08.12.2018 13:44 Uhr

"Komisch, hier zu sein": Superclásico am falschen Ort

Mit großem Tamtam verabschiedeten die Boca-Fans ihre Mannschaft gen Madrid
Mit großem Tamtam verabschiedeten die Boca-Fans ihre Mannschaft gen Madrid

Allzu groß war die Umstellung für die Boca Juniors dann gar nicht. Starstürmer Carlos Tévez grinste breit, als er aus dem Teambus ausstieg und Dutzende johlende und hüpfende Fans vor dem Mannschaftshotel erblickte, die blau-gelben Schals wirbelten durch die Luft. Alles wie immer eigentlich. Doch nicht ganz: Denn der lautstarke Empfang fand nicht in der Heimat Buenos Aires, sondern in Madrid statt. Und die Spieler hatten einen über elfstündigen Flug in den Knochen, um endlich das Rückspiel um den Titel in der Copa Libertadores zu bestreiten.

Rund 10.000 km von der Keimzelle aller Rivalität entfernt streiten am Sonntag im Estadio Santiago Bernabéu, wo Real Madrid als amtierender König Europas regiert, River Plate und Boca Juniors um Südamerikas Klubkrone. Doch die Entscheidung, das Stadtderby von Buenos Aires zwischen dem Klub der Arbeiterklasse und Los Millonarios nach den Krawallen vom 24. November ins Ausland zu verlegen, stößt nicht auf viel Gegenliebe.

"Komisch, hier in Madrid zu sein", sagte Boca-Präsident Daniel Angelici nach der Landung. Der 54-Jährige setzte auch noch auf spanischem Boden bis kurz vor dem Spieltag alle juristischen Hebel in Bewegung. Nach der Abfuhr durch die Berufungskammer der Disziplinarkommission des südamerikanischen Fußballverbandes CONMEBOL für den Versuch, sich den Titel am Grünen Tisch zusprechen zu lassen, schaltete der sechsmalige Libertadores-Cup-Champion inzwischen schon den Internationalen Sportgerichtshof CAS ein. Sollte Boca das Match in Madrid verlieren, geht das Duell damit in der Schweiz auch noch in die sportrechtliche Verlängerung.

Desaster für den Superclásico

Von Harmonie kann auch auf dem Rasen keinerlei Rede sein. Nicht zuletzt, weil eine Attacke von River-Fans mit Wurfgeschossen auf den Boca-Teambus vor dem eigentlich geplanten Rückspiel das nicht nur am Rio de la Plata als "Superfinal" angepriesene Endspiel der Copa Libertadores zur Farce gemacht hat. Dabei hatte das 2:2 im ersten Duell noch alle elektrisiert.

Gerade für die CONMEBOL ist der Superclásico ein Desaster. Der Verband agierte am tragischen Wochenende chaotisch mit Verzögerung, Verschiebung und erst dann endgültiger Absage. Und nun also die Flucht nach Madrid.

"Wir treffen in Spanien die Neutralität an, die wir gesucht haben. Madrid hat alles, was für die Partie nötig ist", sagte CONMEBOL-Boss Alejandro Domínguez: "Spanien ist das Land mit der größten argentinischen Gemeinde außerhalb der Heimat. Madrids Flughafen hat die meisten Verbindungen nach Lateinamerika."

Buenos Aires sperrt Stadien gegen Public Viewing

Für die Sicherheitskräfte in Madrid ist der Argentinien-Klassiker schlicht "das Aufeinandertreffen mit dem größten Risiko in der Geschichte der Stadt", wie die Zeitung "El País" schrieb. Deshalb kommen mehr Polizisten zum Einsatz als beim spanischen Clásico zwischen Real und dem Erzrivalen FC Barcelona. Ein Sicherheitsgürtel zwischen den beiden rivalisierenden Fangruppen soll Ausschreitungen verhindern.

Wenigstens können in Argentinien gebliebene Anhänger einen Sieg ihres Klubs wie gewohnt im Herzen von Buenos Aires feiern: Der "Obelisco" auf der zentral gelegenen Plaza de la Republica wurde von den Behörden für den Fan-Ansturm des neuen Libertadores-Cup-Gewinners freigegeben.

Allerdings müssen die in den Stadien der Vereine geplanten Public-Viewing-Events ausfallen: Wegen der brisanten Sicherheitslage verweigerte der Sicherheits-Chef der Hauptstadt die Erlaubnis und sperrte die beiden Arenen.