19.12.2015 11:30 Uhr

Vor 25 Jahren: Sportliche Wiedervereinigung

Matthias Sammer (r.) machte gegen die Schweiz sein erstes Länderspiel für Gesamtdeutschland
Matthias Sammer (r.) machte gegen die Schweiz sein erstes Länderspiel für Gesamtdeutschland

Vor 25 Jahren fand das erste Länderspiel der gesamtdeutschen Nationalmannschaft nach der Wiedervereinigung statt. Nicht nur für Matthias Sammer war es ein historischer Abend.

Gemessen an der historischen Dimension des Länderspiels war das Zuschauerinteresse eigentlich eine Farce. Gerade einmal 20.000 Fans waren ins Stuttgarter Neckarstadion gekommen, um die erste gesamtdeutsche Fußball-Nationalmannschaft zweieinhalb Monate nach der Wiedervereinigung gegen die Schweiz spielen zu sehen. Die fünf erstmals nominierten Ostfußballer erinnern sich dagegen auch 25 Jahre später noch mit Ehrfurcht an den geschichtsträchtigen Tag am 19. Dezember 1990.

"Da hat etwas begonnen, was für mich extrem historisch war", sagte Matthias Sammer dem "kicker". Der heutige Sportvorstand von Bayern München war der einzige Spieler aus dem Osten, der vom damaligen Bundestrainer Berti Vogts in die Startelf berufen worden war. Bei der Nationalhymne schwieg Sammer. Der sportliche Zusammenschluss von Ost und West war nicht einfach für den gebürtigen Dresdner, zumal er drei Monate zuvor die DDR-Auswahl als Kapitän im letzten Auftritt zum 2:0-Sieg gegen Belgien geführt hatte.

Thom kommt und trifft

Doch nicht nur Sammer trug sich an diesem kalten und unbehaglichen 19. Dezember vor 25 Jahren in die Geschichtsbücher ein. Der Ostberliner Andreas Thom, in der 74. Minute für Sammer eingewechselt, traf mit seinem ersten Ballkontakt nach 25 Sekunden zum 3:0. Auf der Bank jubelten auch Ulf Kirsten, Thomas Doll und Perry Bräutigam über das bis dahin schnellste Joker-Tor in der Geschichte des DFB. In diesem Moment schien die von Franz Beckenbauer direkt nach dem WM-Triumph 1990 geäußerte Vision, mit den DDR-Spielern "auf Jahre unschlagbar" zu sein, gar nicht so abwegig.

"Das war schon etwas Besonderes unter all den Weltmeistern", erinnerte sich Thom, der schon ein Jahr zuvor für 2,8 Millionen D-Mark vom DDR-Abonnementmeister BFC Dynamo zu Bayer Leverkusen gewechselt war. Die Integration in die Weltmeister-Mannschaft sei relativ problemlos verlaufen, sagte Thom: "Wir sprachen ja die dieselbe Sprache - nur dass jeder seinen eigenen Dialekt hatte."

Zu verschlossen

Sammer erinnert sich aber auch an Schwierigkeiten, die sich im Laufe der ersten gemeinsamen Jahre ergaben. Bundestrainer Vogts "hat uns und speziell mir vorgeworfen, dass wir zu verschlossen seien", verriet Sammer einmal bei "dfb.de". Vogts habe dies als Misstrauen gegen ihn empfunden, doch das konnte Sammer in einem klärenden Gespräch beim US-Cup ausräumen.

"Während wir am Strand von Miami spazieren gingen, erzählte ich ihm von unserer Vergangenheit, und warum wir uns nicht so offen geben konnten, wie er sich das wünschte", sagte Sammer: "Diese sehr persönliche Unterhaltung war für meine Laufbahn in der Nationalmannschaft der absolute Wendepunkt."

Sammer war später beim deutschen EM-Triumph 1996 in England der überragende Spieler, im selben Jahre wurde er zu Europas Fußballer des Jahres gewählt. Beim historischen Länderspiel vor 25 Jahren deutete noch nicht viel auf diese grandiose Karriere hin. "Ich habe kein besonders gutes Spiel gemacht", sagt Sammer rückblickend. Der "kicker" attestierte dem damals 23 Jahre alten Rotschopf einen "recht selbstbewussten" Start, am Ende hätte ihn aber "etwas der Mut verlassen".

Mehr dazu:
>> Zum Spieldetails des ersten gesamtdeutschen Länderspiels

sid