03.04.2019 08:50 Uhr

Dorsch exklusiv: "Besondere Geschichte" gegen Bayern

Niklas Dorsch freut sich auf das Duell im DFB-Pokal gegen den FC Bayern
Niklas Dorsch freut sich auf das Duell im DFB-Pokal gegen den FC Bayern

Wenn heute Abend im DFB-Pokal in der Münchner Allianz Arena zwischen dem FC Bayern und dem 1. FC Heidenheim der Ball rollt, dann ist das für Niklas Dorsch eine ganz besondere Partie. Sechs Jahre lang wurde der Mittelfeldspieler in der Jugend des deutschen Rekordmeisters ausgebildet, wurde Kapitän im Nachwuchsteam des FCB und erzielte unter der Ägide von Jupp Heynckes gleich in seinem ersten Pflichtspiel für die Profi-Mannschaft den Führungstreffer.

Zu Beginn der aktuellen Saison schloss sich Dorsch schließlich dem 1. FC Heidenheim an. Dort stieg der U20-Nationalspieler zur Stammkraft auf und trifft nun im Viertelfinale des DFB-Pokals ausgerechnet auf seinen Ex-Klub. weltfussball hat exklusiv mit dem 21-Jährigen gesprochen.

Herr Dorsch, wie sehr fiebern Sie dem DFB-Pokal entgegen?

Niklas Dorsch: Sehr! Wenn ich zurückblicke, war das Spiel gegen Leverkusen (2:1) sicherlich eines der absoluten Highlights in meiner Karriere. Das war schon der absolute Wahnsinn. Vor allem, weil wir mit 0:1 in die Halbzeit gegangen sind und das Spiel noch gedreht haben. Das haben wir einfach top gemacht und es war am Ende auch verdient.

Was ist Ihr Geheimnis?

Das ist die besondere Teamfähigkeit. Ich hatte zuvor noch nie erlebt, wie viel man über den Teamgeist noch herausholen kann. Hier ist jeder für jeden da, jeder ist bereit, alles für den anderen reinzuhauen. Und auch wenn es weh tut, noch einen draufzulegen. Das ist echt brutal hier, im positiven Sinne. 

Nun geht es im DFB-Pokal ausgerechnet nach München: Wie viel bedeutet Ihnen dieses Spiel? 

Es bedeutet mir viel, weil ich eine persönliche Bindung zum FC Bayern habe. Trotzdem muss ich solche Spiele angehen, wie jedes andere auch. Denn ich neige dazu, es in solchen Partien etwas zu übertreiben mit dem Ansporn. 

Gar keine Frage: Wenn man sechs Jahre beim FC Bayern gespielt hat und sich die Wege trennen, dann ist es natürlich eine ganz besondere Geschichte, im DFB-Pokal-Viertelfinale gegen den Ex-Verein spielen zu dürfen. 

Eine spezielle Motivation brauchen Sie demnach nicht ...

Richtig! Ich versuche das Ganze möglichst sachlich anzugehen. Überehrgeiz ist kein probates Mittel. Das Kribbeln kommt sowieso, wenn man vor so vielen Leuten spielt. 

"Krasser Außenseiter gegen den FC Bayern"

Wie groß schätzen Sie Ihre Chancen ein, zumal Sie auswärts in der beeindruckenden Allianz Arena ran müssen?

Ach, was solls. Dann nehmen wir eben das volle Erlebnis mit (lacht). Ich schätze es ähnlich ein wie gegen Leverkusen. Da waren wir auch schon der krasse Außenseiter. Wir wissen aber, was uns stark macht und wie wir Bayern wehtun können. Das heißt, dass man natürlich Respekt hat, aber sich nicht einscheißt, egal gegen wen man spielt. Dann ist alles möglich. Man darf sich nicht verstecken. Auch nicht mit Ball.

Da kommt dann auch auf mich eine wichtige Aufgabe zu: Wenn wir den Ballbesitz haben, brauchen wir Ruhe und müssen den richtigen Rhythmus hineinbringen. Eines ist klar: Wir fahren auf jeden Fall nicht nach München, ums uns abschießen zu lassen. 

Ein Rückstand macht Ihnen jedenfalls erst einmal nicht zu schaffen ...

Das stimmt. Wir wissen, dass man auch in München in Rückstand geraten kann. Aber die Frage ist, wie man dann weiter macht. Und da sind wir in dieser Saison besonders stark. 

Wie viel Kontakt besteht noch nach München? 

Gerade zu Trainern aus dem Jugendbereich gibt es noch Verbindungen. Auch zu einigen ehemaligen Mitspielern gibt es noch Kontakt. Mats Hummels hat mir nach der Auslosung kurz geschrieben, Josh Kimmich hat sich gemeldet. Auch mit Niklas Süle gab es Nachrichten. Den Kontakt möchte ich auch weiter pflegen, schließlich waren das alles Jungs, die mir viel geholfen haben und denen ich dankbar bin. 

Was sagen Sie denn zur DFB-Ausbootung von Hummels und Co.?

Das hat mich schon überrascht. Vor allem für die jungen Spieler, die aus dem DFB-Nachwuchs hochrücken, finde ich es besonders schade, dass solche verdienten Spieler nicht mehr dabei sind, denn ich weiß, wie sehr sie dir als junger Spieler helfen können. Aufgrund dessen finde ich es schade. Und auch aus fußballerischer Sicht haben die Jungs Qualitäten, die man nicht mehr so oft in Deutschland vorfindet. 

Wenn Sie auf die drei Profi-Trainer während Ihrer Bayern-Zeit blicken: Welcher hatte den größten Einfluss auf Sie?

Pep Guardiola hat am meisten vorbeigeschaut und genau hingeguckt. Er ist am kritischsten mit der Jugend umgegangen, hat sich aber im Gegenzug auch immer neue Spieler hinzugeholt und versucht, diese zu verbessern. Carlo Ancelotti hingegen war das Ganze eher egal. Und über Jupp Heynckes muss ich ja nicht viel sagen. Wir wissen ja alle, wie gut er mit jungen Spielern umgegangen ist. 

Wird der FC Bayern in dieser Saison Meister?

(Überlegt lange) Ja! Ich bin mir sicher, dass sie das Spiel gegen Dortmund gewinnen und auf Dauer in der Lage sind, die bessere Leistung zu bringen. Wenn der BVB etwas Druck bekommt, wird es schwer für die Borussia. Die Bayern hingegen sind das gewohnt.

Bayern-Etikett ist kein Thema mehr

Schauen wir mal auf Ihren neuen Klub: Welche Ziele haben Sie noch für den Endspurt mit dem 1. FC Heidenheim? Es sind nur vier Punkte zu Platz drei. Wie sehr ist der Aufstieg ein Thema bei Ihnen?

Um ehrlich zu sein, gar nicht! Wir haben uns von Anfang an nur damit beschäftigt, den Klassenerhalt zu sichern. Dass es so gut läuft, konnte man von vornherein nicht wissen. Jetzt spielen wir einfach so weiter und was dann am Ende dabei rauskommt, sieht man dann. Und so nehmen wir es auch. Aber wir sagen jetzt nicht: Wir wollen unbedingt aufsteigen oder Dritter werden. Wir wollen einfach so viele Punkte sammeln wie möglich. 

Kribbelt es nicht doch ein bisschen beim Blick auf die Tabelle?

Hätten wir gegen den 1. FC Magdeburg am letzten Wochenende drei Punkte geholt, würde es vielleicht schon wieder ganz anders aussehen. Aber nochmal: wir machen uns keinen Druck und wir sind auch nicht traurig, wenn wir nicht Dritter werden. Wir wollen die Tabellensituation festigen und nicht mehr abrutschen.

Wenn wir mal auf Sie persönlich blicken: Wie bewerten Sie Ihre ersten neun Monate im Profi-Fußball? 

Es war interessant zu sehen, wie es in der 2. Bundesliga abläuft. Wenn Du vom FC Bayern kommst und dort schon die Gelegenheit hattest, unter höchsten Bedingungen mitzutrainieren oder sogar zu spielen, dann ist die zweite Liga schon etwas anderes. Hier kommt es sehr aufs Körperliche an, auf die Mentalität. Das sind aber auch Sachen, die du ohnehin im Profifußball brauchst. Und je eher du dir diese aneignest, desto besser. Mir ist es extrem leichtgefallen, hier anzukommen. Das habe ich auch den ganzen Menschen hier zu verdanken. Ich habe dann versucht, das auf dem Platz zurückzugeben. Das ist mir in dem ein oder anderen Spiel auch ganz gut gelungen. So will ich weitermachen. Ich bin da noch lange nicht am Ziel. 

Wie sehr hängt noch das Bayern-Etikett an Ihnen?

Intern im Verein und auch im Umfeld ist das kein Thema mehr. Am Anfang wollen die Leute alles wissen. Zum Beispiel, wie die früheren Mitspieler waren. Das ist ja ganz normal. Trotzdem war für mich klar: seit ich hier bin, bin ich Spieler vom 1. FC Heidenheim. Das habe ich versucht, sofort umzusetzen und so wurde ich auch sofort akzeptiert. 

Wo sehen Sie Ihre größte Stärke?

Ich denke, dass ich meine Qualitäten auf dem Platz am besten am Ball einbringen kann. Wie ich mitbekommen und gesehen habe, lag der Hauptfokus im letzten Jahr hier in Heidenheim nicht komplett auf dem fußballerischen Element. Seitdem ich hier bin, bekomme ich oft die Rückmeldung, dass wir vermehrt versuchen, fußballerische Lösungen zu finden. Und da versuche ich natürlich auch voranzugehen. Wenn man vom FC Bayern kommt, will man immer den Ball haben, will immer Fußball. Auf diese Weise will ich mich einbringen. Ich glaube, es hilft vielen Mitspielern, weil sie wissen, dass dort jemand ist, der den Ball möchte, der anspielbar ist und mit dem Spielgerät auch etwas anzufangen weiß. Dieses Gefühl versuche ich meinen Mitspielern zu geben. Natürlich haue ich mich aber auch bei der Arbeit gegen den Ball voll rein. 

An welchen Schwächen müssen Sie noch arbeiten?

Wenn man aus der Wohlfühl-Oase vom FC Bayern kommt, dann war man in einer Art Scheinwelt, in der man Bedingungen hatte, die man sonst in Deutschland nicht noch einmal vorfindet. In diesem Fall ist der Schritt in die 2. Liga schon groß und ungewohnt. Deshalb gibt es einige Dinge, an denen ich noch arbeiten kann. Zum Beispiel am Körperlichen: Englische Wochen mit drei Spielen in Folge spüre ich körperlich schon noch. Oder auch am Torabschluss: In der letzten Saison war ich deutlich torgefährlicher als dieses Jahr. Das ist auch ein Punkt, an dem ich mich verbessern muss und möchte. Das sind Dinge, bei denen mir der Trainer hilft und mir Wege aufzeigt. 

Toni Kroos ist Dorschs großes Vorbild

Immer wieder kommt der Vergleich mit Toni Kroos auf. Ist er Ihr größtes Vorbild?

Ja, das stimmt schon. Er war der Spieler beim FC Bayern, zu dem ich in der Anfangszeit hochgeguckt und mit dem ich mich beschäftigt habe. Natürlich auch, weil ich auf seiner Position spiele. Wenn man sieht, wie er vieles spielerisch löst und was er alles erreicht hat, dann schaue ich mir gerne etwas ab. 

Können Sie sich denn auch den Schritt ins Ausland vorstellen? 

Ich bin offen für alles. Aber erstmal mache ich mir gar keine Gedanken darüber. Ich bin froh, jetzt erstmal einmal die ersten Schritte im Profifußball zu tun. Für die Zukunft kann das natürlich ein Thema sein, aber das ist weit, weit weg. 

Wie sieht Ihr Plan für die nächsten Jahre aus?

Das kann ich nur schwer beantworten, das ist heutzutage schwierig zu sagen. Man weiß ja kaum, was im nächsten Jahr ist. Die Fußballwelt ist so schnell geworden, so dass man mit wenigen guten Spielen plötzlich bei einem Spitzenverein landet oder aber abrutscht. Deswegen wage ich, keine Prognosen abzugeben. Aber es gibt natürlich Ziele, die man sich setzt. So wie vermutlich jeder Spieler möchte ich irgendwann einmal in der Champions League spielen. Aber ich habe keine genauen Jahreszahlen im Kopf, wann ich etwas erreichen will. Ich habe hier in Heidenheim noch einen Vertrag bis 2021.

Sie haben zuletzt ein starkes Comeback in der U20 gefeiert: Welche Ziele haben Sie mit der Nationalmannschaft?

Das ist ein bisschen wie mit dem Ziel, mal in der Champions League zu spielen. Ich will natürlich gern A-Nationalspieler sein, irgendwann. Seit der U15 war ich in jedem Jahr mindestens einmal dabei. Wenn du dann mitbekommst, wie im Ausland als deutscher Nationalspieler wahrgenommen wirst, dann ist das schon eine große Ehre. Deswegen ist mein nächstes Ziel, den Schritt jetzt in die U21 zu gehen. Und dass es da ganz schnell gehen kann in die A-Mannschaft, hat sich ja zuletzt gezeigt. Aber ein Schritt nach dem anderen. Es ist nämlich ein weiter Weg. Und ich weiß, wie schwer es ist. 

Beim FC Bayern waren Sie Kapitän. Wie gern übernehmen Sie Verantwortung?

Ich habe zwar jetzt zuletzt in der U20 Verantwortung übernommen und habe der Mannschaft weitergeholfen. Aber ich merke auch, wenn ich dann nach Heidenheim zurückkomme, dass hier ganz andere Größen am Ruder sind. Zum Beispiel ein Sebastian Griesbeck. Spieler wie er haben das Zeug und die Erfahrungen, unsere Mannschaft in verschiedenen Situationen zu führen. Deshalb nehme ich mich ein Stück weit zurück und gucke mir einiges ab. Natürlich auch von Schnatti (Marc Schnatterer), der hier schon seit über zehn Jahren aktiv ist, kann man sich einiges abschauen, was Führungsqualität angeht. 

Ich bin ein Spieler, der immer Verantwortung übernehmen will. Ob es dann zum Kapitän reicht oder nicht, ist völlig egal. Du kannst auch als Nicht-Kapitän vorweggehen. Vor allem in meiner Position aus dem Zentrum heraus. 

Was hätten Sie eigentlich gemacht, wenn es nicht zum Profi-Fußballer gereicht hätte?

Es war schon eines meiner Ziele, den Weg so zu gehen, wie ich es jetzt getan habe. Aber trotzdem muss man sich natürlich am Ende der Schulzeit Gedanken machen, was man tut, wenn es nicht klappt. Deshalb habe ich verschiedene Praktika gemacht, vor allem im sozialen Bereich, mit kleinen Kindern und auch im Altenheim. Das fand ich extrem interessant. Natürlich wäre das nicht der bestbezahlte Job gewesen. Aber darum ging es mir nicht. Es hat mir einfach Spaß gemacht, das hätte ich mir als Beruf vorstellen können.

Das Gespräch führte Chris Rohdenburg