es, der Spanier habe in diesem Moment seinen Abschied geplant. Nachdem sein Comeback mehr als schleppend verlief, einigte sich der Angreifer mit dem neuen Coach Garry Monk auf einen Wechsel auf Leihbasis, um zu alter Form zurückzufinden. Im Sommer letzten Jahres schloss sich Michu dem SSC Napoli für ein Jahr an.

Letztes Tor im Oktober 2013

Doch aus einer Pechsträhne wurde eine Katastrophe. Zusätzliche Operationen wegen erneuter Verletzungen am lädierten Fußgelenk legten ihn fast die gesamte Saison flach. Wenn er sich dann im mit Topstars wie Gonzalo Higuain, Lorenzo Insigne und Marek Hamšík besetzten Angriff durchsetzen und spielen konnte, traf er nicht. Sechs Einsätze, allesamt ohne Torerfolg, markieren den vorläufigen Tiefpunkt einer verheißungsvollen Karriere. Nun will Swansea den einstigen Liebling von der Gehaltsliste bekommen, mit André Ayew wurde bereits ein namhafter Ersatz aus Marseille verpflichtet. Und auch Michu soll bereits betont haben, nicht auf die Insel zurückkehren zu wollen. 

Doch es ist nicht leicht, einen Offensivspieler loszuwerden, dessen letzter Pflichtspieltreffer 21 Monate zurückliegt und der die Frustration über seinen Werdegang zunehmend, so hieß es zuletzt in Wales, an Kollegen und Verantwortlichen auslässt. Zu den Interessenten zählen zwei spanische Vereine, Michus Ex-Klub Vallecano und der Rivale aus Granada. Doch beide können und wollen das üppige Salär (rund 2,7 Millionen Euro) des 29-Jährigen nicht stemmen. So wird Swansea also womöglich selbst in die Tasche greifen und einen Teil der Forderungen decken müssen, um das unglückliche Ende einer kurzen Ehe zu besiegeln. 

Ende einer Achterbahnfahrt

Seine Zelte hat Michu bereits abgebrochen, war beim Trainingsauftakt seines Noch-Arbeitgebers nicht aufzufinden und hält sich anderweitig fit. Ende des Monats soll eine Entscheidung getroffen werden. Die Frage nach dem Schuldigen an der Misere eines zweifellos talentierten Fußballprofis stellt sich dann nicht mehr.

Ob Laudrup ihn nach der Erstverletzung nun zu früh zurückgebracht hat, der Verein Rückendeckung vermissen ließ oder der Spieler einfach an sich und seinem Pech verzweifelte, all das gehört der Geschichte an.

Der Name Michu wird in Swansea für immer mit einer sagenhaften Saison und dem größten Titel der Vereinsgeschichte verbunden sein und auch der aktuelle Coach Monk meint: "Wenn er das Glück hat, sich über Dauer nicht zu verletzen, wird man wieder die selbe Qualität bei ihm sehen können, die er hier schon gezeigt hat". Bei welchem Klub der Spanier seinen Neuanfang starten darf, wird sich in den kommenden Wochen entscheiden.

Mehr dazu:
>> Alle Vereinsspiele von Michu im Überblick

Kevin Brüssel