22.08.2016 10:30 Uhr

Der schwierige Spagat des Rapid-Trainers

Mike Büskens hat immer alles genau im Blick
Mike Büskens hat immer alles genau im Blick

Der schwierige Spagat aus Doppelbelastung mit Europacup und Meisterschaft ist für Mike Büskens kein Neuland. Einst als Spieler bei Schalke machte er dabei in einer Saison alle Höhen und Tiefen durch, vielleicht hilft diese Erfahrung nun auch als Rapid-Trainer. Bei seiner Analyse nach dem 1:1-Remis beim Wolfsberger AC stellte sich der 48-Jährige jedenfalls vor seine am Sonntag sichtlich erschöpfte Mannschaft.

1997 gewann der FC Schalke 04 im Elfmeterschießen gegen Inter sensationell den UEFA-Cup. Der heutige Rapid-Sportchef Andreas Müller und der aktuelle grün-weiße Coach Mike Büskens jubelten über die internationale Sternstunde. Eine magische Nacht in Mailand.
>> Der Triumph des FC Schalke 04 im UEFA-Cup 1997

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Doch in der deutschen Bundesliga erlebten die erfolgreichen "Eurofighter" oft ihr blaues Wunder. Am Ende der Saison 1996/97 gab es nur den völlig enttäuschenden zwölften Platz. Die Reise quer durch Europa mit all ihren Strapazen und die anschließende Rückkehr in die Knochenmühle im deutschen Oberhaus gegen ausgeruhte Gegner hatte ihre Spuren hinterlassen.
>> Die Bundesliga-Abschlusstabelle der Saison 1996/97

"Wenn Du aus der Kirche wieder raus kommst, dann bist Du schlauer"

Nach dem 4:1-Sieg im Derby gegen die Austria stand keine Partie in der Qualifikation der Europa League auf dem Programm. Rapid hatte eine Woche Zeit um sich in Ruhe auf den 4:0-Heimerfolg gegen Admira Wacker vorzubereiten. Nun folgte aber am Donnerstag das Playoff-Hinspiel gegen den FK AS Trenčín, wo sich die Hütteldorfer problemlos mit 4:0 durchsetzten.

Man blieb noch eine Nacht in der Slowakei, erst am Freitag ging es zurück nach Wien. Am Samstag saß man schon wieder im Bus Richtung Kärnten. Dort folgte am Sonntagnachmittag die Partie bei Auswärts-Angstgegner WAC. Mit einem 1:1-Remis im Lavanttal ging die schwarze Serie gegen die "Wölfe" weiter: In bisher zehn direkten Duellen gab es dort erst einen einzigen Sieg. Unglaublich, aber wahr.
>> Die direkten Duelle zwischen dem WAC und Rapid

Die Heimstärke der Kärntner, die nur eines ihrer letzten 16 Spiele vor eigenem Publikum verloren haben, bekam auch einmal mehr Rapid zu spüren. Aber es lag auch zu einem großen Teil am Auftritt der Gäste. Das dichte Programm zeigte Wirkung. Rapid-Trainer Büskens gestand nach der Partie gegenüber weltfussball sehr wohl Umstellungen überlegt zu haben. "Natürlich war es ein Thema frische Spieler zu bringen. Aber ich wollte unseren Lauf einfach nutzen." Darum hatte er gegenüber dem Europacup-Spiel nur eine Änderung vorgenommen und Thomas Murg statt Philipp Schobesberger (der wegen einer leichten Blessur gar nicht erst im Kader stand) aufgeboten.

Doch in Wolfsberg waren die Akkus von Rapid nicht mehr voll. Speziell Kapitän Stefan Schwab und Louis Schaub waren weit von jener Form gezeigt, mit der sie sich die letzten acht Rapid-Treffer allein untereinander aufgeteilt hatten. Schwab wurde im Finish vom Platz genommen und Schaub gelang es nur einmal gefährlich vor dem WAC-Tor aufzutauchen. "Wenn Du aus der Kirche wieder raus kommst, dann bist Du schlauer als vorher. Es stimmt, dass wir langsamer bei unseren Entscheidungen waren und zu lange gebraucht haben", musste auch der Rapid-Chefcoach die schwache Tagesform seiner müden Europacup-Helden eingestehen.

"Was ist, wenn ich sieben Wechsel vornehme und wir verlieren?"

Die Stoppuhr von Mike Büskens hatte sich zuvor schon bei der Pressekonferenz gemeldet und tat es dann auch noch danach beim Gespräch im kleinen Kreis. Ein Signal? Schon vor dem Spiel hatte sich der neue Rapid-Trainer mit seinem Betreuer-Team, der Physio-Abteilung und den medizinischen Vereinskräften ausgetaucht. Dennoch wurde auf Rotation verzichtet.

Der "flow" sollte mit der eingespielten ersten Garnitur fortgesetzt werden. Eine Rechnung, die am Ende nicht aufging. Trotz der 1:0-Führung durch Christoph Schösswendter ("Wir haben uns nach der Pause Meter für Meter tiefer zurückdrängen lassen") in der 31. Minute reichte es letztlich nur zu einem Punkt. Der WAC-Ausgleich durch Rapid-Leihgabe Philipp Prosenik ("Genau dort gehört der Ball hin") in der 82. Minute kostete die Grün-Weißen den Sieg.

"Wenn wir 1:0 gewinnen, dann ist alles gut und keiner stellt Fragen über frische Kräfte. Was aber ist, wenn ich sieben Wechsel vornehme und wir verlieren?", lautete die rhetorische Frage von Büskens. Er bekam an diesem Tag keine Antwort.

Rapid hat ein Tormann-Problem

Keine Antwort gibt es auch auf die seit längerer Zeit wichtigste Frage im Rapid-Kader: Glaubt man in Wien-Hütteldorf wirklich, dass Ján Novota und Richard Strebinger genug Qualität für den ersehnten Titelgewinn haben? Wenn man es tut, dann begeht man einen folgenschweren Irrtum.

Novota und Strebinger sind bestenfalls ein "Back-Up" für einen sehr guten Einser-Tormann. Den hat Rapid nicht. Man braucht einen Keeper mit der Klasse eines Michael Konsel oder Ladislav Maier. Qualität, die sehr teuer ist. Aber der nächste Neuzugang sollte diese Baustelle schließen. In der Sommer-Transferphase wird es nicht mehr passieren. Vielleicht muss man dann im Winter unter Druck handeln oder wartet ein weiteres Jahr. Wenn man wieder ohne Titel dasteht.

Oder man setzt auf den Fakor Zeit. U19-Teamtorhüter Paul Gartler wird großes Talent bescheinigt, baut man sich die neue Nummer eins selbst auf? Vielleicht hilft es ja, dass Gartler bei der zweiten Mannschaft spielt, die aktuell Tabellenführer in der Regionalliga Ost ist. Dort bleibt ihm das Einschießen vor dem Spiel von Tormann-Trainer Raimund Hedl erspart. Böse Zungen behaupteten in Wolfsberg, dass Novota bei Flanken genauso sicher war, wie einst Hedl zu seiner aktiven Zeit.

Ex-Ersatzkeeper Hedl war früher braver Bankerlsitzer und Nummer zwei hinter Klasseleuten wie eben Konsel oder Maier. Klasse, wie sie aktuell auf der Torhüter-Position fehlt. Vielleicht erkennen dies auch die Ex-"Eurofighter" Büskens und Müller. Ohne Elfmeter-Killer Jens Lehmann würde heute nicht der Triumph im UEFA-Cup in ihrem Lebenslauf aufscheinen. 

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Christian Tragschitz