Auf den Tag genau vor 60 Jahren legten Partizan Belgrad und der Sporting CP aus Lissabon den Grundstein zu dem, was heute Millionen Fans weltweit in den Stadien und vor den Fernsehgeräten fesselt: der Champions League.

Das Jahr 1955 ist in der Gründer-Szene nicht unbedingt als ein besonderes bekannt. Zwar brachte man in London das erste "Guinessbuch der Rekorde" auf den Markt und eröffnete in Ulm das weltweit erste "Museum der Brotkultur", viel mehr Aufregendes wird der Hobby-Historiker in den Annalen jedoch nicht finden. Ganz anders der Fußball-Fan.

Denn in jenem Jahr fand das erste Spiel im neu geschaffenen Europacup der Landesmeister, der heutigen Champions League, statt. Ein Wettbewerb, der ursprünglich als "Europameisterschaft der Klubs" tituliert wurde, und auch 60 Jahre später nichts von seiner Anziehungskraft verloren hat.

Die Suche nach der besten Vereinsmannschaft der Welt

Schon vor 1955 trugen europäische Vereine mehr oder minder offizielle Wettbewerbe ("Mitropapokal", "Coupe Latine") gegen Klubmannschaften aus anderen Ländern aus. Allerdings war die Teilnehmerzahl beschränkt, der sportliche Wert entsprechend gering.

Als es im Sommer 1954 einmal mehr um die Frage ging, wer denn nun die beste Vereinsmannschaft der Welt sei, hatte der ehemalige französische Nationalspieler Gabriel Hanot eine zündende Idee. Angestachelt von den Engländern, die ihre Teams großspurig als weltweit führend bezeichneten, entwarf der Journalist der "L'Equipe" ein Konzept für eine "Europameisterschaft der Klubs". Mit ihr, so der Grundgedanke, sollte die beste Vereinsmannschaft Europas gesucht und gefunden werden.

16 Mannschaft bei der Erstausgabe dabei

Unter der Federführung der Sportzeitschrift wurden schließlich 18 Vertreter von 18 Vereinen nach Paris eingeladen, um über das Konzept zu diskutieren. Viel Überzeugungskraft war allerdings nicht nötig. Die meisten Vereine und auch die großen Dachverbände UEFA und FIFA stimmten dem Vorschlag begeistert zu. Hanot feilte noch ein wenig an dem Regelwerk und schon kurze Zeit später stand des Gerüst des bis dato größten europäischen Wettbewerbs für Klubmannschaften.

16 Mannschaften sagten ihre Teilnahme an der ersten Ausgabe schließlich zu. Mit dabei waren auf der einen Seite große Vereine wie Real Madrid und der AC Milan. Gleichzeitig durften sich vergleichsweise kleine Klubs wie Budapesti Vörös Lobogó oder auch der Hibernian FC aus Schottland mit "Europas Elite" messen. Die deutsche Oberliga war mit RW Essen, der saarländische Fußballverband mit dem 1. FC Saarbrücken vertreten.

Premiere vor 30.000 Zuschauern

Am Abend des 4. September 1955 war es endlich so weit. Vor einer beeindruckenden Kulisse von 30.000 Zuschauern trafen der Sporting CP aus Lissabon und Partizan Belgrad im Estádio Nacional aufeinander. Das Spiel selbst ging trotz sechs Toren ohne besondere Vorkommnisse über die Bühne. Ein Doppelpack vom späteren Torschützenkönig Miloš Milutinović und ein Treffer von Stjepan Bobek sicherte den Gästen nach 90 Minuten den Punktgewinn.

Die Serben setzen sich dank eines 5:2-Sieges im Rückspiel durch und zogen in die nächste Runde ein. Ein Kunststück, das den beiden "deutschen" Teams nicht gelang. Während Essen nach einem 0:4 im Hin- und 1:1 im Rückspiel gegen Hibernian ausschied, verabschiedete sich der 1. FCS trotz eines sensationellen 4:3-Hinspielerfolgs im San Siro gegen den AC Milan. Eine 1:4-Packung im Rückspiel besiegelte das Ende der Saarländer bei ihrem letzten Auftritt auf der europäischen Bühne.

Der Sieg in der ersten "Champions-League"-Saison ging am Ende an die schillernde Truppe aus Madrid. Die Königlichen um Superstar Alfrédo di Stefano gewann das Finale gegen Stade Reims mit 4:3 und durften sich erstmals in ihrer glorreichen Historie auch ganz offiziell "beste Vereinsmannschaft Europas" nennen.

Mehr dazu:
>> die Torschützenliste der Saison 1955/56
>> die Teilnehmer der Saison 1955/56

Christian Schenzel