27.06.2016 11:52 Uhr

Draxlers Zauberfüße tanzen

Julian Draxler setzte sich gegen die Slowaken immer wieder gut durch.
Julian Draxler setzte sich gegen die Slowaken immer wieder gut durch.

Julian Draxler wusste, dass er liefern musste. Und der 22-Jährige erfüllte den Auftrag des Bundestrainers in seinem 22. Länderspiel als Torschütze und Torvorbereiter so überzeugend, dass er im Kampf um den linken Offensivflügel Mario Götze ausstach.

"Klar, das war mal ein Ausrufezeichen von mir bei einem großen Turnier, einer Europameisterschaft", sagte Draxler nach dem 3:0 gegen die Slowakei. Die Auszeichnung der UEFA als "Man of the Match" (Mann des Spiels) in einer starken deutschen Mannschaft hatte sich der junge Wolfsburger vollauf verdient. "Es ist für mich super gelaufen", sagte er glücklich und stolz im EM-Stadion von Lille.

Götze raus, Draxler rein - diese Maßnahme von Joachim Löw erwies sich als Volltreffer im Achtelfinale. Draxler brachte sein großes Talent erstmals im Nationaltrikot überragend auf den Platz. "Er hatte den Mut, in die Eins-zu-eins-Situationen zu gehen mit seinem Tempo. Das zweite Tor hat er klasse vorbereitet. Das dritte selbst gemacht", zählte Löw die herausragenden Szenen auf. "Ansonsten hat er gut gearbeitet, hatte gute Laufwege. Da war ich sehr zufrieden mit ihm."

Draxler lieferte, was Götze im Spiel zuvor gegen Nordirland auf dem linken Auenposten nicht in dieser dynamischen Form drauf hatte: Tempo-Dribblings, Zug zum Tor, Abschlussstärke. Als Löw ihn am Morgen des Spieltags über sein Startelf-Comeback informierte, hatte Draxler "überrascht" reagiert. Seine dritte Chance in Frankreich aber wollte er entschlossen ergreifen. "Der Bundestrainer hat von mir gefordert und verlangt, dass ich die Eins-gegen-eins-Situationen suche. Das war die Ansprache, die er an mich gerichtet hat. Inwiefern es mein bestes Länderspiel war, das sollen andere beurteilen", erklärte Draxler.

Draxler überzeugt mit Geschwindigkeit und Instinkt

Das Solo, mit dem er das 2:0 von Mario Gomez vorbereitete, besaß die geforderte Rasanz und Zielstrebigkeit. Sein zweites Länderspieltor bewies Instinkt und Technik. Es war die Krönung seines Schaffens. Aber der immer noch sehr junge Draxler, der beim WM-Triumph 2014 in Brasilien nur einmal kurz auf dem Platz stand, will mehr. "Das ist natürlich das Ziel", sagte er zum Vorhaben, auch im Viertelfinale wieder von Anfang an aufzulaufen. "Gute Argumente habe ich sicherlich geliefert", sagte Draxler mit dem Blick aufs weitere Turnier.

Entgegen kam seiner Spielweise, dass inzwischen in Mario Gomez ein richtiger Mittelstürmer auf dem Feld steht. "Mario ist im Strafraum sehr präsent, er schafft Räume für uns. Und beim zweiten Tor hat man wieder gesehen, dass er einfach da ist, wo ein Stürmer stehen muss", sagte Draxler. Gomez war ein willkommener Abnehmer seines Zuspiels.

Gomez, der dank Draxlers Vorarbeit sein insgesamt fünftes EM-Tor erzielen konnte und damit als deutscher Rekordschütze mit Jürgen Klinsmann gleichzog, revanchierte sich mit einer Lobeshymne: "Wir wissen ja, was dieser Junge drauf hat. Jule hat zwei brillante Zauberfüße. Er ist ein guter Typ, es freut mich für ihn."

All zu forsch mochte Draxler trotzdem nicht für sich werben. "Jedes Spiel erfordert andere taktische Maßnahmen", sagte er vorsichtig. "Der Bundestrainer lässt sich nicht gerne in die Karte schauen, ob man spielt oder nicht spielt. Für mich war nur klar: Jetzt zählt's." Ein Schlag auf den Fuß, den er abbekam, sei jedenfalls kein Problem. "Nichts Schlimmes", beruhigte Draxler entspannt.

"Will spielen, ist doch klar"

Diesmal traf Konkurrent Götze die Unberechenbarkeit des Bundestrainers. Der 24-Jährige war bemüht, gelassen zu wirken. "Er hat gut gespielt", sagte der Verlierer des Spiels über Konkurrent Draxler. Für Götze waren es die ersten 90 Minuten, die er in Frankreich komplett im Abseits verbringen musste - wie sonst so oft beim FC Bayern. "Jeder, der Fußballer ist, möchte spielen, das ist doch klar", sagte Götze. Aber wichtig sei, "dass wir gewonnen haben".

Das erhält auch Götze die Chance, das Turnier persönlich mit einem Happy End beschließen zu können. Vor zwei Jahren in Brasilien verlor er ebenfalls seinen Startplatz in der ersten Turnierphase - und schoss dann als Joker das Siegtor im WM-Endspiel gegen Argentinien. Eine solche finale Aktion ist auch in Frankreich immer noch möglich.