08.02.2016 17:04 Uhr

M6 in Wien: Mitteleuropa rückt zusammen

Bei der M6-Konferenz beriet sich ÖFB-Boss Leo Windtner mit seinen Amtskollegen aus Polen Zbigniew Boniek (l.) und Ungarn Sándor Csányi (r.) unter anderem zum Thema Infrastruktur
Bei der M6-Konferenz beriet sich ÖFB-Boss Leo Windtner mit seinen Amtskollegen aus Polen Zbigniew Boniek (l.) und Ungarn Sándor Csányi (r.) unter anderem zum Thema Infrastruktur

Wien bot am Montag dem jährlichen Treffen der Fußballverbände von Polen, Tschechien, der Slowakei, Ungarn, Liechtenstein und Österreich die Bühne. Dabei stimmten sich die "M6" hinsichtlich der anstehenden FIFA-Präsidentenwahl am 26. Februar, aber auch in der Frage des Ticketing für die Europameisterschaft 2016 in Frankreich ab. Der ÖFB musste allerdings auch neidisch auf die Stadioninfrastruktur in Ungarn und Polen blicken.

2012 hatten die Verbandsbosse von Polen, Tschechien, der Slowakei, Ungarn und Österreich ein gemeinsames Memorandum zur intensiveren Zusammenarbeit unterzeichnet. Nach Treffen in Bratislava, Prag und Budapest machte die durch den diesjährigen Neuzugang Liechtenstein zur "M6" angewachsene Konferenz heuer in Wien Station. Der Österreichische Fußball-Bund (ÖFB) übernahm die Rolle des Gastgebers. Gesprochen wird über Vielerlei, von rechtlichen Fragen angefangen, Marketingstrategien über IT bis zum Organisatorischen.

Diesmal ergaben sich die Themenfelder von alleine. "Beim letzten Treffen in Budapest haben wir uns nicht daran zu glauben getraut, dass alle fünf Nationen sich für die Europameisterschaft qualifizieren werden", gestand ÖFB-Präsident Leo Windtner. Allerorts hätte die Teilnahme an der EM in Frankreich eine Welle der Euphorie ausgelöst - mit einer negativen Begleiterscheinung. "Wir haben alle miteinander das selbe Problem beim Ticketing. Die Kontingente der UEFA sind nicht ausreichend", so Windtner. Aus Polen und Österreich wurden mit die meisten Ticketanfragen registriert. Die ÖFB-Partie gegen Portugal mit Superstar Cristiano Ronaldo allein sei zwölffach überbucht.

Kurzfristig hoffen die Verbände über bilaterale Tauchgeschäfte "unbürokratisch" mehr eigene Fans in die EM-Stadien zu bringen. "Wir sind fast überfordert und werden das Thema aufzeigen müssen", kündigte der ÖFB-Boss innerhalb der UEFA ein gemeinsames Vorgehen an.

Infantino liegt als Kandidat auf der ÖFB-Hand

Noch vor der Europameisterschaft steht eine Weichenstellung im Weltverband bevor. Am 26. Februar wird bei einem außerordentlichen Kongress in Zürich der Nachfolger von Joseph Blatter als FIFA-Präsident gewählt. "Unser Kandidat ist Gianni Infantino, das liegt auf der Hand", versprach Windtner im Namen aller anwesenden Präsidenten dem Kandidaten der UEFA die Unterstützung. Zuletzt sei die UEFA nicht immer geschlossen aufgetreten, beklagte der 65-jährige Oberösterreicher, und wünschte sich innerhalb der "stärksten Konföderation weltweit" Einigkeit.

Mit ihrer Konferenz wollen die in der M6 vertretenen mittelgroßen "größeres Gewicht" bekommen und gemeinsame Positionen entwickeln. Eine Schlüsselrolle fällt dabei Sándor Csányi, dem Präsidenten des ungarischen Verbands (MLSZ) zu. Als Mitglied des UEFA-Exekutivkomitees versorgt er seine präsidialen Kollegen mit Informationen aus dem Machtzentrum. Csányi gab sich hinsichtlich der Wahl überzeugt: "Infantino kommt in die Stichwahl." Auf einen Plan B hätte sich M6 nicht verständigt.

Der Österreichische Weg beeindruckt

Für den Gastgeber hatten die übrigen Verbandsbosse viel Lob übrig. Zuvor hatten sie einem Vortrag von ÖFB-Sportdirektor Willi Ruttensteiner über den "Österreichischen Weg" gelauscht. "Die Struktur des österreichischen Fußballs gefällt mir sehr, da muss ich ein Kompliment machen", meinte etwa Zbigniew Boniek. Der Präsident von Polens Fußballverband (PZPN) kündigte zudem an, dass zwecks Kooperation österreichische Schiedsrichter für Testspiele der "Reprezentacja" vor der Europameisterschaft angefordert werden. 

"Was Österreich jetzt erreicht hat, ist kein Zufallsprodukt. Das ist eine Strategie, die umgesetzt wurde und harte Arbeit über viele Jahre", unterstrich Liechtensteins Verbandspräsident Hugo Quaderer. Der LFV ist das neueste Mitglied im Sextett. "Ich habe keine Sekunde gezögert, als mich Leo Windtner gefragt hat", erzählte Quaderer. Anders als seine Kollegen bezeichnete er seinen Verband als wirklich klein und nicht mittelgroß.

Liechtenstein erhofft sich künftig durch persönlichen Kontakt Informationen und Erfahrungen für die Entwicklung zu sammeln. ÖFB-Boss Windtner strich seinerseits den Liechtensteiner Beitrag bei der Zusammenarbeit im Nachwuchs- und Frauenfußball hervor. Zuletzt hatte die neuformierte U16-Frauen-Auswahl einen Test mit 4:0 gewonnen.

Infrastruktur der Schlüssel

Einigkeit herrschte über die Wichtigkeit der Infrastruktur. Österreich blickt dabei voller Neid nach Osten. "In Polen ist die Infrastruktur dank der EM 2012 sehr gut", so Boniek. Als Co-Host der Ukraine sorgten die Polen für mehr als die geforderten vier EM-Arenen und investieren weiterhin fleißig in Neubauten.

Boniek der frühere Mittelfeldspieler von Juventus und AS Roma betonte aber auch, dass die ökonomische Situation in Betracht gezogen werden müsse, wenn es darum geht mit den stärkeren Ligen zu konkurrieren. Deutschland investiere über hundert Millionen Euro in den Nachwuchs, aber mit Robert Lewandowski ist in der Bundesliga ein Pole dennoch einer der besten Torjäger. "Es geht aber nicht nur ums Geld", stellte der frühere Ausnahmestürmer dann doch fest.

Selbst Ungarn ist drauf und dran Österreich zu überflügeln. Das neue Nationalstadion in Budapest wurde von ÖFB-Verantwortlichen nicht nur einmal als Orientierungshilfe für eine etwaige neue Heimstätte herangezogen. "Das Puskas-Stadion war alt und Fußball braucht ein Zuhause", erklärte Sándor Csányi. Mit knapp 68.000 Zuschauern werde es "eines der netteren Stadien in Europa, und zudem multifunktional." Anders als Wien wird die ungarische Hauptstadt Schauplatz der europaweit ausgetragenen EM 2020 sein.

Csányi vergaß nicht, noch mehr Salz auf die Wunden des ÖFB zu streuen. "Wir bauen nicht nur das Nationalstadion. Auch in Szombathely, das ist näher zu Österreich oder in Székesfehérvár." Bei Ferencváros ist der Zuschaueranstieg ein Produkt von sportlichem Erfolg und einem neuen Stadion. Die Stadtrivalen MTK und Vasas werden bald nachziehen.

Dabei galt der ungarische Fußball weitgehend als Verlierer der Wende, wie auch der Verbandschef bestätigte. "Nach dem Ende des Kommunismus, mit der Privatisierung sind etwa tausend Spielfelder verschwunden", beklagte Csányi. Die derzeitige Regierung forciere dagegen nicht nur Fußball, sondern den Sport im Allgemeinen. Gelder für Infrastruktur und Nachwuchsarbeit stehen zur Verfügung. "Jetzt bauen wir hundert Spielfelder im Jahr."

Leo Windtner betonte anhand des positiven Beispiels Deutschland mit einem "großen Rollout" und der Modernisierung des Berliner Olympiastadions erneut seinen Wunsch nach einer Lösung für Wien und verwies mahnend an den Abstieg der Serie A. "Bis in die 90er Jahre war Italien top. Früher wollte jeder dort spielen. Dann ist aber nichts mehr geschehen." Sitznachbar Boniek nickte.

Hoffnungsvoll zur EM

Bei der EM in Frankreich erfährt das traditionsreiche Duell zwischen Österreich und Ungarn eine Neuauflage. Am 14. Juni kommt es im Auftaktspiel der Gruppe F in Bordeaux zum bereits 137. Aufeinandertreffen. "Wir haben eine große gemeinsame Geschichte im Fußball. Es tut mir leid, dass wir in den vergangenen zehn Jahren nicht mehr so viel gegeneinander gespielt haben", bedauerte Csanyi. Für die EM hoffe er, "dass am Ende beide glücklich sein werden."

Grundsätzlich gaben sich alle Verbandsbosse zuversichtlich für die Europameisterschaft. "Für Tschechien ist es besser gegen starke Teams zu spielen und nicht gegen welche, bei denen die Fans sagen 'da gehen wir durch'", war Tschechiens Präsident Mirsolav Pelta mit der harten Gruppe mit Spanien, Kroatien und der Türkei zufrieden. Sein slowakischer Amtskollege Ján Kováčik hofft in einer Gruppe mit England, Russland und Wales ebenfalls auf die k.o. Runde.

Polen erwischte es mit Deutschland, der Ukraine und Nordirland ebenfalls nicht leicht. Zbigniew Boniek wunderte sich allerdings mehr über die generell hohe Erwartungshaltung der Teilnehmer: "Wenn ich höre, dass zwölf Teams ins Semifinale wollen, dann wird das interessant."

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Sebastian Kelterer