08.10.2017 14:05 Uhr

Neustart nach dem ÖFB-Machtkampf

Neo-ÖFB-Sportchef Peter Schöttel wird von Leo Windtner zu seiner Bestellung gratuliert
Neo-ÖFB-Sportchef Peter Schöttel wird von Leo Windtner zu seiner Bestellung gratuliert

Neustart beim ÖFB. Peter Schöttel ersetzt Willi Ruttensteiner als Sportchef und beginnt seine Tätigkeit gleich mit der Suche nach einem Teamchef. Doch der Machtkampf hinter den Kulissen geht munter weiter. Auch der Abflug des Nationalteams am Sonntagvormittag von Schwechat nach Chișinău rückte durch das vorangegangene Geschehen in den Hintergrund. Ein Kommentar.

Am Montagabend (ab 20:45 Uhr im weltfussball-Liveticker) erfolgt mit dem Gastspiel in der Republik Moldau der Abschluss der WM-Qualifikation. Fast Nebensache. Das die erwartete "Baby"-Viererkette in der Defensive mit Moritz Bauer, Kevin Danso, Philipp Lienhart und Maximilian Wöber nur sechs Länderspiele aufzuweisen hat? Eine Randnotiz. Der starke Auftritt beim 3:2-Sieg gegen Tabellenführer Serbien? Längst schon ein Fall für die Fußball-Geschichtsbücher. Das letzte Spiel unter Marcel Koller? Ein sentimentaler Fakt, aber nicht mehr.

Willkommen auf dem Jahrmarkt der Eitelkeiten

Das dominierende Thema ist nach wie vor der Jahrmarkt der Eitelkeiten, welchen den größten rot-weiß-roten Sportverband fest im Griff hat. Die Hauptdarsteller: Die Präsidenten der (inzwischen wieder sehr einflussreichen) Landesverbände, Vertreter der Bundesliga und die ÖFB-Spitze. Hier kämpf(e) zuletzt jeder gegen jeden, aber niemand zusammen. So bot der österreichische Fußball-Bund ein Bild, welches eher an politische Entgleisungen im aktuellen Wahlkampf erinnerte, als an eine konstruktive gemeinsame Arbeit.

ÖFB-Boss Leo Windtner war seit seiner Wiederwahl geschwächt. Neun Männer aus Vorarlberg, Tirol, Salzburg (deklarierter Gegner einer neuen Windtner-Ära), Kärnten, der Steiermark, Oberösterreich, Niederösterreich, Wien und dem Burgenland hatten dem ehemaligen Energie-Chef den Stecker gezogen. Das Aus von Teamchef Marcel Koller war mit der Niederlage in Wales besiegelt, der Abschied von Sportdirektor Willi Ruttensteiner eigentlich schon zuvor. Sein Fernbleiben beim Finalturnier der UEFA Youth League mit dem Triumph von RB Salzburg war sein Anfang vom Ende.

Er hat 18 Jahre lang einen tollen Job gemacht, aber ... Alleine dieser Satz zeigt schon, wie die Uhren beim ÖFB im Herbst 2017 ticken. Es zählt nicht die fachliche Qualifikation oder wie jemand seine Arbeit erledigt. Viel wichtiger ist es, dass man den Chefs aus den Bundesländern nach dem Mund redet. Ja, Willi Rutternsteiner hat bei der Aufarbeitung der verpatzten EM 2016 in Frankreich schwere Fehler gemacht. (So wie auch Teamchef Marcel Koller). Nein, Willi Ruttensteiner war rein nach sportlichen Gesichtspunkten nicht reif für eine Ablöse.

Wodurch machte sich der Oberösterreicher angreifbar? Ein Verbands-Insider formulierte es gegenüber weltfussball so: "Wenn Willi Ruttensteiner auch mal einen Fehler zugegeben hätte, dann wäre er dadurch doch nur sympathischer und menschlicher geworden. Aber das Credo unter der Ära von Marcel Koller war es nie eine eigene Fehleinschätzung einzugestehen. Sonst wird einem das später vorgeworfen. Dabei hätte es doch nur von Größe gezeigt."

"Monk" aus der Schweiz und "Powerpoint-Willi" aus Oberösterreich müssen gehen

Der Teamchef als "Monk" aus der Schweiz und der Sportchef als "Powerpoint-Willi" aus Oberösterreich standen für den Aufschwung der Nationalmannschaft. Eine nahezu perfekte EM-Qualifikation mit neun Siegen und einem Remis. Ungeschlagen im Triumphzug auf dem Weg nach Frankreich. Vormarsch in der Weltrangliste. Der rot-weiß-rote Fußball-Himmel hing voller Geigen.

Nach dem Desaster bei der Europameisterschaft mit nur einem erzielten Tor, dem letzten Platz und dem Out bereits in der Gruppenphase erfolgte die harte Landung in der Realität. Plötzlich erhielt der Nimbus von Erfolgscoach Koller und seinem Strategen Ruttensteiner entscheidende Kratzer. Die völlig verpatzte WM-Qualifikation in einer alles andere als übermächtigen Gruppe war dann des Schlechten zu viel.

Dabei ist es durchaus möglich, dass Koller/Ruttensteiner noch einmal den "turn around" geschafft hätten. Die Rückkehr in die Erfolgsspur ist mit dem derzeitigen Spieler-Material nicht einmal unwahrscheinlich. Doch das "Standing" des Duos ließ eine weitere Zusammenarbeit nicht mehr zu.

"Sogar die Spieler sagen schon: Was machen die Volltrotteln?"

Oberösterreichs Verbandspräsident Gerhard Götschhofer nahm sich gegenüber der "Kronen Zeitung" im Vorfeld des ÖFB-Gipfels kein Blatt vor dem Mund: "Es gibt bei uns drei, vier eitle Tröpfe. Aber wir müssen die Kuh vom Eis bringen, zumal sogar schon die Spieler sagen: Was machen die Volltrotteln?"

Wenn Menschen die Wahrheit sagen, dann sollte man ihnen nicht widersprechen.

Mehr dazu:
>> Ruttensteiner muss beim ÖFB abdanken
>> Ergebnisse und Tabelle von Österreichs WM-Qualifikationsgruppe

Christian Tragschitz, weltfussball.at aus Chișinău