24.09.2018 13:02 Uhr

Damals: Der "Schlächter von Bilbao" trifft Maradona

Diego Maradona im Dress des FC Barcelona
Diego Maradona im Dress des FC Barcelona

"Ich habe das Gefühl, dass wir Freiwild sind", prangerte Niko Kovac, Trainer von Fußball-Bundesligist FC Bayern München, unlängst die harte Gangart der Kontrahenten des Rekordmeisters an, FCB-Präsident Uli bezeichnete ein folgenschweres Foul sogar als "geisteskrank" - gut, dass die Bayern nie Bekanntschaft mit dem "Schlächter von Bilbao" machen mussten.

Andoni Goikoetxea schnürte von 1975 bis 1990 - einer Zeit also, in der beim Kontaktsport Fußball häufiger ein Auge zugedrückt wurde - die Schuhe im spanischen Oberhaus, kassierte acht Platzverweise und beendete beinahe die Karriere von Diego Maradona. 

Am 24. September 1983 gastiert Goikoetxea mit dem amtierenden Meister Athletic Bilbao beim FC Barcelona. Das Duell zwischen den Fußball-Schöngeistern aus Katalonien und den hartgesottenen Haudegen aus dem Baskenland stellt zu dieser Zeit die Kirsche auf der Sahnetorte Primera División dar, Bilbao läuft den hohen Erwartungen an diesem Tag allerdings meist hinterher.

Bernd Schuster, Diego Maradona und Co. wirbeln im prestigeträchtigen Barca-Dress nach Belieben durch die Reihen der Gäste, zur Halbzeit steht es bereits 2:0, die Massen im Camp Nou feiern überschwänglich die Demontage des Titelträgers - dann weicht der Jubel betretenem Schweigen. Was war passiert?

"Ein Geräusch, wie Holz, das bricht"

Diego Maradona spitzelt das Leder über den Rasen, als Goikoetxea im Rücken des Edeltechnikers angeflogen kommt; das Bein gestreckt, den hochbegabten linken Unterschenkel des argentinischen Spielmachers gnadenlos im Visier. Es kommt zum Unvermeidlichen Zusammenstoß: Maradona hebt ab, prallt aufs Grün, verharrt geschockt am Boden, greift sich ans Bein und sackt in sich zusammen - heutzutage obligatorische weitere Rollen bleiben aus, stattdessen geht es für Maradona umgehend in den OP. 

"Ich spürte den Schlag, ich hörte ein Geräusch, das klang, wie Holz, das bricht", erinnert sich Maradona später in seiner Biographie "El Diego" an die Attacke. 

Die bittere Diagnose: Der Knochenhöcker am unteren Ende des Wadenbeins ist zertrümmert, das innere Außenband gerissen, das Fußgelenk ausgekugelt. Die Folgen reichen jedoch noch weiter: Wütende Barca-Fans decken den Mannschaftsbus von Bilbao mit Steinen ein und Barca-Coach César Luis Menotti fragt die Medien: "Muss erst jemand sterben?". Goikoetxea, der knapp zwei Jahre zuvor bereits Schuster das Knie zertreten hatte, wird endgültig zum Hassobjekt der Katalanen und zum "Schlächter von Bilbao".

Auch sportlich hat der Vorfall für Goikoetxea und Bilbao ein Nachspiel. Da Referee Bartolomé Jiménez Madrid "keine Absicht" erkennt und nur die Gelbe Karte zückt, schreitet das Sportgericht ein und zeigt keine Gnade. Goikoetxea wird für satte 18 Spiele aus dem Verkehr gezogen.

Maradona verabschiedet sich mit Massenschlägerei

Ein Umstand, der den knallharten Verteidiger zu einem kuriosen Schritt veranlasste. Die Schuhe, mit denen er sein Foul beging, sind mittlerweile in Akryl eingebettet in Goikoetxeas Haus ausgestellt. Laut eigener Aussage nicht zuletzt als Mahnmal für die Hetze, die er damals ertragen musste.

Dass das Foul auch beim heißblütigen "Goldjungen" Maradona Spuren hinterlassen hat, wird 224 Tage später - Maradona steht seit fast vier Monaten wieder auf dem Platz, Goikoetxeas Sperre ist Geschichte - deutlich.

Im Finale des spanischen Pokals treffen Barca und Athletic aufeinander, der 1:0-Erfolg der Basken gipfelt in einer Massenschlägerei, nachdem der in der Partie immer wieder überhart attackierte Maradona völlig seine Nerven verliert. Der Argentinier tritt wie von Sinnen auf Gegenspieler und Betreuer ein und verabschiedet sich so unrühmlich aus Barcelona. 

Nach der Final-Pleite wechselt Maradona zum SSC Neapel, wird zum "Göttlichen" und endgültig zur Legende.