31.10.2018 14:03 Uhr

Unvermögen? Pech? Darum kommt Schalke nicht in Fahrt

Schalke kommt in dieser Saison einfach nicht in Fahrt
Schalke kommt in dieser Saison einfach nicht in Fahrt

Nach dem katastrophalen Saisonstart mit fünf Bundesliga-Pleiten hat sich der FC Schalke 04 einigermaßen berappelt. Dennoch kommen die Knappen vor dem schwierigen DFB-Pokalspiel bei Zweitliga-Spitzenreiter 1. FC Köln am Mittwoch nicht in Fahrt. Die katastrophale Chancenverwertung ist ein Grund dafür, aber bei weitem nicht der einzige.

Schon in der Vorsaison hat der Zweck beim FC Schalke 04 die Mittel geheiligt. Die Vizemeisterschaft war ein Resultat von harter Arbeit und größtenteils unansehnlichem Ergebnisfußball.

Dass die Königsblauen sich spielerisch allerdings sogar noch rückwärts entwickeln würden, hätte wohl kaum jemand für möglich gehalten. Doch das Team von Trainer Domenico Tedesco tritt aktuell den Gegenbeweis an.

Beim 0:0 in Leipzig am vergangenen Wochenende brachten die Schalker Profis nur 56 Prozent der Pässe an den Mitspieler. So ungenau hat in dieser Saison noch kein Bundesligateam gepasst.

Und auch wenn die Knappen es mal mit Ball in die gegnerische Hälfte schafften, kam dabei nicht viel raus. Zwei Torabschlüsse in 90 Minuten, beide nach Standards, standen am Ende zu Buche.

Tedesco und Heidel rechtfertigen Anti-Fußball von Schalke

Tedesco verteidigte seine ausschließlich destruktive Strategie nach dem Gruselkick in der Red Bull Arena. "Wir hatten einen guten Plan, den Matchplan haben wir gut umgesetzt", betonte der Trainer.

Sportvorstand Christian Heidel sprang ihm zur Seite: "Das sah nicht attraktiv aus, aber trotzdem hatten wir in der ersten Halbzeit Chancen und sind zufrieden."

Mit der defensiven Leistung konnte Schalke zuletzt auch durchaus leben. Die Abwehr steht wieder annähernd so sicher wie im Vorjahr, blieb in den letzten sechs Spielen fünfmal ohne Gegentor.

Nur steht die Null eben meistens auch vorne. Ganze neun Tore hat Schalke in 13 Pflichtspielen erzielt. Mittlerweile ist man seit 307 Minuten ohne Treffer.

Tedesco bemängelt Chancenverwertung der Schalke-Profi

Das Manko kennt natürlich auch Tedesco. Der Coach schiebt das Problem allerdings weniger auf die fehlende spielerische Entwicklung seines Teams, sondern macht die Misere vielmehr an der Chancenverwertung fest. "Ich müsste mir Sorgen machen, wenn wir keine Chancen hätten", so der 33-Jährige.

Natürlich hat Tedesco mit seiner Aussage nicht ganz Unrecht. Alleine Breel Embolo vergab bei den torlosen Auftritten in Istanbul in der Champions League und Leipzig mehrere hunderprozentige Chancen.

Hätte der inzwischen nicht mehr unumstrittene Rekord-Einkauf sie genutzt, würde auf Schalke jetzt wohl eitel Sonnenschein herrschen.

Fakt ist aber auch, dass das Auslassen guter Möglichkeiten natürlich besonders dann auffällt, wenn man sich kaum welche herausspielt.

Tedescos taktisches Korsett lähmt Schalke

Im Mittelfeld fehlt es Königsblau an Kreativität und Ballsicherheit, um Chancen kreieren. Und auf das schnelle Schalker Umschaltspiel nach Ballgewinnen hat die Liga sich längst eingestellt.

Fraglich bleibt, ob Schalke eigentlich anders und besser spielen könnte, wenn es wollte. Die Antwort lautet: Es müsste eigentlich gehen.

In Leon Goretzka und Max Meyer verließen den Klub vor der Saison zwar zwei spielstarke Akteure. Mit Nabil Bentaleb, Amine Harit, Suat Serdar oder Sebastian Rudy ist aber noch mehr als genug Potenzial im Mittelfeld vorhanden. Nur können die Spieler dieses im engen taktischen Korsett Tedescos derzeit kaum entfalten.

Schalke in dieser Saison mit grauenhaften Statistikwerten

Mangelnde Chancenverwertung und taktische Zwänge sind aber nur zwei von vielen Gründen für die Stagnation auf Schalke.

Zahlen belegen, dass der Schuh ebenso an ganz anderen Stellen drückt. Auch in Sachen Einsatzbereitschaft, im Vorjahr noch Grundlage des Erfolges, lassen die Statistiken zu wünschen übrig.

Besonders auffällig ist die prozentuale Anzahl gewonnener Zweikämpfe. Im Vorjahr führte Schalkes Naldo diese Statistik in der Bundesliga an (74,1 Prozent gewonnene Duelle), derzeit ist Neuzugang Salif Sané auf Rang 22 zweikampfstärkster Schalker.

Er entscheidet 63,97 Prozent seiner direkten Duell für sich, ein allenfalls mittelmäßiger Wert für einen Verteidiger.

Zudem ist die vergleichsweise schwache Laufleistung der Knappen bemerkenswert. Nur Rang 15 steht im ligaweiten Kilometervergleich zu Buche. Durchschnittlich 114,35 Kilometer laufen die Schalker Profis pro Partie. Bayer Leverkusen kommt als fleißigstes Team auf 120,11 Kilometer.

Dass Schalke sich die wenigsten Eckbälle überhaupt erspielt und der bislang enttäuschende Neuzugang Sebastian Rudy auf Liga-Rang 96 passsicherster Schalker ist, hängt natürlich auch mit dem System Tedescos zusammen. Der Anspruch eines Vizemeisters muss aber eigentlich ein anderer sein.

Platz der Schalker Knoten gegen den 1. FC Köln?

Eines ist angesichts dieser langen Schalker Mängelliste klar: Langsam aber sicher muss sich etwas tun. Auch der nach der Vorsaison noch hochgelobte Tedesco muss sich hinterfragen.

Ohne spielerische Weiterentwicklung werden auf lange Sicht auch die Erfolge ausbleiben. Stellschrauben hat der Coach genug, um das königsblaue Boot wieder auf Kurs zu bringen.

Im Pokal in Köln braucht Schalke zwangsläufig einen Treffer, um erfolgreich zu sein. Sollte das wieder nicht gelingen, können sich die Tedesco-Schützlinge bei der Tormaschine der zweiten Liga (24 Treffer) vielleicht wenigstens ein paar Ideen abschauen.

Lennart Wegner