22.05.2018 11:44 Uhr

BVB-Coach Favre: "In einer Liga mit Guardiola"

Lucien Favre unterschreibt beim BVB bis 2020
Lucien Favre unterschreibt beim BVB bis 2020

Im zweiten Anlauf wird Lucien Favre doch noch Trainer von Borussia Dortmund. Ihn erwartet eine denkbar schwierige Aufgabe.

Vor einem Jahr platzte der Plan A, Borussia Dortmund griff zum Plan B wie Bosz. Mit zwölf Monaten Verspätung kommt nun doch der damalige Wunschkandidat: Lucien Favre wird beim BVB im zweiten Anlauf der Mann für einen Umbruch in turbulenten Zeiten. Der Schweizer folgt am 1. Juli auf Peter Stöger, weil OGC Nizza dieses Mal bereitwillig die Freigabe erteilte - und als Ablöse rund drei Millionen Euro erhalten soll.

"Borussia Dortmund zu trainieren, ist eine reizvolle Aufgabe, die ich sehr gerne übernehme", sagte der 60-jährige in einem Vereinsstatement. Der BVB ist unterdessen froh, einen renommierten Coach gefunden zu haben, der "große Wertschätzung" genießt.

Favre gilt allerorten als Perfektionist. Taktikbesessen sei er, sagen viele, in der Tat brütet er über den Spielsystemen. Er bevorzugt meistens ein 4-3-3, seine Teams spielen taktisch stabil, flott und ansehnlich. "Die meisten Tore fallen nach ein, zwei oder drei Ballkontakten", sagt Favre. Also: Pressing, Kurzpassspiel, gute Konter, hervorragendes Umschalten. Gemäß seinem Credo: "Die Entwicklung einer Mannschaft ist nie vollendet."

"Abseits des Trainingsplatzes mitunter schwierig"

Ein Bessermacher: Das hörten die Verantwortlichen des BVB gern. Allerdings hat diese Akribie eine Schattenseite. Favre kann arg zögerlich sein, besonders, wenn es um Transfers geht, bei Hertha BSC (2007 bis 2009) und Borussia Mönchengladbach (2011-15) war er auch nicht übertrieben kritikfähig zu erleben. In Gladbach bot er an zu gehen, als es abwärts ging - später trat er via Medien zurück.

Doch seine Qualität ist bei ehemaligen Weggefährten unbestritten. "Favre mag abseits des Trainingsplatzes mitunter schwierig gewesen sein", sagte der frühere Hertha-Manager Dieter Hoeneß der "Welt", "aber auf dem Platz gehört er zu den Besten, dort spielt er für mich in einer Liga mit Pep Guardiola."

Der BVB könne sich auf einen Trainer gefasst machen, der extrem anstrengend sein kann: "Er tat sich damals schwer damit, Entscheidungen in der Kaderplanung zu treffen. Darauf musst du dich als Verantwortlicher einstellen, das kostet Kraft."

Kaderplanung als große Baustelle

Dabei ist die Kaderplanung beim BVB eine, womöglich gar die brachliegende Baustelle. Der Verein hat sich mit Talent geradezu vollgepumpt, dies muss zur Entfaltung gebracht werden.

Noch wichtiger könnte allerdings werden, verdienten Spielern die Tür zu weisen. Die Zukunft von Marcel Schmelzer, Nuri Sahin und Shinji Kagawa ist offen, zu den Wackelkandidaten sind André Schürrle, Jeremy Toljan, Andrey Yarmolenko und Gonzalo Castro zu zählen. Kann Michy Batshuayi nicht gehalten werden, steht im Aufgebot für die kommende Saison vorerst kein gestandener Stürmer.

Die Basis immerhin ist mit dem erneuten Champions-League-Einzug gelegt. Stögers Wert wird voraussichtlich erst später zu erkennen sein: Als Nothelfer eingesprungen, schaffte er es mit einer tief verunsicherten Mannschaft auf letzter Rille in die Königsklasse. Lucien Favre soll nun den Umbruch vollziehen. Als klarer Plan A. Mit zwölf Monaten Verspätung.