14.12.2016 15:26 Uhr

Benteke: Ein Schritt zurück, zwei nach vorn?

Christian Benteke hat endlich wieder Spaß am Fußball
Christian Benteke hat endlich wieder Spaß am Fußball

Christian Benteke galt lange Zeit als Premium-Knipser. Sein Wechsel von Aston Villa zu Liverpool im Sommer 2015 war die logische Konsequenz, der nächste Schritt. Doch unter Jürgen Klopp, der kurze Zeit später ebenfalls an der Merseyside aufschlug, hatte der Belgier einen schweren Stand. Es folgte die Flucht zu Crystal Palace - ein weiser Entschluss.

14. Spieltag in der Premier League, Crystal Palace trifft in einem richtungsweisenden Spiel auf den FC Southampton. Vor dem Match wurde die Begegnung gar als "Entscheidungsspiel" für Trainer Alan Pardew hochstilisiert. In der 33. Minute geht ein erster Schrei der Erleichterung durch den Selhurst Park, als Benteke einem schier aussichtslosen Ball hinterhergeht, Saints-Keeper Fraser Forster zu einem Fehler zwingt und problemlos zum 1:0 einschiebt. Er läuft in Richtung Fankurve und klopft sich demonstrativ aufs Wappen der Eagles. Einen ähnlichen Jubel präsentiert der Stürmer, als er mit seinem siebten Saisontreffer zum 3:0-Endstand einschiebt. 

Viele werden in diesem Moment an die Unsitte vieler Profis gedacht haben, die mit dieser Art des Jubels bereits nach wenigen Spielen ihre Verbundenheit zum neuen Klub zur Schau stellen wollen. Doch im Fall von Benteke sieht es anders aus. Der bullige Torjäger ist nach seiner schwierigen Zeit in Liverpool dankbar, dass Pardew und Crystal Palace ihm einen Neuanfang ermöglicht haben.

Diesen ließen sich die Süd-Londoner einiges kosten, schließlich hatten die Reds immer wieder betont, Benteke nicht unter Wert ziehen lassen zu wollen. "Wenn jemand einen unserer Spieler will, dann muss er zahlen, weil wir nur gute Spieler haben", kündigte Klopp einst an. Am Ende soll die Ablöse bei stolzen 37 Millionen Euro gelegen haben - Vereinsrekord!

Missverständis Liverpool

Bentekes Wechsel in die englische Arbeiterstadt war mit großen Hoffnungen verbunden - auf beiden Seiten. Immerhin kam der Nationalspieler mit der beeindruckenden Referenz von 42 Toren in 89 Premier-League-Spielen für Villa zum 18-maligen englischen Meister. Am Ende gab es nur Verlierer. Der wuchtige Angreifer schaffte unter Klopp und dessen Vorgänger Brendan Rodgers nie den Durchbruch, in 42 Pflichtspielen kam er nicht über zehn Treffer hinaus.

Für den 1,91 m großen Mittelstürmer war der Wechsel auf der Trainerbank auch der Knackpunkt in seiner Zeit bei den Reds. "Ich hätte niemals in Liverpool unterschrieben, wenn ich gewusst hätte, dass ich nicht erste Wahl bin", leistete sich Benteke einen Seitenhieb in Richtung des Ex-Dortmund-Trainers. "Es schmerzt – besonders weil ich nie zuvor so fit war wie jetzt", legte der belgische Nationalstürmer im März dieses Jahres noch einmal nach.

Kritisiert wurde Benteke häufig für seine Spielweise, die nicht ins "System Klopp" gepasst habe. Für den 26-Jährigen unverständlich: "Ich finde das merkwürdig. Ich verstehe nicht, warum die Leute so etwas sagen. Ich kann Pressing spielen und viel laufen. Es ist ja nicht so, dass wir wie Barcelona spielen."

Ein Ende der Liasion im Sommer schien unausweichlich, nicht zuletzt aufgrund der öffentlichen Unmutsbekundungen, mit denen Benteke einen Wechsel forcierte.

Wohlfühlspieler Benteke

Bei Crystal Palace angekommen, muss sich "The Beast" vorgekommen sein, wie zu besten Aston-Villa-Zeiten, als er die unangefochtene Nummer eins im Sturmzentrum war. Und so lassen die Verantwortlichen um Trainer Pardew auch keine Gelegenheit aus, um ihrem Rekordtransfer das Vertrauen auszusprechen, das er offenbar so dringend benötigt.

"Er kann gefühlt zwei Meter hochspringen und den Ball immer noch mit der Brust annehmen. Er hat eine unglaubliche Technik, wir müssen ihn einfach noch besser bedienen", erklärte der 55-Jährige nach stockendem Start mit nur drei Toren nach zehn Spielen. Auch nach seinem verschossenen Strafstoß gegen West Ham (0:1) stellte sich Pardew demonstrativ vor seinen Schützling: "Ich habe schon immer meine Stürmer ermutigt, die Elfmeter zu schießen. Ich habe großes Vertrauen in ihn."

Hinzu kommt, dass die Eagles nur wenige Wochen nach Bentekes Wechsel mit Bruder Jonathon einen weiteren "Wohlfühlfaktor" verpflichtet haben. Offiziell habe der Transfer des 21-Jährigen allerdings nichts mit seinem prominenten Bruder zu tun gehabt, der Verein habe ein "große Chance" in ihm gesehen, hieß es.

Und dieses Vertrauen zahlt sich nun immer mehr aus. Mit acht Toren nach 13 Spielen hat Benteke schon jetzt mehr Tore erzielt als der letztjährige "Top-Knipser" Connor Wickham (5 Tore) in der gesamten Vorsaison. Entsprechend zieht der Angreifer auch ein durchweg positives Zwischenfazit: "Er [Alan Pardew; Anm. d. R.] hat mir gesagt, dass er an meine Fähigkeiten glaubt und meine Stärken ausspielen will. Das war in Liverpool nicht der Fall, wo ich vergeblich versuchte, mich zu beweisen."

Bei Palace habe er das Gefühl, er könne sich wieder voll entfalten und auch mal einen Fehler machen, ohne gleich das Vertrauen seines Trainers zu verlieren.

Wohin geht die Reise?

Auch wenn es gerade so erscheint, dass beide Seiten ihr Glück miteinander gefunden hätten, gibt sich Pardew keinen Illusionen hin. Er sei zwar unglaublich froh, einen Spieler wie Benteke verpflichten zu haben, doch sollte er an alte Leistungen anknüpfen, werde es schwer, ihn zu halten.

Er könne sich vorstellen, dass Vereine wie Paris Saint-Germain anklopfen, wenn der 26-Jährige wieder in Reichweite der 20-Tore-Marke komme. "Wenn das passiert ist er weg, und wir müssen mit unseren Mitteln einen Ersatz finden", so der Engländer gegenüber dem "Guardian".

Fraglich ist allerdings, ob Benteke bei einem zweiten Anlauf bei einem Top-Klub mehr Zeit und Vertrauen bekäme als in Liverpool – denn das braucht der Mittelstürmer offenbar.

Bis dahin will er erst einmal mit Crystal Palace erfolgreich sein und sich kurzfristig aus den Abstiegsregionen verabschieden. Eine neue Möglichkeit dazu bekommen die Londoner am Mittwoch (ab 20:45 Uhr), wenn es gegen Manchester United geht. Dann kommt es auch zum Aufeinandertreffen von Benteke und Zlatan Ibrahimović. Aktueller Zwischenstand im Duell der Goalgetter: 8:8.

 

Julian Biermann