14.06.2016 12:45 Uhr

Löw schwärmt und fordert von Özil

Mesut Özil ließ gegen die Ukraine seine Genialität aufblitzen
Mesut Özil ließ gegen die Ukraine seine Genialität aufblitzen

Die weltmeisterliche Präzision wie bei Schweinsteigers Sahnetor gegen die Ukraine will Joachim Löw ständig von Mesut Özil sehen. Seinem erklärten Liebling attestiert der Bundestrainer eine "überragende Verfassung".

Einschussgenau servierte der Mittelfeldstar des FC Arsenal den Ball für Bastian Schweinsteiger - und der schloss zum umjubelten 2:0 beim EM-Auftakt ab. "Es ist mein Ziel, auf dem Platz meine Leistung zu bringen", sagte der seit Jahren kritisch gesehene Mittelfeldgenius, der gegen Polen sein 75. Länderspiel bestreitet. "Es zählt für mich aber einzig das, was der Trainer will."

Der Bundestrainer fordert eine Menge von seinem Regisseur, den er in Frankreich wie noch nie lobte. "Mesut ist in einer überragenden Verfassung", schwärmte Löw vor dem Turnierstart. Er hat überragende Fähigkeiten, wie kaum ein anderer Spieler auf der Position. Er ist für uns extrem wertvoll. Diese Technik und diese letzten Pässe sind einfach genial", sagte Löw. Mit diesen ruhmreichen Worten will der Bundestrainer, der schon Götze mit dem legendären Spruch "Zeig' der Welt, dass du besser bist als Messi" zum Siegtor im WM-Finale anstachelte, Özil zu häufigeren Höchstleistungen antreiben.

Ganz andere Form als 2014

Der Löw-Liebling stand als Aufsteiger bei der WM 2010 in Südafrika in allen sieben Partien auf dem Platz. Sein Siegtor gegen Ghana sicherte den Einzug ins Achtelfinale und die guten Turnierleistungen brachten ihm selbst einen lukrativen Wechsel zu Real Madrid ein. Bei der EM 2012 und bei der WM 2014 war Özil ebenfalls gesetzt, spielte immer. Doch eine Gala des Spielmachers auf dem Weg zum Triumph gab es nicht.

"2014 hatte er so ein bisschen Schwierigkeiten, auch körperlich fit zu sein. Er hat trotzdem ein paar Spiele gemacht, die in Ordnung waren", erinnerte Löw. "Aber heute hat Mesut Özil eine ganz andere Verfassung."

Körperlich und geistig gereift

Der inzwischen 27-jährige Özil ist seit seinem Wechsel in die Premier League gereift. Körperlich ist der 74-malige Nationalspieler in der robustesten Liga deutlich stärker geworden. "Ich mache auch neben dem Platz Einiges, das meinem Körper gut tun", berichtete Özil. Er achte mehr auf die Ernährung, mache viel für seine körperliche Verfassung. "Der Spielstil ist gleich geblieben, das kannst du als Spieler nicht ändern", sagte er über seine Art des Fußballs.

Der Spielstil ist es aber auch, der so unterschiedlich wahrgenommen wird. An guten Tagen ist der geschmeidige Özil ein genialer Kicker, dessen Pässe auch die Arsenal-Offensive liebend gerne verwertet. Nur knapp verpasste er in der abgelaufenen Saison in England mit 19 Vorlagen den "Gunners"-Rekord von Thierry Henry. Herausragend ist auch ein anderer Topwert: 146 Torchancen bereitete Özil für die Londoner vor, die ihn 2013 für 50 Millionen Euro einkauften.

An schlechten Tagen fehlt diese Präzision, die Körpersprache wird dem gefühlvollen Mittelfeldakteur dann als lethargisch ausgelegt. Für den Nationalmannschaftsfanclub gibt es aber nur den guten Özil: 2011, 2012, 2013 und 2015 wurde er zum Spieler des Jahres gewählt.

Erfolg des Teams steht über allem

"Natürlich freue ich mich über solche Auszeichnungen. Die machen mich sehr stolz", sagte Özil. "Aber mein erstes Ziel ist es immer, mit der Mannschaft erfolgreich zu sein. Was bringt es mir, wenn ich der beste Spieler des Turniers werde und wir werden nicht Europameister."

Nach dem erfolgreichen Start gegen die Ukraine sei eine Last abgefallen, sagte Özil. Nun soll gegen Polen ein Schritt Richtung Gruppensieg gemacht werden, um sich eine gute Ausgangslage für die K.o.-Runden zu sichern. Dort sieht er Gastgeber Frankreich als härtesten Rivalen an. "Unsere größte Konkurrenz sind die Franzosen. Sie spielen super Fußball, haben eine sehr starke Mannschaft und sie haben ihr Publikum", sagte Özil. Ein Duell würde er sich möglichst spät wünschen: "Ich kann einige Wörter, weil viele Franzosen bei uns im Verein spielen", sagte er mit Blick auf Laurent Koscielny, Olivier Giroud & Co. und grinste, "aber die darf ich jetzt nicht sagen."