15.01.2019 16:01 Uhr

Bosz bei Bayer: Drahtseilakt mit BVB-Note

Peter Bosz hält bei Bayer an dem System fest, mit dem er beim BVB gescheitert war
Peter Bosz hält bei Bayer an dem System fest, mit dem er beim BVB gescheitert war

Bei Borussia Dortmund scheiterte Trainer Peter Bosz nach nur sieben Monaten. Nun wagt er bei Bayer Leverkusen einen zweiten Anlauf in der Fußball-Bundesliga. Doch hat der Niederländer aus seinen Fehlern beim BVB gelernt?

"Ich war noch nicht fertig", kommentierte der 55-Jährige seine Rückkehr in die deutsche Beletage: "Ich wollte zurück in die Bundesliga. Die Zeit in Dortmund war viel zu kurz. Ich glaube, die Menschen hier haben noch nicht den richtigen Trainer Peter Bosz gesehen."

Als Nachfolger des kurz vor Weihnachten entlassenen Heiko Herrlich soll Bosz die Werkself wieder in die Erfolgsspur bringen, das ganze Potenzial aus dem jungen Kader schöpfen. Doch unter dem Bayerkreuz hält Bosz wohl an dem System fest, mit dem er in Dortmund scheiterte - und geht dabei erneut ein großes Risiko ein!

Beim BVB wurde Bosz nach nur 24 Pflichtspielen im Dezember 2017 vor die Tür gesetzt. Nach einem grandiosen Saisonstart folgte ein desaströser Abstieg. Die Westfalen rutschten auf den siebten Tabellenplatz ab und verabschiedeten sich zudem sang- und klanglos aus der Champions League.

Nach insgesamt neun sieglosen Pflichtspielen in Folge wurde Bosz durch den Österreicher Peter Stöger ersetzt. Der BVB gab später sogar zu, bei der Verpflichtung von Bosz "daneben gelegen" zu haben.

BVB-Abwehr zerfällt in ihre Einzelteile

Auf der Suche nach Ursachen für den Einbruch der Borussen landet man zwangsläufig bei der riskanten Taktik von Bosz. Der 55-Jährige setzte stets auf ein offensives, schnelles und pressingbetontes 4-3-3-System. Das aggressive Gegenpressing birgt natürlichen enorme Risiken für die Defensive, wie der BVB schmerzlich zu spüren bekam.

Doch selbst als die Abwehr des BVB zerbröckelte und sich spielerisch in ihre Einzelteile zerlegen ließ, hielt Bosz stur an seinem System fest - einen Plan B hatte er nicht.

Bosz' Scheitern allerdings alleine an seinem hartnäckigen Beharren an seiner Taktik festzumachen, wäre falsch. Den BVB beschäftigten damals Zeit viele Nebenschauplätze. Das Attentat auf den Mannschaftsbus geisterte noch in den Köpfen der Spieler herum, ständige Wechsel-Gerüchte um Pierre-Emerick Aubameyang und der erstreikte Abschied von Ousmane Dembélé sorgten für enorme Unruhe.

Bosz' System passt zum jungen Kader von Bayer Leverkusen

"Vielleicht war ich zu naiv", gestand Bosz einige Monate nach seiner Entlassung beim niederländischen Sender "RTL 7". Doch bei Bayer Leverkusen will der Coach erst einmal an seiner risikoreichen Taktik festhalten.

Der Kader gebe das passende "Material" für seine Idee vom Fußball her. "Für mich ist wichtiger, welche Spieler ich zur Verfügung habe und wie man mit ihnen am besten attraktiven, offensiven Fußball spielen kann", so der Übungsleiter.

Bosz' 4-3-3-System scheint in der Tat perfekt zur Werkself zur passen. Der junge, als hochbegabt geltende Kader der Leverkusener verfügt über die Eigenschaften, die für den Spielstil des 55-Jährigen unabdingbar sind: größte Fitness, enormer Mut und gedankenschnelle Entscheidungen.

Hinzu kommt, dass der Spielstil für viele Leverkusen-Profis kein komplettes Neuland ist. Schon unter Ex-Coach Roger Schmidt setzte die Werkself auf ein sehr offensives Pressing.

Taktik-Kniff von Bosz: Außenstürmer wechseln die Seiten

Die jüngsten Testspielergebnisse zeigen, dass das Bosz-System durchaus greifen kann. In Spielen gegen die beiden niederländischen Klubs Twente Enschede und PEC Zwolle sowie den Drittligisten Preußen Münster erzielte Leverkusen zehn Tore und kassierte nur zwei Gegentreffer.

Gerade die beiden Außenstürmer Leon Bailey (3 Treffer) und Karim Bellarabi, sowie Julian Brandt (2 Assists) trumpften auf ungewohnter Position groß auf.

Bosz setzte auf einen besonderen Taktik-Kniff: Der Niederländer ließ Linksfuß Bailey über rechts und Rechtsfuß Bellarabi über links, also seitenverkehrt, auflaufen. Dadurch erhofft sich Bosz eine noch höhere Torgefahr.

Außerdem spielte Julian Brandt neben seinem Nationalmannschaftskollegen Kai Havertz im offensiven Mittelfeld. Das Duo gilt als ballsicher, verfügt über die Fähigkeit, im Falle eines Ballverlustes blitzschnell umzuschalten und das Spielgerät möglichst schnell zurückzuerobern.

"Das Mittelfeld ist der Schlüssel für mich, es ist das Metronom", benannte Bosz die wichtigste Position in seinem System.

Doch auch wenn die Bayer-Spieler scheinbar perfekt zur Strategie von Bosz passen: Durch das hohe Verteidigen bleibt die Gefahr der brandgefährlichen Kontersituationen bestehen!

Leon Bailey schwärmt vom Bosz-System

Dennoch kommt die neue Taktik bei den Spielern sehr gut an. "Das ist genau mein Spielstil. Ich bin ein Offensivspieler, der vorne den Unterschied ausmachen kann", schwärmte Bailey: "Wir adaptieren das neue System schnell und auch, wenn noch viel Arbeit vor uns liegt, sind wir auf dem richtigen Weg."

Auch Bosz ist daran gelegen, sein System behutsam zu etablieren. "Die Fehler, die ich bei Dortmund gemacht habe, muss ich nicht in Leverkusen wiederholen, sondern aus dieser Erfahrung lernen", erklärte der ehemalige Nationalspieler.

Doch mehr als punktuell wird Bosz seine Strategie wohl nicht anpassen. "Ich glaube nicht an Zwischenformen", sagte der 55-Jährige einst. Ob er tatsächlich aus seinen Fehlern beim BVB lernt, bleibt abzuwarten. Es bleibt ein Rest-Risiko.

Lissy Beckonert