07.11.2015 21:36 Uhr

U17-WM: Von Goalgettern und Mutmachern

Neue Stars, herbe Enttäuschung und allerhand Kurioses bot die U17-WM 2015 in Chile
Neue Stars, herbe Enttäuschung und allerhand Kurioses bot die U17-WM 2015 in Chile

Zum zweiten Mal in der Geschichte der U17-WM ist das Endspiel fest in afrikanischer Hand. Nicht die einzige Auffälligkeit des diesjährigen Turniers, das am Sonntag im chilenischen Vina del Mar zu Ende geht. Wir haben die spannendsten Erkenntnisse der vergangenen drei Wochen zusammengefasst.

Der Name des nigerianischen Wunderkinds ist derzeit in aller Munde. Kein Wunder: Wer in allen sechs Partien netzt und schon vor dem Finale stolze neun Treffer auf dem Konto hat, darf getrost als "Star des Turniers" betrachtet werden. Zarte 16 Jahre ist das Ausnahmetalent der "Golden Eagles" jung - schwer zu glauben, wenn man dem 1,85-Meter-Schlaks bei seiner Lieblingsbeschäftigung zuschaut. Mit traumwandlerischer Sicherheit versenkt Osimhen das Leder aus allen erdenklichen Lagen in den Maschen. Unzählige europäische Top-Klubs haben den Knipser, der schon im März als Torschützenkönig der U17-Afrikameisterschaft beeindruckte, bereits auf dem Zettel.

  • Überraschungsmannschaft des Turniers: Mali

Erstmals in der Verbandsgeschichte hat eine malische Auswahl ein Finale eines FIFA-Turniers erreicht. Nach Platz drei bei der U20-WM in Neuseeland hat das Team von Erfolgscoach Bayer Ba in Chile den neuerlichen Beweis erbracht, dass Mali zu den aufstrebenden Nationen des schwarzen Kontinents gehört. Das Prunkstück der "Adler" ist die kompakte Defensive, die in sechs Begegnungen nur zwei mickrige Gegentreffer zuließ. Der Erfolg kommt nicht von ungefähr.

"Seit einigen Jahren verfolgen wir in Mali eine Jugendpolitik", erklärt Ba, der Talentförderung nach "DFB-Prinzip" betreiben will: "Wir haben uns von der Nachwuchsarbeit in Deutschland inspirieren lassen. Das deutsche Team, das die WM in Brasilien gewonnen hat, ist die Generation, die viele Jahre lang zusammen gespielt hat. Das ist das Modell, das uns als Vorbild dient: Spieler über einen langen Zeitraum zusammen zu lassen, damit sie gemeinsam reifen können". Der Plan scheint aufzugehen.

  • Enttäuschung des Turniers: Die europäischen Teams

Nichts zu sehen war von der aus dem Herrenbereich gewohnten Dominanz Europas! Unter die letzten Acht dieser WM schafften es gerade einmal zwei UEFA-Teams. Das DFB-Team flog nach überzeugender Vorrunde sang- und klanglos im Achtelfinale raus. Deutschland-Bezwinger Kroatien scheiterte im Viertelfinale dann ebenso an Mali wie die Belgier eine Runde später. Trübe Aussichten für internationale Schwergewichte wie Frankreich und England, die früh ausschieden, oder Spanien und Italien, die sich gar nicht erst für die Endrunde qualifizieren konnten.

Die Gründe für die europäische Unterlegenheit sind vielfältig, hängen allerdings entscheidend mit dem Mammutprogramm der Top-Talente zusammen. Neben dem Ligabetrieb durften viele Nationalspieler in ihren Vereinen bereits in der Youth League, der Königsklasse der Junioren, ran. So bleibt kaum Zeit für Lehrgänge und Trainingslager, um einen funktionierendes Team zu entwickeln. Ein entscheidender Vorteil für die Afrikaner, deren Nachwuchsförderung mehr auf Verbands- als auf Vereinsebene stattfindet.

"Es waren zwiespältige Gefühle, ich wusste nicht, ob ich vor Freude weinen oder tanzen soll." So beschrieb Taktgeber Roberto Cordoba seine Emotionen wenige Minuten nach dem Sieg Costa Ricas im Elfmeterschießen (5:3) gegen Frankreich, durch den das kleine Land ins Viertelfinale einzog. Kaum einer hatte die jungen "Ticos" zuvor auf dem Zettel. Haben sich Cordoba und seine Teamkameraden von den Erfolgen der A-Nationalmannschaft bei der WM in Brasilien inspirieren lassen? "Sie sind ein Vorbild für uns. Sie haben sich durch ihren Kampfgeist und ihre Entschlossenheit ausgezeichnet, durch die sie die ganze Welt überrascht haben. Wir wollen in ihre Fußstapfen treten und unser Land stolz machen". Die Performance in Chile hat schon einmal Hunger auf mehr gemacht.

  • Mutmacher des Turniers: Syrien

Während in ihrer Heimat der Bürgerkrieg tobt und Millionen Landsleute die Flucht ergreifen müssen, hat die syrische U17 in Gruppe F Leidenschaft bewiesen und trotz fußballerischer Unterlegenheit tapfer dagegengehalten. Selbstredend widmete Torschütze Anas Alaji den einzigen Turniertreffer Syriens beim 1:4 gegen Paraguay all den syrischen Menschen, die fernab des Fußballs unvorstellbares Leid ertragen müssen. Ein kleiner Mutmacher für eine gebeutelte Nation, die stolz auf ihren sportlichen Nachwuchs sein kann.

Mehr dazu:
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Heiko Lütkehus