30.08.2015 16:28 Uhr

Goalgetter Gomis: Eine Frage der Geduld

Stürmer Bafetimbi Gomis (r) darf zur Zeit immer jubeln
Stürmer Bafetimbi Gomis (r) darf zur Zeit immer jubeln

Nach Anlaufschwierigkeiten läuft’s für Sturmtank Bafetimbi Gomis in Swansea endlich rund. Seitdem Wilfried Bony den walisischen Top-Club im Winter Richtung Manchester verließ, blüht der Franzose förmlich auf. Ein Jahr vor der EM im eigenen Land träumt der Mann mit den auffälligen Rastazöpfen von einer Rückkehr in die Équipe Tricolore.

„Alles nimmt ein gutes Ende für den, der warten kann“ (Leo N. Tolstoi)

Rückblick Januar 2015: Die englischen Tabloids überbieten sich gegenseitig in hämischen Abgesängen auf Bafetimbi Gomis, den bulligen Angreifer von Swansea City, der nach seiner Ankunft im Liberty Stadium nur selten überzeugen konnte. Bereits nach sechs Monaten kokettiert der Franzose, dem das Image eines technisch limitierten Unruhestifters anhaftet, offen mit einem Abschied aus South Wales. Tatsächlich verlief der Start des Neuzugangs auf englischem Boden holprig: 15 Einsätze, zumeist als Joker, sowie ein mickriges Törchen standen nach der Hinserie 2014/2015 im Arbeitszeugnis des 12-fachen Nationalspielers.

Traditionell geraten Kicker, bei denen eine Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit zu klaffen scheint, auf der Insel schnell ins Kreuzfeuer des Boulevards. Wer einmal den Stempel des Flops trägt, muss sich oftmals mächtig strecken, um zurück in die Spur zu finden. Umso erstaunlicher, wie sich das Blatt beim jüngst 30 Jahre alt gewordenen Gomis zum Guten gewendet hat. Eine Wiederauferstehung, die untrennbar mit dem spektakulären Abgang eines früheren Platzhirschen verbunden ist.

Raus aus dem Schatten

Viele Monate hatten die Swansea-Verantwortlichen alles daran gesetzt, ihre ivorische Tormaschine Wilfried Bony im Team zu halten – am Ende vergeblich. Über 30 Millionen Euro legte Manchester City auf den Tisch, um den Knipser von den „Swans“ loszueisen. Untypisch für einen Premier-League-Club verzichteten die Waliser im Anschluss darauf, die Einnahmen direkt in frische Kräfte zu reinvestieren und schenkten stattdessen einem Spieler das Vertrauen, der bis dahin ein Schattendasein hinter Bony gefristet hatte - Bafetimbi Gomis.

Nun, acht Monate später, darf man dem Verein getrost zu dieser Entscheidung gratulieren. Schon im letzten Drittel der vergangenen Spielzeit blühte der Sohn senegalesischer Einwanderer auf und erkämpfte sich einen Platz im spielfreudigen Ensemble von Jungtrainer Garry Monk. Gefüttert von brillanten Nebenleuten wie Mittelfeld-Ass Gylfi Sigurdsson, Flügelflitzer Jefferson Montero und neuerdings auch André Ayew ist Gomis nach und nach zu einem zentralen Element der starken Swansea-Offensive geworden. Athletik, Kopfballstärke, Schussgewalt – der aus der Jugendabteilung des AS Saint-Étienne stammende Angreifer überzeugt durch Vielseitigkeit und hat saisonübergreifend starke 9 Tore in 13 Ligapartien zum Erfolg der „Swans“ beigetragen. Nicht das erste Mal, dass er einen langen Atem beweist.

Karrieresprung im Schneckentempo

Aufgegangen war der Stern des Franzosen wenige Wochen vor der EURO 2008, als Gomis dank zweier Wahnsinnstreffer im Test gegen Ecuador überraschend in den Turnierkader der Équipe Tricolore rutschte.

Ein Jahr später sicherte sich Champions-League-Dauergast Olympique Lyon die Dienste des Torjägers und stattete ihn direkt mit einem Fünf-Jahres-Vertrag aus. Anfangs fremdelte Gomis im neuen Trikot, immer wieder setzte „OL“-Coach Claude Puel den Sturmtank auf die Ersatzbank. Dennoch bewiesen alle Seiten Geduld, die sich über die Jahre zunehmend auszahlte und in einer stetig verbesserten Torquote mündete. Als dem Goalgetter im Dezember 2011 in der Königsklasse in Zagreb vier Treffer gelangen, schien „Bafé“ auf den Höhepunkt angekommen. Nur sechs Monate war die Euphorie schon wieder verflogen.

Im Sommer 2012 berichteten verschiedene Zeitungen von schweren Vorwürfen einer 38-jährigen Frau, die Gomis und einen Lyonner Teamkollegen der Vergewaltigung bezichtigte. Zwar blieben die Ermittlungen der französischen Polizei ohne Ergebnis, das Image des Stürmers war dennoch ramponiert. Auch ein missglückter Versuch, einen Wechsel nach Newcastle zu erzwingen, war der Reputation des Ex-Nationalspielers nicht förderlich und endete in einer kurzzeitigen Schlammschlacht mit Noch-Arbeitgeber Lyon. Statt sein letztes Vertragsjahr bei „OL“ abzusitzen, kämpfte sich Gomis jedoch wieder in die erste Elf und verabschiedete sich mit 22 Pflichtspieltreffern standesgemäß aus der Ligue 1. Diese Beharrlichkeit zahlte sich schließlich aus: Mit einigen Jahren Verspätung erfüllte sich der Premier-League-Traum des Kopfballmonsters, als der walisische Vorzeigeclub Swansea City anklopfte.

Der Traum von der EM

Heute ist Gomis die Speerspitze der gefährlichen „Swans“-Offensive und aktuell in der Form seines Lebens. In den ersten drei Matches der jungen Saison hat der bullige Stürmer jeweils getroffen. Plötzlich scheint auch eine Rückkehr in die französische Nationalmannschaft – pünktlich zur heißen Phase vor der EM im eigenen Land – zum Greifen nah. Sein Chef und Förderer Garry Monk macht ihm für dieses Vorhaben Mut: „Er hat darüber gesprochen, wieder für sein Land spielen zu wollen. Hier hat er die perfekte Bühne, um sich zu zeigen. Er ist absolut fokussiert und hat große Chancen, es rechtzeitig zu schaffen“. Mehr als zwei Jahre nach seinem letzten Länderspiel hofft Gomis, dass die Zeit des Wartens auf ein Comeback ein gutes Ende nimmt. So wie Tolstoi es einst beschrieb.

Zunächst steht allerdings das wichtige Heimspiel gegen Manchester United auf dem Programm. Die Torserie des 30-Jährigen soll auch gegen den Schweinsteiger-Club Bestand haben. Vielleicht läuft’s ja wie im Februar: Damals traf Gomis zum umjubelten 2:1-Siegtreffer gegen den großen Favoriten.

Heiko Lütkehus