28.06.2017 09:32 Uhr

Kuntz: "Auf Thomfordes Mist gewachsen"

Stefan Kuntz erreichte mit der deutschen U21-Nationalmannschaft das EM-Finale
Stefan Kuntz erreichte mit der deutschen U21-Nationalmannschaft das EM-Finale

Nach dem Finaleinzug bei der U21-EM sprach Nationaltrainer Stefan Kuntz im Interview über das dramatische Duell mit England, die Rolle von Torwart-Trainer Klaus Thomforde beim Elferschießen und die Gier auf den Titel.

Herr Kuntz, was sind Ihre Gedanken nach diesem Spiel?

Den Matchplan hat die Mannschaft nach zehn, zwölf Minuten perfekt umgesetzt. Sie hat dann auch Stück für Stück Vertrauen in die taktische Ausrichtung gehabt, weil die Spieler das echt richtig, richtig gut gemacht haben. Wir hatten gesagt, wir haben jetzt ein paar Steine aus unserem Rucksack raus, weil jeder sich unter Druck gesetzt hat, wir wollten unbedingt das Halbfinale erreichen. Das ist sicherlich ein Tag, wo ich mir später mal ein paar Minuten gebe. Das gibt es im Fußball nicht so oft, dass man so schöne Tage erlebt. Ich habe den Spielern gesagt: Wenn die Leute heute Abend Fußball gucken, dann sollen sie anschließend sagen: "Mein Gott, was bin ich stolz auf diese Mannschaft." Ich glaube, alle Vereine, die die Jungs zu uns geschickt haben, können heute Abend extremst stolz sein.

Wie sind Sie mit Julian Pollersbeck vorher umgegangen? Er hatte ja auch einen Zettel dabei, was stand da drauf?

Das mit dem Zettel ist auf Klaus Thomfordes Mist gewachsen, das hat er mit Julian gemacht. Ich möchte mir da gar keine falschen Lorbeerkränze umhängen. Wir haben vorher noch Scherze gemacht, dass damals (im EM-Halbfinale 1996) Andy Köpke mir gesagt hat, ich springe einfach fünfmal in die gleiche Ecke und irgendeiner schießt dann da rein. Es war dann der sechste erst, aber das hat dann ja letztendlich auch gereicht. Julian hat gemeint, dass er sich die Schützen vorher anschaut. Wenn der Schütze unsicher wirkt, dann versucht er auf Ball zu reagieren. Wenn er glaubt, dass der Schütze selbstsicher wirkt, dann versucht er einfach, in irgendeine Ecke zu springen.

Sie wirken sogar ein bisschen gerührt. Waren Sie früher als Spieler auch so oder ist das jetzt ein ganz anderes Gefühl?

Sie können ja nur Emotionen rüberbringen, wenn Sie auch selbst emotional sind. Ich bin jetzt schon ein bisschen länger im Fußball tätig. Dass man so eine Stunde dann auch mit der notwendigen Demut hinnimmt, dass das uns allen so passiert ist, das ist schon cool. Meine Emotionen sind echt und das merkt die Mannschaft.

Sind jetzt alle Steine schon aus dem Rucksack raus oder sind noch ein paar Kieselsteine übrig?

Klar, die Mannschaft will jetzt auch den Titel holen. Wir müssen erstmal sondieren, wer morgen früh laufen kann. Dann schauen wir, mit welchem Matchplan wir dann die Kräfte sammeln. Das ist jetzt die Aufgabe für die nächsten drei Tage.