12.10.2017 15:32 Uhr

Neapels Scudetto-Pakt: Eingespielt zum Titel

Der SSC Neapel tritt in diesem Jahr einmal mehr als starkes Kollektiv auf
Der SSC Neapel tritt in diesem Jahr einmal mehr als starkes Kollektiv auf

Die ersten sieben Ligaspiele gewonnen, 25 Tore erzielt und damit mehr als jedes andere Team in Europas Topligen – der SSC Neapel enteilt der Konkurrenz derzeit. In Zeiten wahnwitziger Rekord-Deals fällt besonders ins Auge, dass die Kampanier mit einem seit Jahren nahezu unveränderten Team immer besser werden.

Die gewaltige Offensivpower der Süditaliener lässt sich zunächst mit Zahlen bemessen. Neben 3,6 (!) Toren pro Spiel überzeugen die Azzurri mit den meisten Torschüssen, der höchsten Ballbesitzrate und der größten Passgenauigkeit der Serie A.

Abseits aller Statistiken bestechen die Protagonisten Woche für Woche mit traumhaften Kombinationen und einem schier unstillbaren Torhunger, wie zuletzt beim 3:0 gegen Cagliari.

Eingespieltes Kollektiv als Erfolgsrezept

Freilich war Napoli in den letzten Jahren stets oben dabei. Die Tabellenführung wäre da per se nichts Außergewöhnliches. Doch in dieser Saison scheinen die Partenopei reif für den nächsten Schritt.

Der "magische Dreizack" aus Lorenzo Insigne, Dries Mertens und José Callejón, gehalten vom Kapitän und Herz des Teams, Marek Hamšík, präsentiert sich spielfreudig wie eh und je. Neu ist derweil die Siegermentalität: Kleine Rückschläge werden im Kollektiv weggesteckt, allein drei Mal drehte die Elf in dieser Saison bereits einen 0:1-Rückstand.

Schlüssel des Napoli-Erfolgs ist die Eingespieltheit. Der Kern des Teams steht bereits seit vier Jahren gemeinsam auf dem Rasen. Neuzugänge hatten es beim SSC zuletzt schwer und blieben oft im zweiten Glied.

Zudem werden Leistungsträger nur selten, aber umso teurer verkauft. Paradebeispiele sind die einstigen Torjäger Edinson Cavani (Paris Saint-Germain) und Gonzalo Higuaín (Juventus Turin), die zusammen 154 Millionen Euro in die Klubkassen spülten.

Ein Pakt für's große Ziel

Überhaupt: Der Verkauf Higuaíns im Sommer 2016 hat die Azzurri wider Erwarten noch stärker gemacht. Denn statt des oftmals eigensinnigen Vollblutstürmers steht mit Dries Mertens nun ein Mann in der Mitte, der den eiskalten Abschluss ebenso beherrscht wie den Blick für den Nebenmann. Das macht auch Insigne und Callejón stärker, die seit dem Abgang des Argentiniers aufblühen.

Ein Erfolgsgeheimnis plauderte Mertens zuletzt im Kreise der belgischen Nationalmannschaft aus: "Diesen Sommer hatten wir alle gute Angebote vorliegen. Doch wir haben uns nochmal zusammengesetzt und beschlossen, dass wir dieses Jahr gemeinsam den Scudetto holen wollen. Deshalb sind wir freiwillig früher in die Vorbereitung eingestiegen", erläuterte der 30-Jährige den sogenannten Scudetto-Pakt. "Je länger man zusammen spielt, desto besser wird man. Wir spielen wunderschönen Fußball, und ich bin froh, Teil dieser Mannschaft zu sein."


Mit der perfekten Ausbeute von 21 Punkten nach sieben Spielen führt der SSC die Serie A an

Sarri - der geduldige Tüftler

Obwohl das nötige Kleingeld für frische Kräfte durchaus vorhanden war und die Konkurrenz aus Turin, Rom und vor allem Mailand mächtig aufgerüstet hat, hielten sich die SSC-Verantwortlichen im Sommer vornehm zurück. Der heißblütige Präsident Aurelio De Laurentiis hat in Maurizio Sarri offenbar den idealen Trainer gefunden, um über Jahre hinweg ein Top-Team zu formen, statt es sich für wahnwitzige Summen zusammenzukaufen - siehe Milan.

"Sarri ist ein Vollprofi, der seine Spieler über Monate hinweg studiert, ehe er sie aufs Feld schickt. Daher wollten wir auch keinen Umbruch im letzten Sommer", erklärte De Laurentiis. Der kettenrauchende Knurrer Sarri hat in dieser Spielzeit die Balance aus Offensivpower und defensiver Stabilität gefunden. Mit Elseid Hysaj und Faouzi Ghoulam verfügt Napoli zudem über zwei der besten Außenverteidiger der Liga, die sich unermüdlich ins Angriffsspiel einschalten.

Dennoch müssen die Kampanier ihre neu gewonnene Konstanz noch über eine komplette Saison hinweg unter Beweis stellen. Und die direkten Duelle mit den dicken Fischen der Serie A kommen erst noch. Die anstehenden Spiele bei der Roma (am Samstag ab 20:45 Uhr im Liveticker) und daheim gegen Milan werden richtungsweisend, ehe es Anfang Dezember zum heiß erwarteten Kräftemessen mit Juve kommt, laut Sarri "das stärkste Juventus seit sieben bis acht Jahren."

Derartiges Understatement bleibt in Neapel allerdings die Ausnahme, wie José Callejón kürzlich verdeutlichte: "Dieses Jahr sind wir bereit, das wird unser Jahr, wir wollen und werden den Scudetto holen!"

Johann Mai