27.10.2017 14:14 Uhr

Astoria-Kapitän exklusiv: China-Plan "eine Chance"

Timo Kern spielt seit 2013 für den FC-Astoria Walldorf in der Regionalliga Südwest
Timo Kern spielt seit 2013 für den FC-Astoria Walldorf in der Regionalliga Südwest

In der Regionalliga Südwest kommt auf die Mannschaften ab der Rückrunde ein Novum zu: An spielfreien Wochenenden steht ein Freundschaftsspiel gegen die U20-Auswahl Chinas an. Eine Neuerung, die nicht überall auf Gegenliebe gestoßen ist.

Auch Timo Kern, Kapitän des FC-Astoria Walldorf, blickt einem solchen Spiel entgegen und hat im exklusiven weltfussball-Interview über die Vor- und Nachteile dieser Zusatzpartien, über die Entwicklung seiner Mannschaft und über eine mögliche Reform des Aufstiegsmodus für die 3. Liga gesprochen.

Herr Kern, nach 14 Spieltagen in der Regionalliga stehen Sie mit dem FC-Astoria Walldorf auf Platz elf. Geht nach den jüngsten Niederlagen gegen Waldhof Mannheim im Pokal und TSV Steinbach in der Liga der Blick eher nach unten oder nach oben?

Timo Kern: Die Tabelle lügt nicht, wir stehen im Moment da, wo wir hingehören. Das muss man deutlich so sagen. Es war von Anfang an die Marschroute, dass wir uns möglichst schnell von den unteren Tabellenregionen absetzen und den Abstiegskampf schnell hinter uns bringen wollen. Das ist weiterhin das Ziel.

Gibt es eine Zielsetzung bis zur Winterpause Anfang Dezember?

Nein, wir wollen jedes Spiel so bestreiten, als wäre es das Wichtigste – so blöd es klingt. Es ist wichtig, von Spiel zu Spiel zu denken. Jeder Punkt gegen den Abstieg ist wichtig.

Legen wir den Blick auf die Rückrunde. Zum ersten Mal in der Geschichte der Regionalliga kommt es zu Freundschaftsspielen gegen die U20-Auswahl Chinas, die sich für die Olympischen Spiele 2020 vorbereitet. Dafür bekommt jeder teilnehmende Regionalliga-Klub eine Garantiesumme von 15.000 €. Was halten Sie davon?

Auf der einen Seite war ich am Anfang überrascht, dass so etwas überhaupt stattfindet. Auf der anderen Seite steht natürlich die finanzielle Unterstützung, die ein Verein wie FC-Astoria Walldorf dadurch erzielt. Vielleicht entsteht so auch eine mediale Aufmerksamkeit, die uns und der gesamten Liga dann zusprechen wird.

Ob ein Freundschaftsspiel während der Saison gelegen oder ungelegen kommt, wissen wir noch nicht. Vielleicht ist das auch eine Chance, für Spieler, die hintenanstehen Spielpraxis zu sammeln. Vielleicht können wir dadurch auch mal den Vergleich ziehen und sehen, wie das Niveau in China ist. Es ist für alle Seiten positiv und sollte eben nicht als eine zusätzliche Belastung dargestellt werden.

Es gibt mit Waldhof Mannheim, TuS Koblenz und den Stuttgarter Kickers drei Vereine, die offen gegen diese Spiele gestimmt haben. In Mannheim ist man der Meinung, dass wichtigere Probleme gelöst werden sollten, als spielfreie Wochenenden mit Freundschaftsspielen zu füllen. Können Sie solche Bedenken nachvollziehen?

Auf der einen Seite kann ich das natürlich nachvollziehen, gerade wenn man bei Waldhof Mannheim bleibt. Die haben andere Probleme, finanziell wie sportlich. Sie versuchen schon seit zwei, drei Jahren aufzusteigen. Dass nicht die pure Freude aufkommt, wenn man sich dann mit so etwas beschäftigen muss, kann ich absolut verstehen. Aber für uns als FC-Astoria Walldorf dürfte das kein Problem sein. Klar freut man sich als Spieler über spielfreie Wochenenden. Allerdings ist es nur einmal im Jahr.

Der 2. große Streitpunkt in der Liga ist der Aufstiegsmodus. Es steigen nur drei aus fünf Regionalliga-Meister auf. Würden Sie Änderungen begrüßen oder konzentrieren Sie sich mit FC-Astoria auf andere Themen?

Dass uns das bei FC-Astoria nicht berührt, ist klar. Aber meine persönliche Meinung ist, dass die Liga reformiert werden muss. Es ist schade, wenn man sieht wie viel Herzblut, wie viel Kraft und wie viel Geld jedes Jahr von den ambitionierten Mannschaften reingesteckt wird.

Es ist echt traurig, dass man dann wegen so einem System daran scheitert. Gerade für Waldhof Mannheim hier in der Region. Ein Aufstieg könnte hier auch noch einmal einen Hype bewirken. Und ganz ehrlich, die gehören da auch hin. Von daher würde ich das auf jeden Fall begrüßen. Ich hoffe, da wird in naher Zukunft etwas entschieden.

Sie haben selbst schon einmal Profi-Luft geschnuppert und für den Karlsruher SC in der Saison 2010/11 ein Zweitliga-Spiel bestritten und auch Einsätze in der 3. Liga bekommen. 2013 haben Sie sich vom Profi-Fußball verabschiedet und sind zu FC-Astoria Walldorf gewechselt. Warum?

Das war damals nicht so geplant, wenn ich ehrlich bin. Ich habe den Fokus darauf ausgelegt, Profi zu sein. Letztlich hat es aber an meiner Einstellung zum Sport gefehlt. Von daher würde ich die Schuld oder das Scheitern gar nicht auf die Trainer schieben, sondern ich war einfach noch nicht reif genug. Dann kam das Pech hinzu, dass ich in meiner ersten Zweitligasaison ein Jahr komplett verletzt ausgefallen bin.

Da macht man sich eben Gedanken über einen Plan B. Damals war ich in Kontakt mit Guido Streichsbier, unserem ehemaligen Trainer bei FC-Astoria (heute Trainer der U18 beim DFB, Anm. d. Red.). Es hätten sich einige Dinge in der 3. Liga noch ergeben können. Mir war es aber wichtiger zu studieren. Somit habe ich ein duales Studium bei SAP begonnen und bin dann auch offiziell zu Walldorf gewechselt.

Nun sieht Ihr Alltag so aus, dass Sie parallel zu Studium und Arbeit drei bis vier Tage pro Woche auf dem Fußballplatz stehen.

Richtig, ich habe mein Studium Ende September abgeschlossen und bin seither bei der SAP festangestellt. Parallel habe ich Minimum viermal die Woche Training und am Wochenende ein Spiel.

Wie kommen Sie mit dieser Doppelbelastung zurecht?

Eigentlich ganz gut, ich merke aber schon den Stress und die Belastung – keine Frage. Ich sehe es immer, wenn wir gegen Mannschaften spielen, die oben mitspielen. Da gibt es einen offensichtlichen Fitness-Unterschied, wobei wir uns auch keinen Vorwurf machen können. Wir haben eben eine andere Philosophie. Einerseits kommt man abends nach der Arbeit und dem Training heim und ist einfach platt, ausgelaugt. Andererseits gewöhnt man sich auch daran.

Gibt es dennoch Tendenzen bei FC-Astoria, dass in Zukunft der Fokus mehr auf dem Fußball liegt? Wird Astoria in den kommenden Jahren um den Aufstieg mitspielen?

Ich kann nur für mich sprechen, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass in den nächsten Jahren eine Veränderung stattfinden wird. Ich glaube, man bleibt dieser Philosophie treu, den Sport berufsbegleitend auszuführen. Das ist natürlich ein bisschen schade, da ich noch ambitioniert bin. Man wünscht sich insgeheim, dass in Walldorf mehr entsteht und die Ansprüche steigen. Wir Spieler haben die Entwicklung aber nicht in den Händen. Doch die Hoffnung stirbt zuletzt.

Abschließend: Sie sind seit längerer Zeit Kapitän der Mannschaft und sagen selbst, dass Sie noch Ambitionen haben. Welche persönlichen Ziele verfolgen Sie?

Gute Frage. Ich will als Kapitän natürlich auch weiterhin auf und außerhalb des Platzes Verantwortung übernehmen. Mehr Tore erzielen und meine Attribute einsetzen, damit wir als Mannschaft in Zukunft auch mal oben angreifen können. Alles heraushauen, was ich habe. Rückblickend will ich schon eine Art Karriere gehabt haben und glücklich darauf zurückschauen können.

Das Gespräch führte Gerrit Kleiböhmer