15.09.2015 14:45 Uhr

Helmut Schön: Der Mann mit der Mütze

Helmut Schön (r.) jubelt gemeinsam mit Franz Beckenbauer im WM-Finale 1974
Helmut Schön (r.) jubelt gemeinsam mit Franz Beckenbauer im WM-Finale 1974

Er hat die deutsche Nationalmannschaft in der erfolgreichsten Ära ihrer Geschichte geführt. Heute hätte der Welt- und Europameistertrainer Helmut Schön seinen 100. Geburtstag gefeiert.

Die Schiebermütze war sein Markenzeichen, ebenso wie seine zurückhaltende Art. Helmut Schön hat sich nie in den Vordergrund gedrängt, vielleicht wurde ihm deshalb die Anerkennung seiner Leistung erst nach dem Ende seiner Laufbahn zuteil.

Dabei ist der gebürtige Dresdener der erfolgreichste Bundestrainer der DFB-Geschichte. 1972 holte die allgemein als beste deutsche Elf aller Zeiten betitelte Mannschaft um Franz Beckenbauer mit attraktivem Kombinationsfußball unter seiner Leitung den Europameistertitel, zwei Jahre später dann folgte dann der Weltmeistertitel im eigenen Land. In seiner Amtszeit zwischen 1964 und 1978 wurde Schön zusätzlich noch Vizeweltmeister (1966), WM-Dritter (1970) und Vizeeuropameister (1976).

Erfolge als Aktiver

Bereits als aktiver Fußballer hatte der "Lange" - Schön maß stolze 1,90 Meter – große Erfolge feiern können. Mit dem Dresdener SC holte der Mittelstürmer 1943 und 1944 die deutsche Meisterschaft. Insgesamt traf er in 38 Endrundenspielen um den deutschen Meistertitel genauso oft ins Schwarze. Nur vier Spieler trafen häufiger.

Diese Treffsicherheit ließ auch den Reichstrainer Sepp Herberger auf den hochgewachsenen Dresdener aufmerksam werden. Zwischen 1937 und 1941 trug Schön 16 Mal das Adlertrikot und erzielte dabei stolze 17 Tore. Nach dem 2. Weltkrieg spielte Schön noch einige Jahre für Dresden-Friedrichstadt, dem Nachfolgeverein des Dresdener SC, nahm aber währenddessen schon seine zweite Karriere als Trainer in Angriff. 1952 – inzwischen in den Westen übergesiedelt – wurde er Trainer des damals selbstständigen Saarlandes, vier Jahre später Assistent von Sepp Herberger beim DFB.
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14 Jahre Cheftrainer der DFB-Elf

Schon in den ersten Wochen, nachdem Helmut Schön das Amt des Bundestrainers übernommen hatte, wurde die öffentliche Kritik der ständige Begleiter seiner Arbeit. Als zu sensibel und zu wenig durchsetzungsstark galt der nachdenkliche und akribische Coach. Dabei ebnete Schön einer neuen, technisch starken Generation an Spielern den Weg in die Nationalelf.

Im entscheidenden Länderspiel für die WM 1966 in England gegen Schweden ließ er den gerade 20 gewordenen Franz Beckenbauer debütieren. Mit seinen Personalentscheidungen hatte Schön ebenso Erfolg wie mit seiner auf attraktiven Angriffsfußball basierenden Spielphilosophie. Blieben die Siege aus, drosch die Presse unbarmherzig auf den vermeintlichen "Zauderer" ein.

Nach dem überzeugenden Turnier mit dem Finaleinzug bei der WM 1966 feierte die Öffentlichkeit Team und Trainer, aber die misslungene Qualifikation für die Europameisterschaft 1968 – besiegelt durch ein blamables 0:0 gegen Albanien – ließen seine Kritiker aktiv werden. In der Presse wurde schon über seinen Nachfolger spekuliert, während seine Assistenztrainer Dettmar Cramer und Udo Lattek intern am Stuhl ihres Chefs sägten. Aber Schön überstand diese kritische Phase und läutete Anfang der 1970er die besten Jahre des deutschen Fußballs ein.

Mündige Spieler

Das Erfolgsrezept Schöns lag darin, dass er dem Zeitgeist der 68er Rechnung trug und seine Spieler als mündige Akteure behandelte. Er ließ – anders als die meisten anderen Trainer seiner Generation – den selbstbewussten Stars der damaligen Zeit sowohl auf als auch neben dem Platz einen gewissen Freiraum. Die Spieler dankten es ihm mit einer von deutschen Mannschaften bis dahin nicht gekannten spielerischen Leichtigkeit. Nach dem EM-Erfolg von 1972 schrieb die internationale Presse von einem "neuen Zeitabschnitt im Fußball", den die Schön-Elf einläutete.

Im Fall des Misserfolgs geriet Schön aufgrund seines Laissez-faire-Stils schnell ins Zentrum der Kritik. So auch nach der 0:1-Vorrundenniederlage gegen die DDR bei der Heim-WM 1974. Schön sprach 24 Stunden kein Wort mit der Mannschaft. Franz Beckenbauer übernahm innerhalb des Mannschaftskreises das Wort, was in der Presse als Machtübernahme gedeutet wurde. Der "Kaiser", so die Presse, diktiere dem Bundestrainer die Mannschaftsaufstellung. Dass dies von allen Beteiligten dementiert wurde, brachte die Gerüchteküche dennoch nicht zum Schweigen. "Ich habe ihm meine Meinung gesagt, die Verantwortung lag bei Helmut Schön", gab Beckenbauer Jahre später zu Protokoll. Letztlich gab der Erfolg Helmut Schön nachträglich recht. Deutschland wurde Weltmeister.
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Abgang mit "Schmach"

Es sollte allerdings der letzte Titel in Schöns Sammlung sein. Schon vor der Weltmeisterschaft 1978 gab er seinen Rücktritt nach den Titelkämpfen bekannt. Nach durchweg enttäuschenden Auftritten endete das Turnier mit der "Schmach von Cordoba", der 2:3-Niederlage gegen Österreich. Der erfolgreichste Bundestrainer in der Geschichte des DFB gab das Zepter an seinen Assistenten Jupp Derwall weiter. In 139 Spielen auf der Bank holte er 87 Siege und 31 Unentschieden. Mit einem Schnitt von 2,10 Punkten pro Spiel hat Schön nach Joachim Löw (2,21), Berti Vogts (2,18) und Jupp Derwall (2,15) die viertbeste Bilanz aller Bundestrainer.

Udo Jürgens komponierte zu Ehren des Abtretenden das Lied "Der Mann mit der Mütze geht nach Haus" in dem es heißt: "...uns're Achtung nimmt er mit und unseren Applaus". Am 23. Februar 1996 starb Helmut Schön in seinem langjährigen Wohnort Wiesbaden.

Ralf Amshove