10.10.2018 12:10 Uhr

Spanien-Check: Stolpernde Giganten, aufmüpfige Underdogs

Für Lionel Messi und den FC Barcelona läuft die Saison noch nicht nach Plan
Für Lionel Messi und den FC Barcelona läuft die Saison noch nicht nach Plan

FC Barcelona, Real Madrid oder vielleicht auch mal wieder Atlético Madrid? Auch in Spanien sind die Kräfteverhältnisse im Grunde mehr als klar verteilt und ein Meister fernab dieser drei Giganten nicht vorstellbar. Und dennoch thront mit dem FC Sevilla nach acht Spieltagen ein Underdog an der Spitze.

Dies ist allerdings nicht sonderlich der Stärke Sevillas (16 Punkte) geschuldet – auch die Andalusier haben schon zweimal gegen kleinere Teams verloren – sondern eher der Schwäche der Großen Drei: Alle drei Favoriten konnten lediglich vier der acht Spiele gewinnen und reihen sich damit mit einem (Barça) bzw. zwei Punkten (Real und Atlético) Rückstand hinten an.

In Barcelona wird vor allem die ungewohnt löchrige Defensive für zuletzt neun liegen gelassene Punkte verantwortlich gemacht – seit sechs Ligaspielen wartet Keeper ter Stegen auf ein Zu Null. Als Sündenbock musste zuletzt Gerard Piqué herhalten, sogar Ärger mit Lionel Messi soll der Welt- und Europameister wegen seiner schwankenden Leistungen schon gehabt haben.

Während es bei Barça hinten drückt, zwickt es bei Real Madrid im Offensivbereich. Nach vielversprechendem Start ist der Sturm ohne den abgewanderten Cristiano Ronaldo zuletzt völlig erlahmt: Vier Spiele in Serie ohne Tor gab es bei den Königlichen seit 33 Jahren nicht.

Wer ist die Überraschung der bisherigen Saison, wer die größte Enttäuschung? Welcher Spieler schrieb positive Schlagzeilen, wer steht in der Kritik? weltfussball liefert die Antworten:


  • Die Überflieger: CD Alavés

Eben jener Sechstplatzierte CD Alavés ist wohl die größte Überraschung der noch jungen Saison. Die Zeiten, in denen der Klub aus dem Baskenland im UEFA-Cup-Finale 2001 dem FC Liverpool spektakulär 4:5 unterlag, sind längst vorbei. Inzwischen müht sich der kleine Verein jedes Jahr um den Klassenerhalt und muss mit einem der geringsten Etats in LaLiga auskommen.

Letzte Saison standen die Blau-Weißen nach acht Spieltagen mit sieben Niederlagen ganz unten drin und konnten sich erst durch eine starke Rückrunde retten. Nun pirscht sich das Team von Barça-Legende Abelardo mit meist knappen Ergebnissen und viel Kampfgeist nach vorn. Höhepunkt: Der 1:0-Sieg in der Nachspielzeit gegen Real Madrid am vergangenen Wochenende, der das ganze Baskenland explodieren ließ.

  • Die Tiefflieger: FC Valencia

Valencia bleibt eine Mannschaft des Auf und Ab. Der Ex-Meister landete 2016 und 2017 jeweils nur auf einem peinlichen 12. Platz und schien in die Bedeutungslosigkeit abzustürzen. Dann führte Trainer Marcelino ein Team ohne Stars letztes Jahr in einer bärenstarken Saison zurück in die Champions League. Dementsprechend wurde die Mannschaft vielversprechend verstärkt (Batshuayi, Gameiro, Cheryshev, etc.) und sollte sich im Spitzen-Quartett etablieren.

Und dann dieser Saisonstart. Aus acht Spielen gab es bisher lediglich einen Sieg. Zwar hatten Los Ché auch erst einmal das Nachsehen, aber schon sechs Remis sind viel zu wenig, um oben anzugreifen.

Mit bisher lediglich sechs Toren stellt man den zweitschlechtesten Sturm der Liga, die Automatismen fehlen noch völlig. Vor allem das in der letzten Spielzeit so gefürchtete Umschaltspiel muss sich wieder finden. Bislang sind Vorstand und Trainer noch geduldig – aber die Fledermäuse stehen bereits früh unter Druck, was das traditionell nervöse Umfeld schon aufhorchen lässt.

  • Der Aufsteiger: André Silva

Cristiano Ronaldo himself bezeichnete André Silva bereits nach nur einer guten Saison in Porto als legitimen Nachfolger von CR7. Spritzig, spielstark und eiskalt im Abschluss – mit diesen Vorschusslorbeeren wechselte er im Sommer 2017 zu Milan und sollte dort seine Weltkarriere in einem zusammengekauften Team vorantreiben. Das ging mächtig schief, André Silva erzielte nur zwei Tore und sollte in diesem Sommer schnell wieder weg.

Der FC Sevilla, traditionell mit einem feinen Näschen für Transfers gesegnet, griff zu und lieh den Portugiesen für ein Jahr aus. Kaum zurück auf der iberischen Halbinsel, startet Silva durch und erzielte schon sieben Treffer in acht Ligaspielen für die Andalusier. Darunter ein viel umjubelter Doppelpack beim 3:0 gegen Real Madrid.

  • Der Absteiger: Arturo Vidal

Mit großen Ambitionen war Arturo Vidal in diesem Sommer von Bayern zum FC Barcelona gewechselt. Nach alles in allem starken Jahren in Italien und Deutschland wollte der Aggressive Leader nach dem Abgang Iniestas die Chefrolle im Mittelfeld der Katalanen übernehmen – und mit ihnen möglichst erstmals den Henkelpott in den Himmel stemmen.

Während letzteres Szenario zumindest nicht unwahrscheinlich ist, scheint die Sache mit der Unverzichtbarkeit in der Zentrale gerade gewaltig zu wanken. Nach lediglich 176 von 990 Minuten machte er zuletzt seinem Unmut auch öffentlich Luft: "Wie kann man zufrieden sein, wenn man nicht spielt? Gerade ich als Spieler, der immer gekämpft und immer in den besten Mannschaften der Welt gespielt hat", moserte Vidal kürzlich im Kreise der Nationalmannschaft. Ein Ende seiner Misere ist derzeit nicht abzusehen.

Johann Mai