14.09.2018 13:37 Uhr

Herrlich greift in Psychologie-Trickkiste

Heiko Herrlich muss auf Charles Aránguiz verzichten
Heiko Herrlich muss auf Charles Aránguiz verzichten

Die hochgelobten Youngster von Bayer Leverkusen stehen vor dem Sturz ans Tabellenende. Vor dem Auswärtsspiel bei Meister Bayern München bleibt Trainer Heiko Herrlich jedoch weiter zuversichtlich.

Heiko Herrlich griff tief in die Trickkiste der Trainer-Psychologie. Bayer Leverkusen drohen der schlechteste Saisonstart seiner Bundesliga-Historie und der erste Sturz ans Tabellenende seit 36 Jahren - also packte der Bayer-Coach seine Spieler vor dem schwerstmöglichen Auswärtsspiel bei Meister Bayern München an der Ehre.

"Die Mentalität, den Willen, die absolute Geilheit, Spiele für sich zu entscheiden und das Beste aus sich rauszuholen - das war in beiden ersten Spielen phasenweise das Problem", sagte Herrlich: "Ich versuche, das vorzuleben, dass man alles schaffen kann, wenn man will. Und das erwarte ich auch von meiner Mannschaft." Die emotionale Ansprache tat Not: Das vielversprechende Projekt rund um die hochbegabten Bayer-Bubis ist unter Herrlich sichtlich ins Stocken geraten.

Dass Bayer nach dem Auftritt in München am Samstag (15:30 Uhr) erstmals seit dem Aufstieg ins Oberhaus im Jahr 1979 nach drei Spielen punktlos dastehen könnte, ist angesichts der Bayern-Stärke kein unwahrscheinliches Szenario. "Wir wollen bei den Bayern etwas mitnehmen. Es wird unheimlich schwer, aber wir werden unsere Chance suchen", sagte Herrlich, der in der schwierigsten Phase seiner Leverkusener Zeit steckt.

Herrlichs Welpenschutz dürfte bald enden

Sollte Bayer gegen München nicht gerade - wie beim 2:6 im Pokal-Halbfinale der Vorsaison - in seine Einzelteile zerfallen, muss Herrlich zwar (noch) nicht um seinen Job bangen. "Dieses nach zwei Spielen infrage stellen, wie lange er noch Trainer bleibt, ist natürlich absoluter Schwachsinn. Das ist eine Hysterie, die nicht zu ertragen ist", hatte Rudi Völler unter der Woche klargestellt. Der mächtige Sport-Geschäftsführer wirkte aber zuletzt deutlich angefressen.

Es ist keine allzu steile These, dass Herrlich den in seiner starken Debütsaison angesammelten Kredit schon zu signifikanten Teilen aufgebraucht hat. Doch spätestens nach dem auf das Bayern-Spiel folgenden Viererpack binnen zehn Tagen mit dem Europa-League-Auftakt bei Ludogorez Rasgrad am kommenden Donnerstag sowie den Bundesliga-Spielen gegen Mainz (23.9.), in Düsseldorf (26.9.) und gegen Dortmund (29.9.) war es das mit dem Welpenschutz für Herrlich.

Der Fehlstart und die frühzeitig ausgebrochene Diskussionen um seine Person haben auch Herrlich, inklusive Interimslösungen bereits der elfte Trainer der Völler-Ära (seit 2005), kalt erwischt. "Vor 180 Spielminuten waren wir gefühlter Zweiter, da konnten wir uns gar nicht gegen wehren", sagte er: "Wir haben Potenzial. Das müssen wir aber nicht nur sagen, sondern auch zeigen."

Rasselbande muss liefern

Um die blutjunge offensive Mittelfeldreihe mit Julian Brandt (22), Leon Bailey (21) und Kai Havertz (19) beneidet Herrlich Fußball-Europa. Nun ist er aber darauf angewiesen, dass die Rasselbande bereits jetzt auf hohem Niveau die Mannschaft führt. Zumindest Brandt (Tor beim 2:1 gegen Peru) und Havertz (Debüt im A-Team) bringen von der Nationalmannschaft frisches Selbstvertrauen mit.

Beim Gastgeber FC Bayern herrscht nach dem Trainerwechsel auf Niko Kovac eine in diesem Ausmaß nicht unbedingt erwartete Ruhe. Schon nach dem zweiten Spieltag grüßte der Abonnement-Meister von der Tabellenspitze, der Kader wurde sinnvoll ausgedünnt, und bis auf den verletzten Kingsley Coman steht Kovac das gesamte Personal zur Verfügung.

"Leverkusen hat im Moment null Punkte. Wenn es ein wenig anders gelaufen wäre, hätten sie aber jetzt sechs. Davon lassen wir uns nicht blenden", sagte Kovac, der selbst drei Jahre für Bayer spielte. Seinem Amtskollegen Herrlich sprang er zur Seite: "Es ist ein Unding, wenn man einen Trainer nach zwei Spielen infrage stellt."