15.03.2019 14:18 Uhr

Löw rechtfertigt Aus der FCB-Stars

Nach Rauswurf der Stars des FC Bayern: Pressekonferenz mit Joachim Löw im Live-Ticker
Nach Rauswurf der Stars des FC Bayern: Pressekonferenz mit Joachim Löw im Live-Ticker

Fußball-Bundestrainer Joachim Löw hat auf die Kritik an der Ausbootung der Münchner Weltmeister mit Unverständnis reagiert.

"Wir haben sie nicht verbannt, und sie haben nichts verbrochen", sagte Löw am Freitag in der DFB-Zentrale in Frankfurt am Main. "Ich finde es befremdend, wenn manche über Respekt und Wertschätzung urteilen, obwohl sie gar nicht beim Gespräch dabei waren. Zeit ist auch kein Indikator für die Qualität eines Gesprächs." 

Bei der Kader-Nominierung für die Länderspiele gegen Serbien in Wolfsburg (20. März) und gegen die Niederlande in Amsterdam (24. März/EM-Qualifikation) sprach Löw von "allerallergrößter Wertschätzung und Dankbarkeit" gegenüber Jérôme Boateng, Thomas Müller und Mats Hummels. "Emotional ist mir das wahnsinnig schwer gefallen. Diese Spieler sind mir auch als Menschen enorm wichtig." Er habe mit allen nochmals "in aller Ruhe telefoniert".

Dabei hätten Müller und Hummels ihm mitgeteilt, dass sie trotz Löws Ansage "weiter zur Verfügung stehen". Am Dienstag vergangener Woche hatte Löw den Bayern-Weltmeistern eröffnet, dass er die Zukunft der Nationalmannschaft ohne sie plant. Das bekräftigte er am Freitag.

DFB-Präsident Grindel nicht in Entscheidung involviert 

Nach anfänglichem Lob für seine Konsequenz gab es Kritik von vielen Seiten am Stil - unter anderem von Müller und Bayern-Verantwortlichen, aber auch von den Nationalspielern Leon Goretzka und Joshua Kimmich.

DFB-Präsidenten Reinhard Grindel war vorab nicht über die Ausbootung informiert. Nationalmannschaftsdirektor Oliver Bierhoff habe dies am Vormittag der Mitteilung telefonisch übernommen, berichtete Löw.

"Sportliche Entscheidungen treffe ich autark. Ich habe die absolute Entscheidungshoheit", stellte Löw klar. "Warum wir manche Leute nicht informiert haben: Der Kreis war klein, Oliver Bierhoff plus mein Trainerteam." Seine Aufgabe sei, Entscheidungen mit Bierhoff abzusprechen: "Er war involviert."

Löw nominiert Eggestein, Klostermann und Stark

Zehn Tage nach der überraschenden Ausmusterung der Münchner Ex-Weltmeister nominierte der Bundestrainer Hertha-Verteidiger Stark, den Leipziger Abwehrspieler Klostermann und den Bremer Mittelfeldspieler Eggestein in sein 23-köpfiges Aufgebot.

Der Leipziger Defensiv-Spezialist Marcel Halstenberg, der sein Länderspiel-Debüt schon im November 2017 gegen England (0:0) gab, kehrt nach langer, auch durch Verletzung bedingter Pause ins Aufgebot zurück. Der angeschlagene Julian Draxler von Paris Saint-Germain fehlt.

Auf den Kölner Zweitligaspieler Jonas Hector, der sich zuletzt mit einem grippalen Infekt plagte, und den Schalker Sebastian Rudy verzichtet Löw. Matthias Ginter von Borussia Mönchengladbach soll trotz einer Muskel-Blessur am Montag anreisen, wenn Löw seinen Kader in Wolfsburg zwei Tage vor dem Serbien-Spiel versammelt.

Manuel Neuer ist derzeit weiter der Stammtorwart der DFB-Elf. "Ich habe meine Aussage nicht irgendwie verändert", sagte Löw: "Manuel Neuer ist aktuell unsere Nummer eins." Aber auch der 32 Jahre alte Kapitän müsse "bei uns Leistungen bringen", ergänzte Löw.

Der Konkurrenzkampf würde auch die Torhüter-Position betreffen, bemerkte Löw: "Marc-André ter Stegen, der mittlerweile genauso auf Weltklasseniveau agiert, wird seine Chancen bekommen. Die werde ich ihm einräumen, dann wird man sehen." Der beim FC Barcelona seit Monaten stark spielende ter Stegen setzt darauf, dass es auch bei den Torhütern einen Neuanfang im DFB-Team geben müsse.


Die einzelnen Aussagen von Bundestrainer Joachim Löw zum Nachlesen:

+++ Löw über die Rolle und Kritik von Kimmich und Goretzka +++

"Ich traue beiden Spielern zu, in Zukunft führende Rollen einzunehmen. Dafür haben sie die fußballerische Qualität und auch den Charakter. Aber das ist auch eine Entwicklung. Da gehört dazu, dass man nicht mehr nur auf sich guckt, sondern auf das große Ganze. Ich habe mit Joshua seitdem nochmal telefoniert und er hat mir erklärt, wie seine Kritik gemeint war. Da ging es eher um einen würdigen Abschied der Weltmeister." 

+++ Löw für die Schlussfolgerungen aus dem deutschen Champions-League-K.o. +++

"Dass wir jetzt alle enttäuscht sind, ist klar. Wir wurden da in den letzten Jahren einfach ein Stück weit überholt. Wir haben uns viele Gedanken gemacht, auch hier beim DFB. In puncto Ausbildung müssen wir da einfach etwas verändern, das ist auch schon seit Längerem ein Thema. Aber aus körperlicher Sicht ist die Grenze schon sehr weit ausgereizt. Das Spiel ist sehr schnell geworden und wir müssen geraden im kognitiven Bereich die Spieler besser ausbilden."  

+++ Löw über die Überraschung von DFB-Chef Grindel über die Entscheidung +++

"Ich treffe meine sportlichen Entscheidungen absolut autark. Das war die letzten Jahre immer so. Meine Aufgabe ist es dann, meine Entscheidungen mit Oliver Bierhoff abzusprechen. Das haben wir auch getan."

+++ Löw über die Art und Weise der Kritik der Spieler +++

"Das ist dann auch ein bisschen Interpretations-Journalismus. Ich weiß, wie das gemeint war. Es gab Kritik von den Spieler, aber für mich war das einfach wichtig, es so zu machen."

+++ Löw über das Fehlen von Götze +++

"Wir haben vorne und auf den Halbpositionen aktuell sehr gute Spieler. Ich habe schon realisiert, dass Mario in den letzten Wochen einige teils sehr gute Spiel gemacht hat. Für diese beiden Spiele war er aber jetzt noch kein Thema."  

+++ Löw zur Rolle von Manuel Neuer +++

"Der Manuel Neuer ist aktuell unsere Nummer Eins und unser Kapitän. Marc-André ter Stegen ist inzwischen aber auch auf einem Weltklasse-Niveau und wird bei Testspielen seine Chance bekommen. Auch ein Manuel Neuer muss natürlich seine Leistung bringen."

+++ Löw erläutert Zeitpunkt für seine Entscheidung +++

"Ich hatte mir nach der WM erhofft, dass die Mannschaft mal eine richtige Trotzreaktion zeigt. Dass man jetzt einige Spieler aussortieren muss, hat sich keineswegs angedeutet. Wir hatten dann die Nations League vor Augen, das war so ein auf und ab. Für mich war das jetzt der richtige Zeitpunkt: Es ist an der Zeit für Veränderungen. Wenn ich vorausschaue, muss ich mir auch überlegen, wen ich bei der EM in den zentralen Rollen sehe. Junge Spieler müssen da jetzt auch ein Stück weit hereinwachsen."  

+++ Löw spürt keinen öffentlichen Druck +++

"Ich treffe meine Entscheidungen nicht auf Grundlage von dem, was von mir erwartet wird. Ich treffe die Entscheidungen aus Überzeugung und lasse mich da nicht beeinflussen."

+++ Löw über die Social-Media-Reaktion der Spieler +++

"Ich habe den Spielern im Gespräch schon gesagt, dass es unsere Pflicht ist, das auch den Medien mitzuteilen und dass wir da etwas vorbereiten. Dass dann nach der Enttäuschung eine Reaktion kommt, ist klar." 

+++ Löw erklärt seine Spielidee +++

"Natürlich wollen wir bei unserer dominanten Spielweise bleiben. Wir müssen aber unser Spiel dahin gehend verändern, dass wir wieder mehr Dynamik und Zielstrebigkeit ins Spiel bekommen. Bei der WM und auch danach war unser Spiel zu berechenbar. Wir hatten viele langsame Ballbesitzphasen, bei denen wir nicht ausreichend versucht haben, ins letzte Drittel zu kommen. Wir brauchen dafür auch Spieler, die schneller sind und Situationen schnell auflösen können." 

+++ Löw stellt klar: Keine Verbannung +++

"Die Spieler waren am Ende des Gesprächs natürlich wahnsinnig enttäuscht und Mats und Thomas haben wir auch nochmal mitgeteilt, dass sie weiter für die Nationalmannschaft zur Verfügung stehen. Ich kann nicht sagen, was im einem Jahr ist. Die Spieler sind nicht verbannt, ich plane aber erstmal ohne sie.""

+++ Löw: "Wollte ehrlich sein" +++

"Ich habe mit Jérôme und Thomas in aller Ruhe nochmal telefoniert. Die gegenseitige Wertschätzung ist nach wie vor vorhanden. Wenn jemand so viele Länderspiele gemacht hat, hat er auch verdient, zu verstehen, wie ich denke. Ich habe ihnen dann gesagt, dass ich den nächsten Zyklus bis zur EM ohne sie plane. Ich möchte solchen Spielern einfach mit Ehrlichkeit begegnen.  

+++ Klostermann, Eggestein und Stark mit dabei +++

"Das sind drei junge Spieler, die teilweise noch für die U21 spielberechtigt sind. Für mich war es wichtig, dass sie mal bei uns reinschnuppern. Wir wollten auch mal einen Eindruck im Training gewinnen."

+++ Entscheidung war schwer +++

"Ich kann Ihnen schon versichern, dass auch mir das unheimlich schwer gefallen ist, weil mir die Spieler nicht nur als Fußballer, sondern auch als Mensch viel bedeuten. Meine Aufgabe als Trainer ist es aber dann eben auch Entscheidungen für die Zukunft zu treffen. Wir wollen jungen Spielern jetzt mehr Verantwortung geben. Ob sie diese Verantwortung rechtfertigen, muss man sehen. Das wird Zeit brauchen, aber ich bin zuversichtlich. 

+++ Löw erklärt Hintergründe seiner Entscheidung +++

"Für mich persönlich war es das Wichtigste, dass wir die Spieler in einem persönlichen Gespräch informieren. Das stand für mich an oberster Stelle. Ich wollte nicht, dass da irgendwo etwas im Vorfeld durchsickert. Natürlich haben wir zunächst den Trainer und die Verantwortlichen beim FC Bayern mit ins Boot genommen. Sie sollten es auch von mir persönlich erfahren. Ich finde es etwas befremdlich, wenn Andere dann im Nachhinein über das Gespräch oder die Wertschätzung urteilen, ohne dabei gewesen zu sein.

+++ Löw über den Grund für die PK +++

"Ich wollte die Nominierung zum Anlass nehmen, um ein paar Dinge aus meiner Sicht zu schildern. Für uns steht ab März jetzt ein neuer Zyklus an bis zur EM 2020. Für mich als Trainer ist es unumgänglich, uns zu überlegen, in welcher Richtung es gehen soll.  

+++ Gerüchte um Eggestein und Stark +++

Schon vor der offiziellen Verkündung des Aufgebots überschlugen sich die Gerüchte über mögliche Personalien. Der "Sportbuzzer" meldete, dass Maximilian Eggestein von Werder Bremen im Kader steht, laut der "Bild" ist Niklas Stark von Hertha BSC mit dabei. Auf Mario Götze verzichtet Löw aber angeblich erneut. Ob sich das bewahrheitet, bleibt aber abzuwarten.  

+++ Die PK verspätet sich +++

Die Pressekonferenz des DFB verzögert sich. Neuer Starttermin ist 13 Uhr. Wie der DFB schreibt, ist eine Verspätung bei der Deutschen Bahn für die Verzögerung verantwortlich. Steckt Löw etwa noch auf dem Weg fest?

+++ Wer ersetzt Mats Hummels, Jérôme Boateng und Thomas Müller? Kehrt Mario Götze ins DFB-Team zurück? +++

Es ist davon auszugehen, dass mehrere Debütanten den Sprung in den Kader für die ersten Länderspiele des Jahres 2019 schaffen werden. Zu den Kandidaten zählen Maximilian Eggestein (Werder Bremen), Niklas Stark (Hertha BSC) und Danny da Costa (Eintracht Frankfurt). Ein alter Bekannter wird ebenfalls gehandelt: Mario Götze könnte nach starken Leistungen für den BVB sein Comeback im DFB-Team geben.

+++ Joachim Löw unter Beschuss: Kritik vom FC Bayern und aus dem DFB +++

Nachdem Löw seine Entscheidung gegen Mats Hummels, Jérôme Boateng und Thomas Müller öffentlich machte, hagelte es Kritk. Besonders Verantwortliche und Spieler des FC Bayern nahmen kein Blatt vor den Mund. 

"Letztendlich ist es die Entscheidung des Bundestrainers. Dass es drei unserer Weltmeister trifft, ist für uns ärgerlich", sage Trainer Niko Kovac gegenüber "Sky": "Die Endgültigkeit ist in meinen Augen nicht richtig. Drei Weltmeister müssen unterm Strich selber entscheiden, wann sie aufhören." Joshua Kimmich erklärte: "Aus Spielersicht muss ich sagen: Die Art und Weise war nicht okay." Mannschaftskollege Leon Goretzka meinte ebenfalls: ""Man kann mit Sicherheit über die Art und Weise streiten."

"Man kann alles geschickter lösen - auch das", sagte Franz Beckenbauer bei "Sky". Auch Teammanager Jürgen Klopp vom FC Liverpool erklärte: "Dass sie gar nicht mehr in der Auswahl sind, habe ich nicht verstanden. Das muss mir mal jemand erklären."

In DFB-Kreisen wird laut "FAZ" die Frage aufgeworfen, ob Löw mit dem offensichtlichen Alleingang seine Kompetenz überschritten habe. Liga-Chef Reinhard Rauball sprach gegenüber Grindel "Defizite" in dieser Sache an, ein klärendes Gespräch mit Nationalmannschaftsdirektor Bierhoff ist anberaumt.