17.09.2017 08:10 Uhr

Rapid wird zum Fall für die Mental-Couch

Bei Rapid lagen nach der nächsten verschenkten Führung im Finish die Nerven blank
Bei Rapid lagen nach der nächsten verschenkten Führung im Finish die Nerven blank

Das Auftaktspiel der achten Bundesliga-Runde am Samstag zwischen Altach und Rapid zeigte einmal mehr die anhaltenden Schwierigkeiten beim österreichischen Rekordmeister deutlich auf. Es brachte letzlich ein 2:2-Remis, welches auf beiden Seiten betretene Mienen hinterließ. Kein Sieger, aber gefühlt gleich zwei Verlierer, obwohl es eine Punkteteilung gab. Am Ende machte sogar ein "mentales Problem" die Runde.

Die Grün-Weißen boten in Vorarlberg fast eine Stunde lang als Auswärtsmannschaft eine sehr starke Vorstellung, führten aber "nur" mit 1:0, nachdem sie zahlreiche hochkarätige Möglichkeiten ausgelassen hatten. Dann schlugen die Hausherren aber erbarmungslos zurück: Bis in die Nachspielzeit lag dann plötzlich Altach mit 2:1 in Front und auf der Tribüne gab es schon standing ovations für den vermeintlichen Heimerfolg. Zu früh: Ausgerechnet ein Ex-Ländler-Kicker zerstörte alle Siegesträume im Schnabelholz.

Der Reihe nach: Stefan Schwab schoss Rapid in der 46. Minute in Führung. Erst kurz nach dem Wechsel und damit viel zu spät. Speziell Thomas Murg und Neuzugang Veton Berisha hatten sich in den ersten 45 Minuten als doppelter personifizierter Chancentod präsentiert. Unglaublich, welche Gelegenheiten die Gäste ungenützt ließen. Dann ballerte auch noch Louis Schaub den Ball nach idealer Vorarbeit von Philipp Schobesberger an die Unterkante der Latte, statt gezielt flach ins Eck zu schießen (48.).

Matchball zum 2:0 vergeben und somit einen davor kaum vorhandenen Gegner zum Leben erweckt. Mit der Doppel-Einwechslung von Jan Zwischenbrugger und Bernard Tekpetey schöpfte Altach neuen Mut und wenig später glich Mathias Honsak zum 1:1 aus. Ein Leihspieler von RB Salzburg traf Rapid mitten ins Herz (59.). Plötzlich brach bei den Gästen Chaos aus.

Der bärenstarke Flügelflitzer Tekpetey stellte auf 2:1 und bestrafte das Panikorchester aus Wien-Hütteldorf (66.). Erst mit dem Rücken zur Wand und bei einer Partie in Rückstand, die man nie aus der Hand hätte geben dürfen, wachte Rapid wieder auf. Der Ex-Altacher Galvão rettete in der 93. Minute mit dem Ausgleich zum 2:2 noch einen Punkt. Ein Ergebnis, welches niemand zufrieden stellte.

Hat Rapid ein mentales Problem?

"Ich glaube es ist ein mentales Problem", sagte ÖFB-Teamspieler Schaub nach der Partie zu weltfussball. Ein Satz, der alles aussagt. "Ich kann den Ball reinschießen, statt an die Latte. Dann steht es 2:0 und das Match ist gelaufen", gab sich der 22-Jährige äußerst selbstkritisch. "Wir müssen uns endlich für unsere Leistungen belohnen. Wir spielen richtig gut Fußball und lassen eine Chance nach der anderen liegen. Dann geben wir so ein Spiel aus der Hand. Eigentlich unfassbar."

Ein mentales Problem also. Der SK Rapid bietet seinen Spielern seit einiger Zeit auch auf dieser Ebene Hilfe an. Nicht alle nehmen sie in Anspruch. So auch Louis Schaub: "Ich bin nicht der Typ dafür. Ich will mir selber helfen und mich entsprechend vorbereiten."

Rapid-Trainer Goran Djuricin wurde von weltfussball wenig später auf der Pressekonferenz mit dieser Aussage seines Offensivspielers konfrontiert. Seine Antwort: "So kurz nach so einer Partie ist man sehr emotional. Ich denke nicht, dass wir ein mentales Problem haben. Wir haben so viele Chancen. Die müssen wir einfach verwerten und effizienter werden."

Mit "ein, zwei Spielern über Mentaltraining geredet"

Dann gab der Chefcoach der Grün-Weißen aber doch zu, dass es ein mehr als nur präsentes Thema ist. Zum vierten Mal in der noch jungen Bundesliga-Saison 2017/18 reichte eine Rapid-Führung nicht zum Sieg. Zweimal wurde sogar ein 2:0 noch verschenkt. So werden Punkte am Fließband liegen gelassen.

"Ich habe mit ein, zwei Spieler darüber gesprochen", nahm Djuricin auf das Angebot der mentalen Unterstützung durch einen Spezialisten Bezug. "Es ist heute gang und gäbe, dass man auch in diesem Bereich Hilfe in Anspruch nimmt. Es tut jedem Mensch gut, wenn er so lernt mit Drucksituationen umzugehen. Es ist wichtig, damit der Rucksack ein wenig leichter wird."

Aussagen mit Zündstoff. Sind einige seiner Schützlinge ein "Fall für die Couch"? Braucht Rapid auch in diesem Bereich einen Spezialisten für eine bessere sportliche Zukunft?  Für den Wiener gibt es aber einen einfachen Weg zur Problemlösung: "Wir brauchen einfach Siege und müssen auch mal die drei Zähler mitnehmen."

Kapitän Schwab: "Man kann ein 1:0 auch mal drüberbringen"

23 Bundesliga-Spiele in Folge hat Rapid auswärts nicht mehr hinten zu Null gespielt. Zuletzt am 8. Mai 2016 beim 2:0-Erfolg in Mattersburg. Seither schlug es im Tor der Hütteldorfer in der Fremde immer ein. Längst kein Zufall mehr. Dies sieht auch Kapitän Stefan Schwab so: "Man kann auch mal eine 1:0-Führung drüberbringen. Gegen Mattersburg und im Derby verschenken wir sogar ein 2:0, weil wir nicht das dritte Tor machen. Heute lassen wir die Chance zum 2:0 aus und machen den Gegner so stark. Wir müssen uns einfach cleverer anstellen. Besser verteidigen und ruhiger werden."

Thomas Murg sah es ähnlich. Technisch stark, im Dribbling kaum zu stoppen, guter Zug zum Tor, aber dann allein vor dem gegnerischen Keeper fehlt völlig die Kaltschnäutzigkeit. Bessere Möglichkeiten als er kann man kaum haben. Noch dazu in Serie. Aber Murg nützte keine einzige davon. Auch der Steirer nahm sich sinnbildlich selbst bei der Nase: "Man darf einen Gegner nach so einer Partie einfach nicht zurück ins Spiel lassen. Wir werden ängstlich und hören auf unsere Stärken auszuspielen. Dann schlagen wir die Bälle nur noch unkontrolliert nach vorne und wundern uns, wenn wir plötzlich 1:2 zurück liegen."

"Wahnsinn!", fasste es Murg treffend zusammen. Wer hilft Rapid aus der "Villa Wahnsinn"? Es wird Zeit für eine umfassende Problemanalyse.

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Christian Tragschitz, weltfussball.at aus Altach