16.01.2016 11:56 Uhr

Soriano & Sansone: Mut zum Umweg

Roberto Soriano reifte bei Sampdoria zu internationaler Klasse
Roberto Soriano reifte bei Sampdoria zu internationaler Klasse

Von der Säbener Straße in die Squadra Azzurra: Mit Roberto Soriano und Nicola Sansone hoffen zwei Youngster aus der Talentschmiede des FC Bayern auf einen Platz im italienischen EM-Kader. Längst buhlen Eliteklubs aus ganz Europa um die Dienste der beiden gebürtigen Deutschen. Die Geschichte eines erfolgreichen Umwegs.

Als Antonio Conte, Nationalcoach der Italiener, Ende Mai 2015 sein Aufgebot für einen Lehrgang mit anschließenden Testspielen bekanntgab, sorgte er für ein Novum: Erstmals in der Geschichte des Verbandes wurden gleich drei Akteure berufen, die in Deutschland geboren wurden. Für Daniel Caligiuri vom VfL Wolfsburg erfüllte sich der Traum vom Debüt im Nationaltrikot schlussendlich nicht, der Flügelstürmer wurde im letzten Moment aus dem Kader gestrichen. Ein anderer hatte mehr Glück: Wenige Tage später feierte der gebürtige Münchner Nicola Sansone bei der 0:1-Pleite gegen Portugal seinen Joker-Einstand in der Landesauswahl. Zum erhofften Zusammenspiel mit Kumpel Roberto Soriano, dem dritten Deutsch-Italiener im Bunde, kam es allerdings nicht.

Der aus Darmstadt stammende Mittelfeldmotor, wie Sansone Baujahr 1991, hatte in der Startelf gestanden, kurz vor der Einwechslung seines langjährigen Weggefährten aber bereits das Feld verlassen. Nur ein kleiner Wermutstropfen für das Duo aus der Bayern-Jugend, dem einst der Sprung in den Profibereich des Rekordmeisters verwehrt blieb. Immerhin waren sie nach Jahren intensiver Arbeit endlich am Ziel.

Durchs Raster gefallen

Soriano war schon mit 15 ins FCB-Internat an der Säbener Straße gewechselt, dort aber durchs Raster gefallen. Obwohl schon damals von den strategischen Qualitäten des Top-Talents geschwärmt wurde, blieben auf Vereins- wie Spielerseite Zweifel an einer gemeinsamen Zukunft. "Es war mein großer Traum, bei den Bayern groß rauszukommen, aber ich hatte das Gefühl, dass der Verein nicht auf mich zählt", begründete der heutige Sampdoria-Star seinen Wechselwunsch in einem Interview. Zeit für einen Neuanfang: Im Januar 2009 zog es den damals 17-Jährigen in die Heimat seiner Eltern nach Genua.

Nach holprigen Jahren zwischen der zweiten Mannschaft und Serie B-Gastspielen war es letztlich Sampdoria-Coach Sinisa Mihajlovic, der Soriano zum Durchbruch verhalf. Der erfahrene Serbe erkannte die offensiven Fähigkeiten des Youngsters und integrierte ihn erfolgreich in die Stammformation. Mittlerweile hat der begehrte Techniker 105 Einsätze in der höchsten italienischen Spielklasse auf dem Buckel, in denen er beachtliche 15 Treffer erzielt hat. Zwei davon ließen ihn kürzlich zum Derbyhelden avancieren: Beim 3:2-Triumph gegen den Erzrivalen Genoa CFC stellte ein Soriano-Doppelpack die Weichen auf Sieg. Der jüngste Beleg eines steilen Aufstiegs.

Interessenten stehen Schlange

Längst zählt der 24-Jährige fest zum Kader der Squadra Azzurra, die bei der anstehenden EM im Sommer auf Belgien, Schweden und Irland treffen wird. Seit seinem Debüt im November 2014 ist der gebürtige Hesse insgesamt acht Mal von Antonio Conte eingesetzt worden. Nicht zuletzt deshalb ranken sich Gerüchte um mögliche Interessenten, die Soriano von Samp loseisen wollen. Immer wieder fällt dabei auch der Name Borussia Dortmund: Die Schwarz-Gelben sollen den Shootingstar angeblich als Nachfolger von İlkay Gündoğan auf dem Zettel haben. Vor wenigen Tagen wurde zudem über einen Vorstoß des wiedererstarkten Titelkandidaten Inter Mailand berichtet.

Auch Sansone wird heiß umworben. Zwar spielt der Linksaußen in Diensten von Sassuolo Calcio eine eher durchschnittliche Saison, doch seine außergewöhnlichen Anlagen haben unter anderem den FC Schalke 04 neugierig gemacht. Der Bayer, der zwei Jahre nach Soriano den Weg über den Brenner antrat, hat sich mit seiner unbeschwerten Art in die Notizblöcke vieler Vereine gespielt. In München war er einst vor Hermann Gerland geflohen, der ihn zwar in der 3. Liga regelmäßig einsetzte, ihm jedoch nicht den Sprung zu den Profis zutraute. Ein Kapitel, mit dem Sansone abgeschlossen hat: "Ich bin nichtsdestotrotz sehr stolz darauf, beim FC Bayern ausgebildet worden zu sein".

Rummenigge hadert

Nun ikommt es nicht allzu häufig vor, dass dem Triplegewinner von 2013 Top-Talente durch die Lappen gehen. In diesen zwei Fällen müssen sich die Macher jedoch eingestehen, nicht richtig hingeschaut zu haben. Gegenüber der "Gazzetta dello Sport" gab der Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge zu, dass "es vielleicht ein Fehler war, sie gehen zu lassen". Besonders Roberto Soriano trauert er nach: "Wir haben ihn wohl unterschätzt".

Die Chancen stehen allerdings gut, die beiden gebürtigen Deutschen eines Tages in der Bundesliga zu erleben. "Die Liga reizt mich. Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass das nicht so wäre", erklärt Soriano. Ähnlich äußert sich Sansone: "Auf jeden Fall kann ich mir vorstellen, nochmal in die Bundesliga zurückzugehen. Sie ist zu einer von Europas Top-Ligen geworden".

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Heiko Lütkehus