18.06.2016 11:45 Uhr

Kritik lässt Bundestrainer Löw kalt

Löw reagiert mit Gelassenheit auf die Kritik
Löw reagiert mit Gelassenheit auf die Kritik

Bundestrainer Joachim Löw hat spürbar genervt, aber mit demonstrativer Gelassenheit auf die aute Kritik nach dem 0:0 gegen Polen reagiert. Einen klaren Titelfavoriten kann er nach wie vor nicht ausmachen.

"Überrascht bin ich über gar nix mehr", sagte der Bundestrainer: "Die Dinge wiederholen sich so sehr und gehen an mir vorbei. Wenn da irgendjemand jetzt was sagt, dann..." 

Den letzten Satz beendete er nicht. "Irgendjemand" könnte indes zum Beispiel Ex-Kapitän Michael Ballack sein, der dem Team "fehlenden Charakter und Persönlichkeit" attestiert hatte. Auch zahlreiche Medien aus dem In- und Ausland hatten den Weltmeister nach dem schwachen zweiten EM-Auftritt gegen Polen teilweise heftig kritisiert.

"Heute habe ich etwas gelesen von Führungsspieler-Diskussion. Das zaubert mir ein Lächeln ins Gesicht", äußerte Löw am Samstagmorgen und lächelte tatsächlich: "2014 hatten wir die Diskussion schon mal. Dann wurden wir Weltmeister und alle waren die großartigen Leader. Jetzt spielen wir einmal 0:0, und die Diskussion kommt wieder. Ganz ehrlich, damit ist alles gesagt."

Er persönlich, "wäre ich ein Außenstehender, würde ganz ruhig sein. Weil viele Spiele großartige Führungsqualitäten erfüllen. Sie denken mit, sie kommen zum Trainer, fragen mir manchmal ein Loch in den Bauch. Diese Mitarbeit im Spielerrat ist sagenhaft gut. Die Spieler sind mündig, kritisch, sie hinterfragen Dinge. Und sie haben Großartiges geleistet."

Wenig Hoffnung für junge Spieler

Seine Youngstern Joshua Kimmich, Julian Weigl und Leroy Sané lobte Löw ausdrücklich, machte ihnen aber wenig Hoffnung für einen Einsatz bei der EURO. "Sie bringen von den Voraussetzungen alles mit, sie machen das gut im Training. Aber man spürt schon: Es ist die Nationalmannschaft", sagte der Bundestrainer: "Sie mussten sich an Tempo und Qualität erst gewöhnen."

Auf die Frage, wann er sie möglicherweise einsetze, ließ er durchblicken: "Man muss den richtigen Zeitpunkt finden. Ein Spiel, wo es um so viel geht, ist eine besondere Drucksituation für die jungen Spieler." Einen Einsatz könnten sie also wohl allenfalls bei relativ deutlichen Spielständen bekommen.

Zu früh für einen klaren Favoriten

Einen eindeutigen Favoriten auf den EM-Titel kann Löw indes noch nicht ausmachen. "Ich sehe keine Mannschaft, die so sehr überzeugt hat, dass man sagen muss, sie ist der absolute Titelfavorit. Dafür ist es zu früh", sagte der Bundestrainer.

Der Weltmeistercoach verwies unter anderem darauf, dass es Titelverteidiger Spanien beim 3:0 gegen die Türkei als erster Mannschaft gelungen sei, deutlicher als mit zwei Toren Unterschied zu gewinnen. Zudem hätten einige große Nationen wie Frankreich, England und auch Italien erst durch späte Tore Spiele gewonnen. Italien sei zudem 2006 bei der Weltmeisterschaft in Deutschland, anders als jetzt in Frankreich, schwach gestartet und am Ende Weltmeister geworden, sagte Löw zu den Unwägbarkeiten eines Turniers.

Gegen die sogenannten kleinen Nationen täten sich die Topteams sehr schwer, weil Mannschaften wie Albanien oder Wales heutzutage einfach sehr gut verteidigen könnten. "Es gibt Mannschaften, die ultra-defensiv sind", sagte der Bundestrainer zu den knappen Vorrundenergebnissen.