12.09.2017 08:20 Uhr

Damals: Der finale Auftritt der DDR

Matthias Sammer (2.v.l.) stand im Aufgebot des letzten DDR-Länderspiels
Matthias Sammer (2.v.l.) stand im Aufgebot des letzten DDR-Länderspiels

Am 12. September 1990 wurde eine Nationalmannschaft abgewickelt. Wenige Wochen vor der deutschen Wiedervereinigung trat die DDR ein letztes Mal zu einem Länderspiel an und schlug Belgien überraschend mit 2:0.

Eigentlich hätte der Vergleich im Brüsseler Constant-Vanden-Stock-Stadion ein Qualifikationsspiel für die Europameisterschaft sein sollen. Aber überrollt von den politischen Entwicklungen in der DDR und der unerwartet schnellen Wiedervereinigung meldete der Fußballverband der DDR (DFV) das Team aus der Qualifikation ab. Kurioserweise war die DDR mit West-Deutschland in eine Gruppe gelost worden – das zweite deutsch-deutsche Aufeinandertreffen nach der WM 1974 fand aber niemals statt. Das Gastspiel in Brüssel dagegen wurde als Freundschaftsspiel durchgeführt.

Der letzte Auftritt einer DDR-Nationalmannschaft drohte allerdings zum Fiasko zu werden. Viele Stars der DDR-Oberliga hatten die neugewonnene Freiheit genutzt und sich in den Monaten nach dem Mauerfall im November 1989 diversen Klubs aus dem Westen angeschlossen.

Auf die Topspieler, die sich auf der Jagd nach lukrativen Verträgen in der Bundesliga befanden, übte die sich auf dem Sterbebett befindliche Nationalmannschaft keine Anziehungskraft mehr aus. Nationaltrainer Eduard Geyer hatte insgesamt 36 Spieler für den abschließenden Auftritt gegen die Belgier eingeladen – doch kaum einer kam.

"Verletzungsprobleme" bei den Stars

22 Absagen flatterten dem Coach ins Haus. Die aufstrebenden Stars wie Andreas Thom, Ulf Kirsten, Thomas Doll oder Rico Steinmann sagten wie viele weitere aus mehr oder weniger glaubwürdigen Verletzungsgründen ab, Torhüter Dirk Heyne gab eine Verzichtserklärung ab und Torjäger Rainer Ernst fehlte schlicht die Motivation. So reisten lediglich 14 Spieler nach Belgien, darunter mit Matthias Sammer ein einziger Bundesligaspieler. Der 23-Jährige, der im Sommer von Dynamo Dresden zum VfB Stuttgart gewechselt war, sollte zum entscheidenden Akteur bei der Abschiedsvorstellung seiner Mannschaft werden.

Denn nicht die Belgier mit Weltstar Enzo Szifo, Jan Ceuloemans und Marc Wilmots in ihren Reihen, bestimmten die Partie, sondern die Verlegenheitself aus dem untergehenden Arbeiter- und Bauernstaat. In der 74. Minute staubte der Rotschopf zum Führungstreffer ab. Unmittelbar vor dem Abpfiff erzielte Sammer nach einem Konter auch den zweiten Treffer. Als letzter Debütant für die DDR-Nationalmannschaft sollte in der Nachspielzeit Torhüter Jens Adler in die Geschichte eingehen, der in den letzten Sekunden des Spiels Jens Schmidt ersetzte.

"Vereinigungsspiel" fand nie statt

Die historische Bedeutung war den Akteuren an jenem Septemberabend allerdings gar nicht bewusst. Denn eigentlich sollte das letzte Länderspiel der DDR erst einige Wochen später stattfinden. Für den 21. November 1990 war ein freundschaftliches Kräftemessen mit dem Weltmeister aus dem Westen im Leipziger Zentralstadion geplant. Auch dieses Duell war eigentlich als Qualifikationsspiel angesetzt worden.

Dieses nun als "Vereinigungsspiel" betitelte letzte Spiel fand allerdings nie statt. Am 3. Oktober war es am Rande des DDR-Oberligaspiels Sachsen Leipzig gegen den FC Berlin (vorher BFC Dynamo Berlin) zu gewalttätigen Ausschreitungen gekommen, bei denen der junge Berliner Fan Mike Polley durch eine Polizeikugel ums Leben kam.

Der tödliche Zwischenfall ließ die ohnehin angespannte Sicherheitslage rund um die ostdeutschen Stadion eskalieren, so dass sich der DFB veranlasst sah, das "Vereinigungsspiel" abzusagen.

Ralf Amshove