16.05.2018 15:37 Uhr

Finale in der Heimat: Boateng im "Karten-Stress"

Kevin-Prince Boateng trifft mit Eintracht Frankfurt im Pokalfinale auf die Bayern
Kevin-Prince Boateng trifft mit Eintracht Frankfurt im Pokalfinale auf die Bayern

Kevin-Prince Boateng ist der Leader im Team von Eintracht Frankfurt. Seine Rückkehr nach Berlin wollen viele Bekannte live miterleben - zu viele. Tickets erhielten nur Familie und enge Freunde.

Kevin-Prince Boateng knipste sein funkelndes Lächeln an, die so ersehnte Rückkehr nach Berlin brachte den 31-Jährigen aber auch etwas in die Bredouille. "Ich musste es ganz eng halten, nur Familie und gute Freunde", berichtete Boateng über die zahllosen Ticketwünsche seiner Bekannten: "Wenn ich jeden glücklich gemacht hätte, dann wäre der halbe Block voll."

Den großen Moment will schließlich niemand verpassen, zumal Boateng seiner Heimat nur noch in wirklich besonderen Fällen die Ehre erweist. Denn eigentlich ist der einstige "Bad Boy" gar kein Großstadt-Fan mehr, "ich bin froh, wenn ich ein paar Tage dort bin und dann aber auch wieder raus kann", sagte er am Mittwoch auf einer launigen Pressekonferenz.

Für das DFB-Pokal-Finale am Samstag gegen Bayern München nimmt Boateng jedoch den Rummel um seine Person gerne in Kauf. Es kommt schließlich nicht alle Tage vor, dass der Berliner mit Eintracht Frankfurt die Chance besitzt, in seiner Geburtsstadt Geschichte zu schreiben. Dazu noch gegen das Team seines Bruders Jérôme - der wegen einer Muskelverletzung allerdings fehlen wird.

Boateng: Ohne Jérôme "sind die Bayern etwas schwächer"

"Für die Familie Boateng ist das eine traurige Geschichte. Ich habe ihm direkt nach der Verletzung auch geschrieben", verriet der Führungsspieler der Eintracht, der am Dilemma seines Bruders rein sportlich jedoch Gefallen findet. "Ohne ihn sind die Bayern etwas schwächer. Er ist einer der besten, vielleicht sogar der beste Innenverteidiger der Welt", lobte Boateng.

Und das hat Jérôme, zumindest nach Auffassung von Kevin-Prince, auch dem großen Bruder zu verdanken. Denn ganz egal, ob die beiden nun gemeinsam auf einem Bolzplatz im Problemviertel Wedding kickten oder sich im Urlaub zankten, "Jérôme hat gelernt, seine Ellenbogen auszufahren", sagte Kevin-Prince: "Und er hatte eine Person, die vorangegangen ist, die Fehler gemacht hat." Fehler, die er selbst mittlerweile vermeidet.

Vielleicht ist die Entwicklung von Kevin-Prince, dem heutigen Musterprofi, auch deshalb noch beeindruckender. Der ghanaische Vater verließ die Familie früh für eine andere Frau - Jérômes Mutter. Auf und neben dem Platz schlugen ihm rassistische Beleidigungen entgegen, weshalb er sich auch heute noch gegen Diskriminierung einsetzt. Und im Fußball, der eigentlich als Zuflucht dienen sollte, lief ebenfalls längst nicht alles nach Plan.

Karriere-Wendepunkt in England

Nachdem er 2007 Hertha BSC in Richtung England verlassen hatte, freundete sich Boateng mit den Falschen an. "Die Leute zu bekommen, ist einfacher, als sie loszuwerden", betonte er rückblickend. In der Zeit bei Tottenham Hotspur lieferte Boateng negative Schlagzeilen, die übelsten Erfahrungen aber sollten beim FC Portsmouth erst noch folgen.

"Das war der Wendepunkt in meiner Karriere. Ich wollte mich nicht beschimpfen und fertigmachen lassen", sagte Boateng über die Reaktionen auf das Foul am damaligen DFB-Kapitän Michael Ballack, den Boatengs Grätsche die Teilnahme an der WM 2010 in Südafrika kostete. Auch der Kontakt zu Jérôme brach in dieser Zeit ab, mittlerweile ist die Funkstille längst beendet.

"Wir sind eine ganz normale, intelligente Familie. Deshalb wissen wir: Nach Krieg kommt Frieden", sagte Kevin-Prince Boateng dem Nachrichtenmagazin "Spiegel". Auch deshalb wollen alle teilhaben, wenn der verlorene Sohn mal wieder in der Stadt ist.