31.08.2015 07:00 Uhr

Jungbullen retten Salzburgs Euro-Herbst

Ernst Tanner leitet seit 2012 die Nachwuchsakademie von RB Salzburg
Ernst Tanner leitet seit 2012 die Nachwuchsakademie von RB Salzburg

Eine UEFA-Reform macht es möglich: RB Salzburg wird im kommenden Herbst international vertreten sein. Und zwar mit einer U19-Mannschaft in der Youth League, der Königsklasse des Nachwuchsfußballs. Die Auslosung erfolgt am Dienstag. Weltfussball bat Ernst Tanner, den Leiter der Salzburger Akademie, aus diesem Anlass zum Gespräch.

RB Salzburg in der Königsklasse? Unweigerlich tauchen hier Bilder des Scheiterns im Gedächtnis auf. Bitteres Aus gegen Shakhtar Donetsk, Blamage gegen Dudelange, zuletzt das doppelte K.o. gegen Malmö FF. Nach dem Ausscheiden gegen Dinamo Minsk, können sich die "Bullen" heuer nicht einmal in der Europa League darüber hinwegtrösten.

Dennoch: Die Mozartstadt wird einem internationalen Schaulaufen zumindest im Herbst die Bühne bieten. Der Salzburger Nachwuchs darf sich im Rahmen der UEFA Youth League mit den altersgleich Besten der Besten messen, verwirklicht sich somit jenen Traum, der seit dem Einstieg von Red Bull 2005 vom gesamten Klub gehegt wird.

Eine UEFA-Reform nach zwei Jahren Probebetrieb öffnet den Bewerb für die Juniorenmeister der 32 besten Mitgliedsverbände. Die Jungbullen lernen ihren Gegner am Dienstag kennen, wenn in Nyon ab 13:45 Uhr in die Lostöpfe gegriffen wird. Vor der Auslosung hat weltfussball.at mit Ernst Tanner über die Aussicht Youth League gesprochen. Der 48-Jährige Deutsche steht nach Stationen als Nachwuchskoordinator bei 1860 München, 1899 Hoffenheim sowie als Sportchef und Geschäftsführer der Hoffenheimer seit 2012 der Salzburger Akademie vor.

Weltfussball: In den vergangenen Monaten war von Salzburg unter anderem auch als Ausbildungsklub für Leipzig die Rede. Nun liegt der Schluss nahe, dass die Teilnahme an der Champions League der A-Junioren eine immense Bedeutung hat. Wird dem Rechnung getragen?

Ernst Tanner: Es hat für die Jugendabteilung einen sehr, sehr hohen Stellenwert. Dieser ist auch im Verein gegeben. Aber es ist eine Mär, dass wir ein Ausbildungsklub sind. Davon sind wir weit entfernt. Gute Ausbildung ist ein Teil unserer täglichen Arbeit. Wir sind ein internationaler Klub, darin begründet, dass wir den internationalen Bewerb anstreben, eigenständig und auch entflechtet von Leipzig.

Wie wichtig ist die Teilnahme für den gesamten Klub?

Es ist sportlich die höchste Wertigkeit, die man im Jugendbereich kriegen kann. Das ist der erste Faktor. Der zweite ist natürlich - und das hat die Austria damals sehr gut gemacht, als sie mitgespielt hat - es ist auch ein Imagefaktor. Für uns ist es einerseits Auszeichnung und Bestätigung für die geleistete Arbeit, und andererseits ist es für die Jungs selber ein sehr hoher Anreiz, sich da mit sehr guten, vielleicht auch den besten Mannschaften messen zu dürfen.

Der Nachwuchsbereich ist durch diverse internationale Turniere bestens vernetzt. Gerade österreichische Klubs treten hier auch als Organisatoren in Erscheinung. Brauchen die Klubs den Bewerb tatsächlich oder geht es um die Eitelkeit der UEFA?

Die UEFA hat den Bewerb mehr oder weniger übernommen. Sie hat gesehen, dass das durchaus angenommen wurde und bevor der fremdveranstaltet wird, man sich den besser ans eigene Revers heftet. Von der Seite her ist es ein sinnvoller Bewerb.

Der Vorgängerbewerb NextGen-Series ging ohne österreichische Klubs über die Bühne. Warum eigentlich?

Ich kenne Mike Warburton, der das veranstaltet hat, persönlich und er wollte von den Vereinen immer nur die klingendsten Namen. Das hat damit zu tun, dass er seine Liga privat finanzieren musste und entsprechend auf Sponsoren angewiesen war. Da fließt das Geld leichter, wenn Real Madrid gegen Chelsea spielt, auch im Nachwuchs.

Der Modus der reformierten Youth League darf getrost als ausgefallen bezeichnet werden, er ist ein Hybrid zwischen Gruppenphase und Knock-Out-Turnier: Während der Nachwuchs der CL-Teilnehmer weiterhin "als Vorprogramm" gegen die gleichen Gegner wie ihre Kampfmannschaft antritt, ermitteln Österreichs U18-Champion und Co in der Domestic Champions Route im Herbst in zwei K.o.-Runden mit Hin- und Rückspielen acht Teilnehmer für ein Playoff. Diese kämpfen dort gegen die Gruppenzweiten um den Einzug ins Achtelfinale, wo wiederum die Gruppensieger der Champions League Route warten.

Die Exklusivität durch das Etikett Champions League ist etwas verloren gegangen. Ist der Bewerb durch die Reform gerechter oder verwässert worden?

Ich sehe es durchaus als Aufwertung des Bewerbs, weil wir ja alle wissen, dass nicht bei allen Vereinen, wo in der ersten Mannschaft gut Fußball gespielt wird, es auch in der Jugend so ist. Im Grunde hat man viele gute Mannschaften, die vielleicht sogar Landesmeister geworden sind, außen vor gelassen. Das versucht die UEFA nun zu korrigieren, indem sie den U18-Meister mitnimmt beziehungsweise den Verbänden die Möglichkeit gibt zu entsenden. Hier wurde versucht, das Format den wirklichen Gegebenheiten im Nachwuchsbereich anzupassen.

Für Fußball-Österreich waren es jedenfalls gute Nachrichten.

Für uns ist dieser Schritt ideal, weil wir zum zweiten Mal hintereinander mit der U18-Meister geworden sind und daher teilnehmen dürfen.

Inwieweit waren die Nachwuchsleiter in den Reformprozess eingebunden?

Gar nicht. Die UEFA hat über ihre Kommissionen nach Verbesserungen gesucht. Dort sind natürlich Nachwuchsleute drinnen, die die Szene kennen und die richtigen Entscheidungen treffen können.

Dabei wurden rund um die Youth League auch immer wieder kritische Stimmen laut.

Der Bewerb ist anfänglich auf viel Widerstand gestoßen. Gerade in den Ländern, wo die Ligen den professionellen Ligen ähneln. Ich spreche da jetzt von Deutschland, Spanien und Frankreich. Die haben alle ein bisschen gestöhnt wegen der zusätzlichen Terminflut. Gerade die Nationalspieler, die ohnehin viel weg sind, haben einen richtigen Stress und entsprechend Fehlzeiten in der Schule. Das darf man alles nicht verhehlen.

Also war die Kritik nachvollziehbar?

Ich habe lange genug in Deutschland gearbeitet, um die Szene dort zu kennen. Es war eine Riesen-Jammerei, auch von Leuten, die das Thema genutzt haben, um sich in Erinnerung zu rufen und medial zu erscheinen. Im Endeffekt war aber kein Klub dabei, der sich beklagt hat, dass er da mitspielen muss. Im Gegenteil, die Vereine haben sich auf die Youth League konzentriert und versucht dort zu brillieren. Eigentlich wurde der Bewerb sehr gut angenommen, trotz aller Kritik. Das zeigt für mich schon, mit welcher Schizophrenie das Thema angegangen wurde.

Wie wird das Thema in Salzburg gesehen?

Wir nehmen den Bewerb sehr gerne an, aus dem einfachen Grunde, weil wir von Ende August bis Mitte November nur Liga spielen. Ich sehe die Youth League als guten Übergang von der Akademie, der U18 in die zweite Liga mit dem FC Liefering. Für uns ist es genau der richtige Schritt.

Ein Hauptpunkt der Kritik vor allem der deutschen Klubs war, dass die schulische Ausbildung, die das Akademiesystem wesentlich ausmacht, zu kurz käme - ausgerechnet am Ende des Bildungswegs, wenn es um die Matura geht. Gibt es keine Bedenken wegen etwaiger negativer Auswirkungen?

Was die schulische Geschichte betrifft, das bringen wir sowieso viel besser in den Griff. Weil wir gerade hier in Salzburg einen perfekten Zugang haben. Wir bieten alle Level an, die man anbieten kann und haben eine Kooperation mit einer Privatschule, die uns alle Freiheiten erlaubt. Ich kann jetzt schon hundertprozentig sagen, wegen der Youth League fällt uns hier keiner durch.

Sie arbeiten mit Jugendlichen. Da geht es auch um das Thema Persönlichkeitsentwicklung. Muss man da durch das Glanzlicht der UEFA und der "Champions League des Nachwuchses" besonders drauf Acht geben, dass die Spieler nicht zu früh abheben?

Das ist in der Akademie unser täglicher Job. Die Spieler, die zu uns in die Akademie kommen, sind de facto privilegiert. Bis zu einem gewissen Grad auch exponiert. Es ist daher unser Job dem entgegenzuwirken. Wir vermitteln den Jungs das Gefühl, dass sie jeden schlagen können, bauen Selbstvertrauen auf. Aber gleichzeitig müssen sie zu schätzen wissen, was ihnen geboten wird. Diese Plattform auch nur nützen zu können durch entsprechenden Fleiß, harte und dauerhafte Arbeit.

Die Altersgrenze für die kommende Youth-League-Saison wird von der UEFA mit 1. Jänner 1997 gezogen, nur drei 1996er-Jahrgänge sind erlaubt. In Österreich endet das Ligasystem im Nachwuchs mit der U18, danach wechseln die Talente endgültig in den Erwachsenen-Fußball. Im Kader der Kampfmannschaft von RB Salzburg gäbe es drei einsetzbare Spieler, beim FC Liefering etliche mehr, dazu kommt die U18 aus der Jugendliga.

Für die Youth League muss die Mannschaft eigens zusammengestellt werden. Wer wird letztlich spielen und wer das Team betreuen?

Das Team wird Thomas Letsch betreuen, der Trainer des FC Liefering. Wir haben uns natürlich Gedanken gemacht und sind nicht ganz blauäugig an die Situation herangegangen. Wir haben mit der UEFA gesprochen. Nachdem der FC Liefering ja quasi unsere zweite Mannschaft ist, haben die Spieler selbstverständlich Spielrecht in der Youth League. Wir hätten sonst unsere Kader noch einmal aufblähen müssen. Wir können alle 1997er einsetzen, das ist richtig so, denn das wäre sonst ein grundlegender Nachteil und auch eine Wettbewerbsverzerrung.

Da die Liefering-Spieler nun mitmachen dürfen stehen sie doch vor einem logistischen Problem. Die Erste Liga spielt am Freitag, die Youth League ist mit ihren Terminen an die Champions League gekoppelt, spielt also Dienstags und Mittwochs. Wie kommen die Spieler zu ausreichenden Ruhezeiten?

Die Problematik besteht in der Tat. Bei der Terminierung in Nyon wird es meine Aufgabe sein, diese Überschneidungen rauszubringen. Ansonsten sind unsere Kader schon groß genug, dass wir zwei Mannschaften haben, das bringen wir schon hin. Dann wären wir in der Youth League aber relativ jung. Es würden nicht nur 97er spielen, sondern auch viele 99er, aber das stört uns nicht.

Mit Akademien in Europa, Afrika und Südamerika hatte bzw. hat Red Bull ein globales Fußballnetzwerk. Als Stammgast in der Youth League, via Meistertitel in Österreich, kann Salzburg dort als globale Plattform dienen.

Wir sind im Grunde relativ global aufgestellt und leben diesen Gedanken auch. Wir bringen aus unseren weltweiten Akademien die Top-Talente zum FC Liefering. Das haben wir in der Vergangenheit mit den Ghanaern und Brasilianern so praktiziert. Aus New York ist bis jetzt nicht so viel gekommen. Da sind wir dabei, die Ausbildung anzugleichen. Von den Leipzigern haben wir auch schon den einen oder anderen bei uns gehabt. Hier haben wir den Vorteil, dass wir auf professioneller Ebene mit ganz, ganz Jungen spielen können und die eine Plattform kriegen, die sie sonstwo in den dritten, vierten Ligen nicht kriegen. Auch die Infrastruktur ist ideal.

Salzburg spielt in der Domestic Champions Route. Die UEFA verzichtet bei der Auslosung auf Setzlisten, gliedert die Teams stattdessen nach regionalen Kriterien. Die Jugendmeister von Bosnien, Finnland und Island rückten auf, weil Shakhtar Donetsk, Maccabi Tel-Aviv und Dinamo Zagreb via Champions League in den Bewerb rutschten.

Die Teilnehmer: Villarreal (ESP), Middlesbrough (ENG), Schalke 04 (GER), Torino (ITA), Stade de Reims (FRA), Spartak Moskva (RUS), AFC Ajax (NED), RSC Anderlecht (BEL), Beşiktaş (TUR), Servette Geneve (SUI), RB Salzburg (AUT), Příbram (CZE), Viitorul (ROU), APOEL (CYP), Midtjylland (DEN), Legia Warszawa (POL), FC Minsk (BLR), Celtic (SCO), Elfsborg (SWE), Litex Lovech (BUL), Brann (NOR), Rad (SRB), Felcsút (HUN), Domžale (SVN), Senica (SVK), Zimbru Chisinau (MDA), Ravan (AZE), Saburtalo (GEO), Aktobe (KAZ), Željezničar (BIH), HJK Helsinki (FIN), Stjarnan (ISL)

Mit welchen Gegnern ist in der Domestic Champions Route besonders zu rechnen? Gibt es gar Wunschgegner?

Auf dem Niveau, gegen Landesmeister, trifft man auf ganz gute Mannschaften. Dahingehend ist das Thema Wunschgegner zu verwerfen. Dinamo Zagreb hat sich zum Beispiel für die Champions League qualifiziert, wäre aber ein möglicher Gegner gewesen. Da spielst du eigentlich gegen die kroatische Nationalmannschaft. Wenn man heuer Pech hat, kommt man auf Schalke 04, die sind deutscher Jugendmeister, haben in den letzten Jahren sehr gut gespielt in der Youth League, sind aber nicht für die Champions League qualifiziert. Es kann dich heuer in der ersten Runde schon sehr hart erwischen.

Welche Ziele steckt sich RB Salzburg selbst?

Wir trauen uns zu gegen jeden Gegner zu bestehen. Im Endeffekt muss man das auch, wenn man weit kommen möchte. Wir sind auch im europäischen Vergleich keine Laufkundschaft mehr. Wir haben hier in den letzten Jahren einiges aufgebaut. Wenn ich den FC Liefering mitzähle, haben wir von der U16 bis zur U21 40 österreichische Nationalspieler. Da brauchen wir nicht in falscher Ehrfurcht erstarren. Wir haben mit unserer U18 auch schon bei U19-Turnieren in Deutschland mitgespielt und gewonnen. Auf europäische Ebene haben wir gezeigt, dass wir nicht nur mithalten, sondern auch siegen können. In der Youth League werden die Karten neu gemischt.

Die Spiele der Youth League waren bisher am Vormittag oder tagsüber. Manchen Klubs gelang es ein großes Publikumsinteresse zu wecken, aber nicht allen. Ohne an die Termine der Champions League gebunden zu sein, könnten die Spiele doch zu für Fans attraktiveren Zeiten ausgetragen werden.

Ja, das wünschen wir uns, dass wir das hinbringen. Aber es hängt natürlich auch von den Wünschen des jeweiligen Gegners ab, die natürlich auch im Jugendbereich respektiert werden müssen. Ich versuche schon, dass wir am Nachmittag spielen, weil ich dadurch ein normales Publikum ansprechen kann. Ob uns das gelingt ist eine große Frage.

Wir danken für das Gespräch.

Mehr dazu:
>> Spielplan Youth League 

Das Interview führte Sebastian Kelterer