31.03.2019 11:03 Uhr

"Carlo il biondo" Schnellinger wird 80

Karl-Heinz Schnellinger und sein ehemaliger Wegbegleiter Günter Netzer im Juni 2015
Karl-Heinz Schnellinger und sein ehemaliger Wegbegleiter Günter Netzer im Juni 2015

Karl-Heinz Schnellinger bestritt vier Fußball-Weltmeisterschaften für Deutschland, aber seit vielen Jahrzehnten ist Italien seine zweite Heimat. Am Sonntag vollendet der gebürtige Dürener sein 80. Lebensjahr.

Ginge es nach Karl-Heinz Schnellinger, wären Profi-Fußballern Tattoos strengstens verboten. "Ich finde sie einfach schrecklich, doch sie gehören zur heutigen Fußballwelt. Ich würde sie verbannen", betont der 47-malige deutsche Fußball-Nationalspieler und viermalige WM-Teilnehmer.

Der Realist Schnellinger vollendet am Sonntag sein 80. Lebensjahr und beobachtet mit distanziertem Humor die Geschehnisse im Fußball. "Heute regiert das Geschäft, im Vergleich dazu waren wir damals in den 1970er Jahren Amateure", äußert der einstige Weltklasse-Abwehrspieler im Interview mit dem "Sport-Informations-Dienst".

Schnellinger spielte in einem Zeitalter Fußball, das noch nicht so von den Medien diktiert wurde. Doch sein Tor bei der WM 1970 in Mexiko zum 1:1 im Jahrhundertspiel gegen Italien im Estadio Azteca von Mexiko-Stadt ist zum Mythos geworden. In der Nachspielzeit des WM-Halbfinales 1970 gegen die Azzurri erzwang der Italien-Legionär mit seinem Tor die Verlängerung und ermöglichte damit erst das wohl legendärste Spiel der Fußball-Geschichte (3:4 n.V.).

Tor im Jahrhundertspiel macht Schnellinger berühmt

"Ausgerechnet Schnellinger", sagte "ARD"-TV-Live-Kommentator Ernst Huberty damals. Auf das Tor wird Schnellinger in seiner Wahlheimat Italien, wo er seit über 50 Jahren lebt, immer wieder angesprochen. "Dieser Treffer hat sich fest in den Erinnerungen der Menschen verankert. Es ist ein Tor, das einfach so kommen musste. Es hat das Spiel unglaublich spannend und unvergesslich gemacht", berichtet der auf dem Apennin als "Carlo il biondo" (Karl, der Blonde) bekannte Schnellinger.

Sein Treffer machte ihn weltweit berühmt. "Für mich war es einfach der Beweis, dass ich ein guter Profi war. Ohne dieses Tor hätte man mich vergessen", sagt er. 1962 wurde Schnellinger mit dem 1. FC Köln deutscher Meister und anschließend Fußballer des Jahres, danach ging er nach Italien. Nach je einer Saison beim FC Mantua und dem AS Rom wechselte er zum AC Mailand, wo er in neun Jahren acht Titel gewann, darunter drei Europapokale.

Schnellinger war einer der ersten Italien-Legionäre in einer Zeit, in der nur die wenigsten Fußballer sich ins Ausland wagten. "Wir haben damals Pionierarbeit geleistet. Im Gegensatz zu Deutschland konnte man in Italien als Fußballer wirklich gut verdienen. Es war das Geld, das mich zum Sprung nach Italien bewogen hat", gesteht Schnellinger, der mit seiner deutschen Frau nach wie vor in Mailand lebt.

Schnellinger: Joachim Löw braucht Zeit

Seine drei Töchter sind in Italien groß geworden. Italien ist Schnellingers Wahlheimat, die italienische Staatsbürgerschaft hat er aber nie angenommen. Ob er sich als Deutscher oder Italiener fühlt? "Ich fühle mich als Europäer!"

Nach Deutschland kehrt er kaum noch zurück: "Ich habe dort keine Verwandte mehr, und meine besten Freunde sind in Italien." Mit Spielern seiner Zeit wie Fabio Cudicini, Alberto Bigon und Giovanni Lodetti ist er immer noch in Verbindung. Mit ihnen diskutiert er gerne auch die Spiele der deutschen Nationalmannschaft. "Joachim Löw ist dabei, die Nationalelf neu aufzubauen. Man muss ihm aber Zeit lassen, so etwas geht nicht von heute auf morgen", sinniert er.

Von den jungen Spielern wünscht sich Schnellinger, dass sie weniger "Theater" machen sollen. "Sie sollten nicht bei jedem Foul umfallen", scherzt Schnellinger. Dass er nach Ende seiner Spielerkarriere nicht beim Fußball geblieben ist, bereut der frühere Abwehrspieler nicht: "Wäre ich Trainer geworden, hätte ich immer noch viel herumreisen müssen, dann wäre ich nie zu Hause gewesen, das wollte ich nicht mehr mitmachen."

"Carlo il biondo" ist halt auch sehr gerne Familienmensch.