22.04.2018 12:53 Uhr

Hamburger "Jäger" nehmen "Überlebensfight" an

Der Treffer von Lewis Holtby (l.) macht dem HSV wieder Mut
Der Treffer von Lewis Holtby (l.) macht dem HSV wieder Mut

Der Emotions-Leader des Hamburger SV schickte im Überlebenskampf der Fußball-Bundesliga eine deutliche Ansage an die Konkurrenz. "Ich möchte nicht in der Haut der anderen stecken", sagte Lewis Holtby noch völlig aufgeputscht von seinem Siegtor zum 1:0 (0:0) gegen den SC Freiburg.

"Psychologisch gesehen wäre ich jetzt nicht gerne der Gejagte, sondern ich bin lieber der Jäger", meinte Holtby. Noch immer hat der Tabellen-17. fünf Punkte Rückstand auf den Relegationsrang. Aber zumindest psychologisch hat sich spätestens an diesem Wochenende etwas zugunsten der Hamburger verschoben: Der HSV ist im Aufwind, Trainer Christian Titz hat der Mannschaft eine Spielidee und eine neue Mentalität gegeben.

Mit dem SC Freiburg und dem nächsten Gegner VfL Wolfsburg hat er dagegen gleich zwei Konkurrenten wieder in Reichweite, die aktuell einen desolaten Eindruck hinterlassen. Wie schon in der vergangenen Saison kommt es am nächsten Samstag zu einer Art Abstiegskampf-Endspiel zwischen den "Wölfen" und dem Bundesliga-Dino.

Im Vorjahr behielt der HSV die Oberhand und schickte Wolfsburg in die Relegation. "Wir müssen die Spiele mit dem absoluten Überlebensfight annehmen", sagte Holtby.

"Wir waren abgeschlagen"

Auch diese Aussage zeigt: Der Glaube an das Wunder Klassenverbleib ist beim HSV zurück. Plötzlich erscheinen nach dem zweiten Heimsieg nacheinander alle Abgesänge auf den Traditionsklub verfrüht. "Ich muss meiner Mannschaft ein Kompliment machen. Wir waren abgeschlagen, dann ist es nicht leicht, sich Woche für Woche ranzukämpfen", meinte Trainer Titz. "Wir können jetzt in Wolfsburg wieder in Schlagdistanz kommen, darauf müssen wir uns konzentrieren." Allerdings: Der letzte Auswärtssieg des HSV war am zweiten Spieltag in Köln.

Titz hat für eine Aufbruchstimmung in Hamburg gesorgt. In fünf Spielen holte der 47-Jährige zwei Siege und ein Remis. Abgeschriebene Spieler wie Holtby oder Torwart Julian Pollersbeck sind Leistungsträger, neue Gesichter wie Matti Steinmann und Dribbelfloh Tatsuya Ito bereichern das Team. "Es liegt an uns. Wir haben schon im vergangenen Jahr gezeigt, dass wir das Unmögliche möglich machen können. Das wollen wir jetzt wieder schaffen", sagte Kapitän Gotoku Sakai. "Jedes Spiel ist eine K.o.-Runde."

Die Geschichte macht Hamburg Hoffnung

Mut macht dem HSV ein Blick in das Bundesliga-Geschichtsbuch, Kapitel Aufholjagden: 2011 lag Borussia Mönchengladbach sechs Spieltage vor Saisonende fünf Punkte hinter dem Relegationsrang. Mit 13 Punkten aus sechs Spielen unter Trainer Lucien Favre ging es für die Gladbacher noch in die Relegation, in der sie sich gegen den VfL Bochum durchsetzten.

1994 - damals noch mit der Zwei-Punkte-Regel und ohne Relegation - gelang Freiburg mit Trainer Volker Finke durch drei Siege an den letzten drei Spieltagen noch der Sprung auf den 15. Tabellenplatz. 1. FC Nürnberg musste in die 2. Bundesliga. Wie auch 1999, als sich Eintracht Frankfurt unter Trainer Jörg Berger im wohl dramatischsten Abstiegsfinale mit vier Siegen in Serie und dem legendären 5:1 gegen Kaiserslautern am letzten Spieltag noch rettete.

In der Gegenwart ist der Relegationsrang für den HSV zumindest wieder in Sichtweite, und auch der direkte Klassenverbleib ist noch möglich. Die Freiburger stehen mit 30 Zählern auf dem wichtigen 16. Tabellenplatz, davor sind die punktgleichen Wolfsburger. Die Freiburger sind nach der fünften Niederlage in Serie angeknockt, die Wolfsburger präsentierten sich beim 0:3 in Gladbach desolat.

Dass das HSV-Spiel derzeit auch keine Offenbarung ist, war auch gegen den SCF zu sehen. Erst nach der Pause zeigten die Hamburger den Willen zum Wunder und belohnten sich mit dem Treffer von Holtby (54.) - seinem dritten im fünften Spiel unter Titz. In der ersten Halbzeit konnten sie sich indes bei ihrem Torwart Pollersbeck bedanken, dass sie nicht in Rückstand gerieten.