13.04.2017 10:44 Uhr

Celta: Mit Skandinavien-Power zum Titel?

Celtas Offensive um John Guidetti (l.) und Iago Aspas (r.) fliegt durch die Europa League!
Celtas Offensive um John Guidetti (l.) und Iago Aspas (r.) fliegt durch die Europa League!

Neben den top gehandelten Klubs wie Manchester United, FC Schalke 04 oder Istanbuls Top-Klub Beşiktaş hat sich auch ein anderer, fast unbekannter Verein in den Favoritenkreis der Europa League gespielt: Celta Vigo.

Celta hält nach der Sevilla-Ära mit drei Triumphen in Folge die spanische Flagge im Wettbewerb hoch und marschiert leichtfüßig durch Europa. Nach Erfolgen über Donetsk und Krasnodar in den bisherigen K.o.-Spielen gehen die Hellblau-Weißen nun als Favorit in das Viertelfinale gegen den belgischen Vertreter KRC Genk.

Das Team des Argentiniers Eduardo Berizzo, der vor drei Jahren die Mannschaft von keinem geringeren als dem heutigen Barça-Coach Luis Enrique übernahm, ist im Europapokal schnell gereift. Offensivmann und Publikumsliebling John Guidetti meinte einst über seinen Coach: "Er ist möglicherweise der beste Trainer, den ich je hatte. Ich meine damit sowohl die Art und Weise, wie offensiv und mutig wir unter ihm Fußball spielen, als auch seine Beziehung zu den Spielern. Er respektiert alle und macht aus uns allen bessere Spieler."

Auf den Spuren der legendären "Riesentötern"

Celta Vigo unter "Toto Berizzo" stellt auf europäischer Ebene mit dem Vorstoß unter die letzten Acht sogar die legendäre Vigo-Elf aus den Siebzigerjahren in den Schatten. Diese spielte einst die in der Primera División 1970/1971 eine bis heute unerreichte Saison und blieb im eigenen Stadion ungeschlagen. Nach Heimsiegen gegen Meister Valencia und den FC Barcelona ging die Vigo-Elf damals als "Riesentöter" in die Geschichte des iberischen Fußballs ein und wurde Sechster in La Liga. Europäisch war im Jahr drauf allerdings schon in Runde eins gegen den FC Aberdeen Entstation. 

Beim zweiten Europaausflug vor zehn Jahren schafften die Celtiñas zumindest den Sprung ins Achtelfinale und flogen erst gegen den späteren Halbfinalisten Werder Bremen raus. Diese Hürde hat der Ex-Klub des einstigen Real- und Chelsea-Weltstars Claude Makélélé in dieser Spielzeit längst genommen und feierte mit dem Viertelfinal-Einzug in der Europa Leauge den größten Erfolg der jüngeren Vereinsgeschichte.

Auswärtssieg bei Real Madrid setzte Maßstäbe

Die Hellblau-Weißen wissen auswärts zu überraschen und finden in den Pokal-Wettbewerben immer wieder Lösungen, um auch große Vereine aus dem Weg zu räumen. In der Copa del Ray erreichte das Team bereits das zweite Jahr in Folge das Halbfinale und schaltete im Winter gar Real Madrid nach einem 2:1 im Bernabéu aus. Auch in der Europa League sorgten zuletzt drei 2:0-Auswärtssiege nacheinander für Jubelstürme bei den Galiciern.

Im eigenen Stadion ist die Bilanz zwar nicht ganz so makellos wie früher bei den Riesentötern, dennoch ist eine Auswärtsfahrt in das kleine Balaidos-Stadion auch in der Neuzeit nicht zu unterschätzen. Besonders der FC Barcelona mit Ex-Coach Enrique dürfte dieses schmerzlich bestätigen: Der FCB ging zuletzt mit 3:4 und 0:4 in Spaniens Nordwesten baden.

Vor allem die Treffer von Publikumsliebling John Guidetti sorgen im alten Rund des WM-Stadions von 1982 für Partystimmung. Der extrovertierte Schwede ist zwar nicht immer gesetzt, erfreut sich dafür aber einer großen Beliebtheit. Wie hoch die Wellen des Skandinaviers schlagen, zeigt die Release einer eigenen Torhymne. Die schwedischen DJs "Badpojken" griffen die Idee eines Torjingles für den Stümerstar auf und bastelten zur Freude des Celtiñas den Dance-Track "Johnny G." am Mischpult zusammen. Trifft Guidetti, wird das Balaidos wird zur Disco.

Iago Aspas auf dem Weg zur Klubikone

Aber auch neben Johnny G. haben die Seestädter einige feine Fußballer in ihren Reihen. Einer von ihnen ist Iago Aspas. Der Angreifer ist ein Sohn Galiciens und blüht nach seinem verpatzten Wechsel zum FC Liverpool in seiner zweiten Celta-Zeit wieder richtig auf. In der Liga beweist der 28-Jährige mit 16 Saisontoren seine Topform regelmäßig und folgt in der Torschützenliste direkt hinter Messi, Suárez und Ronaldo auf Platz vier.

Geht die Erfolgsgeschichte bei Celta Vigo weiter, könnte Aspas zu einem ewigen Helden der Stadt werden und seine persönlichen Meilensteine weiter ausbauen: Mit acht Jahren trat er dem Verein bei, rettete ihn 2008/2009 als 21-Jähriger mit zwei Toren vor dem Niedergang in die 3. Liga. Drei Jahre später brachte er seine Heimat-Liebe dann sogar mit 23 Saisontreffern wieder in die Beletage des spanischen Fußballs zurück.

Wass und Sisto komplettieren das Skandinavien-Trio

Aspas zeigt sich auch in der laufenden Europa-League-Saison in der Box äußerst treffsicher und hat bereits vier EL-Tore auf seinem Konto. Er vollendet dabei die Ideen und Hereingaben seiner flinken und technisch begabten Vorlagengeber. Die Dänen Daniel Wass und Pione Sisto komplettierten zusammen mit Guidetti das skandinavische Offensiv-Trio der Celtiñas, welches im favorisierten 4-2-3-1-System von Coach Berizzo variabel aufgestellt werden kann.

Der Cheftrainer pflügte sein Prunkstück in den letzten Wochen etwas auseinander, schonte seine Topspieler und machte auch öffentlich keinen Hehl daraus, dass ab sofort vor allem die Europa League für die Hellblau-Weißen zähle. Nach der jüngsten 0:2 Niederlage gegen Eibar und Platz zehn in der Liga gab der Argentinier offen zu: "Ich bin kein Heuchler: Die Europa-League ist für uns entscheidend. Sie ist der Schlüssel für die Zukunft und genießt höchste Priorität."

Im Gegensatz zu Titelanwärter Manchester United, das in England noch mit aller Macht die Königsklasse erreichen will, geht Vigo quasi ohne spürbare Doppelbelastung in die letzten Hürden vor Stockholm. Schon gegen KRC Genk sollen die spanisch-skandinavischen Festspiele des Real Club Celta de Vigo daher fortgeführt werden.

Norman Droste