11.07.2018 09:59 Uhr

Rapids Athletik-Coach: Ein "harter Knochen"

Rapids Athletik-Coach Toni Beretzki
Rapids Athletik-Coach Toni Beretzki

Der Schweiß spritzt den Spielern des SK Rapid Wien derzeit horizontal heraus. Grund dafür ist natürlich die Vorbereitung auf die neue Saison, also die härteste Trainingsphase im ganzen Jahr. Der oberste Dirigent dieser Periode ist Athletik-Coach Toni Beretzki. 

Der Burgenländer kann auf eine beeindruckende Vita verweisen, denn er ließ unter anderem schon bei zahlreichen österreichischen und amerikanischen Ski-Legenden die Muskeln anschwellen. Auch bei Spartak Moskau legte er den Grundstein für Top-Leistungen. weltfussball hat den überaus interessanten Charakter zum Interview gebeten und so erfahren, wie der Burgenländer tickt, worauf in diesem Sommer besonders viel Wert gelegt wird und warum ein bisschen militärische Härte nicht schaden kann.

Auf wieviel Prozent der körperlichen Leistungsfähigkeit sind die Rapid-Spieler?

Es gibt immer Potenzial nach oben. Egal welches Leistungsniveau du erreicht hast, es gibt immer noch Luft nach oben. Im Gesamtschnitt sind wir nach einem Jahr auf einem sehr guten Weg. Mit der Europa League haben wir die Chance, dass die Jungs auch mental über die Schwelle gehen können.

1965 wechselte Ernst Ocwirk als Coach von Sampdoria Genua zurück zur Wiener Austria. Grundsätzlich hat er bei jedem Wetter mit Trainingsanzug trainieren lassen, trinken durften die Spieler vor einem Match nichts, außer einem Achterl Rotwein. Läuft man Gefahr, dass die heutigen Methoden in 50, 60 Jahren genauso lächerlich wirken wie nun die damaligen?

Das ist der Lauf der Zeit. Genauso wie sich beispielsweise die Technologie entwickelt, entwickelt sich auch die Sportwissenschaft. Wenn wir Stillstand erreichen, könnten wir ja auch nichts zur Disziplin Fußball beitragen. Die Dynamik, wie man sich weiterentwickelt, wird immer schneller. In viel kürzeren Zeitabschnitten müssen wir viel mehr erfassen als früher.

Wer war der härteste Sportler, mit dem Sie gearbeitet haben?

Von der Trainingseinstellung und vom Toleranzpegel gibt es bei den Skifahrern schon ein paar richtige Granitbeißer. In jüngerer Vergangenheit beispielsweise Steven Nyman, den kannst du den Colorado River 60 Kilometer stromaufwärts schicken. Er fragt dich nur, ob mit oder ohne Neoprenanzug. Aber er schwimmt. Martin Stranzl war bei Spartak Moskau auch ein sehr hart trainierender Athlet. Und natürlich die früheren Skifahrer à la Hermann Maier, Stephan Eberharter. Hans Knauß war ein ganz harter Knochen.

Was sollen Fußballer im Urlaub eigentlich machen?

Acht bis zehn Tage müssen sie komplett herunterfahren und wegkommen vom Sport. Damit sich auch das Zentralnervensystem erholen kann und dass man dann wieder den Spaß findet. In der zweiten Hälfte des Urlaubs bekommen sie ein Heimprogramm, bei dem sie sich auf die Mannschaftsvorbereitung einstellen.

Sind sie ein "Schleifer"?

Ich habe schon den Ruf, dass ich Leistung sehen will. Einfach auch, weil ich selber so einer bin, der immer alles gibt. Wenn ich einen Job habe, dann muss ich probieren, hundert Prozent rauszuholen. Im Leistungssport bringen mir 80 Prozent nichts.

Rapid hatte in der vergangenen Saison fast in jedem Spiel für zumindest eine Viertelstunde einen regelrechten Hänger. Kann man das mit der Athletik beantworten? Oder ist das eine mentale Sache?

Statistisch gesehen haben wir im Frühjahr zwischen Minute 70 und 90 die meisten Tore geschossen. Also in der letzten Phase waren wir fitter als der Rest.

Aber in der ersten Viertelstunde hat Rapid die wenigsten Tore geschossen.

Das ist richtig. Es gibt immer ein auf und ab. Natürlich hängt die Konzentrationsfähigkeit auch mit der gesamten Athletik zusammen. Aber es liegt an der individuellen Person, dass man diesen Schweinehund überbrückt und drüber geht. Das muss man von vielen Spielern verlangen können, dass sie über 90 Minuten konstant Leistung bringen. Vor allem, wenn wir international spielen.

Ist das ein Punkt, den man in dieser Vorbereitung besonders behandeln wird?

Zu einem gewissen Grad kann man es steuern. RB Salzburg hat vorgezeigt, dass man über 90 Minuten konstant Leistung bringen kann. Das setzt aber auch voraus, dass man ins Volle greifen kann. Ein Verbesserungspotenzial gibt es bei uns auch bei den Trainingsbedingungen. Deswegen ist ja auch geplant, ein neues Trainingszentrum zu errichten.

Um ihren militärischen Werdegang anzusprechen, ein Soldat muss beispielsweise im Einsatz auch zu jeder Zeit die volle Leistung bringen und kann sich keine Konzentrationsschwächen erlauben, auch wenn er drei Tage nicht geschlafen hat, etc...

Das ist richtig, aber das sind auch andere Voraussetzungen. Man darf die Perspektiven nicht vermischen und unfair werden. Die Spieler sind keine Soldaten, sondern Leistungssportler. Ich glaube, man ist falsch beraten, wenn man die militärische Gangart in den Fußball projiziert.

Dann frage ich anders. Wenn man die ganze Mannschaft ein Jahr lang ins Military Boot Camp in die Sahara schicken würde, würden sie besser zurückkommen?

Ein Training in Richtung Überwindung und ein Erhöhen des Toleranzpegels kann nie schaden. Deswegen gibt es auch Teambuildings, um über die Grenzen hinauszugehen. Wenn man aber einen Fußballer in so ein Camp stecken würde, dann würde man ihm vielleicht auch die Kreativität nehmen. Dann wäre er vielleicht zu sehr ein Roboter. Ein Jahr wäre also zu lange, aber es würde wohl keinem schaden, wenn er es einmal drei Tage oder eine Woche miterleben würde.

Wenn sich ein Fußballspieler drei Minuten nach einer Schwalbe am Boden herumwälzt, denkt sich ein Mann wie Sie, der Spitzenathleten an ihre Leistungsgrenzen und darüber hinaus geführt hat, nicht seinen Teil?

Das ist leider Teil des Gesamtsystems Fußball. Ob man es mag oder nicht. Das gehört irgendwie dazu, du wirst es nicht so schnell hinausbekommen, sondern kannst nur an den Sportsgeist der Spieler appellieren. Aber wenn man es nicht macht, könnte man sich dadurch nicht den einen oder anderen Vorteil erwirtschaften, und das wissen auch alle, die mit Fußball zu tun haben.

Aber bei anderen Sportarten, Eishockey zum Beispiel, ist das komplett verpönt.

Das ist noch eine wahre Männersportart. Da hat man schon das Gefühl, dass die Jungs wirklich etwas haben, wenn sie am Boden liegen.

Abschließend, kann es mit der modernen Trainingsüberwachung, also mit GPS, etc. überhaupt noch einen klassischen "Owezahra" geben?

Es kommt immer auf den Typ an. Einer nimmt es mehr, ein anderer weniger ernst. Ich glaube, dass der Korpsgeist der Mannschaft so einen hohen Anspruch an die, die es nicht so ernst nehmen, erzeugen kann, dass die von selbst draufkommen. Das ist sinnvoller.

Johannes Sturm