22.10.2019 14:33 Uhr

FC Bayern ohne Süle: Wie löst Kovac das Abwehrpuzzle?

Wer vertritt Niklas Süle beim FC Bayern?
Wer vertritt Niklas Süle beim FC Bayern?

Erst der späte Ausgleich des FC Augsburg, dann die bittere Gewissheit, der FC Bayern muss die restliche Saison ohne Abwehrchef Niklas Süle auskommen: Den vergangenen Samstag würde der deutsche Rekordmeister wohl am liebsten aus dem Kalender streichen.

Die Münchner müssen ihren zuletzt ohnehin löchrigen Abwehrverband neu formieren. sport.de hat einen Blick auf die Optionen der Bayern geworfen.

  • Jérôme Boateng: Notnagel wider Willen

Dass Boateng für Süle in die Bresche springt, ist auf den ersten Blick die logische Lösung. Als Stammspieler führte der gebürtige Berliner die Bayern 2013 zum Triple und das DFB-Team 2014 auf den WM-Thron. Der enorme Druck in München ringt dem 31-Jährigen folglich höchstens noch ein Lächeln ab, die Erfahrung aus über 500 Partien auf höchstem Niveau spricht ohnehin für sich.

Boateng wäre der perfekte Süle-Vertreter, hätte die Sache nicht einen dicken Haken: Kopf und Herz des Defensivspielers sind längst nicht mehr unzertrennlich mit dem FC Bayern verbunden.

Nach einem Lustlos-Auftritt bei der Übergabe der Meisterschale bezeichnete Bayern-Präsident Uli Hoeneß seinen Schützling im Sommer 2019 als "Fremdkörper" und legte ihm nahe, er solle "sich einen neuen Verein suchen". Der langjährige Leistungsträger weilt letztlich nur noch an der Isar, da ein Wechsel zu Juventus Turin im letzten Moment platzte. 

Seitdem stand Boateng immerhin in drei von acht Ligaspielen in der Startelf. Dass die Bayern dabei lediglich einen unrühmlichen 3:2-Erfolg gegen den SC Paderborn feiern konnten, dient nicht als Werbung für Boateng. Coach Niko Kovac bekräftigte zwar, er habe "absolutes Vertrauen" in Boateng. Dass dieser jedoch unlängst seinen Berater wechselte und einem Abschied weiter positiv gegenüber stehen soll, spricht Bände.


Mehr dazu: "Wechselwilliger" Boateng verärgert den FC Bayern


  • Lucas (Hin- und Her)nández

Die Bundesliga-Rekordablöse von 80 Millionen Euro überwiesen die Bayern vor der Saison für die Dienste von Lucas Hernández an Atlético Madrid, angelten sich damit einen Weltmeister und schürten große Erwartungen. Der 23-jährige Franzose konnte bislang jedoch noch nicht wirklich überzeugen.

In der Liga kam der Linksfuß zweimal in der Abwehrmitte und viermal als Linksverteidiger zum Einsatz, gewann jedoch lediglich überschaubare 54 Prozent seiner Zweikämpfe und strahlte mit gerade einmal drei Flanken kaum Gefahr in der Offensive aus.

Ein Umstand, der sich auch in der Benotung des Hoffnungsträgers widerspiegelt. Beim zurückliegenden 2:2 in Augsburg "verdiente" sich der Hoffnungsträger von sport.de sogar eine fünf.

Zugute halten muss man Hernández, dass er nicht unbedingt einen Start nach Maß erwischte. Die Vorbereitung verpasste er verletzt, die wechselnden Einsätze auf links oder in der Mitte des Abwehrverbands machen es schwierig, schnell Routine zu bekommen. Auf das Süle-Aus dürften allerdings weitere Experimente folgen, gerade Hernández' Vielseitigkeit spricht daher eher dagegen, dass er fest in die Mitte rückt.

  • Benjamin Pavard: Unerwartet unersetzlich?

Dass der FC Bayern 35 Millionen Euro für Benjamin Pavard auf den Tisch legte, überraschte durchaus. Dass der 23-Jährige als Stammkraft mit Frankreich den WM-Titel gewann, verblüffte ebenso und dass der Defensiv-Allrounder in München bislang kaum eine Minute verpasst hat, hat wohl kaum ein Experte vorausgesagt.

Nach dem Ausfall von Süle dürfte klar sein, dass Pavard auch künftig kaum Auszeiten bekommt, sein Hoheitsgebiet dürfte jedoch weiterhin vorwiegend die rechte Defensivseite bleiben. Der Durchbruch gelang Pavard 2017/18 beim VfB zwar als Innenverteidiger, seit der WM scheint seine Zukunft jedoch rechts zu liegen. 

Zumal Pavard bei Bayern auch ungeahnte Offensiv-Fähigkeiten aufblitzen lässt. In zwölf Einsätzen war der Senkrechtstarter an drei Toren beteiligt (1 Treffer/2 Vorlagen). Zum Vergleich: In 88 Partien für den VfB Stuttgart kam Pavard nur auf zwei Assists und zwei Tore.

Gegen Augsburg zog Kovac zwar Joshua Kimmich von der Sechs zurück nach rechts hinten und schob Pavard in die Mitte. Das Remis spricht jedoch nicht unbedingt für eine Wiederholung.

  • Javi Martínez: Der spanische Ruhepol

Nachdem das spanische Bayern-Urgestein in der laufenden Saison fünfmal eingewechselt wurde (dreimal als Innenverteidiger, zweimal in defensiven Mittelfeld) feierte Javi Martínez gegen Augsburg sein Startelf-Comeback. Angeblich hatte sich Hoeneß zuvor für einen Einsatz des 31-Jährigen auf der Sechs stark gemacht.

Durch die Verletzung von Süle dürften weitere Partien von Beginn an folgen. Seitdem Martínez im Sommer 2012 nach München wechselte, musste der Iberer immer wieder in der Abwehrmitte aushelfen, einen schlechten Eindruck hinterließ er dabei äußerst selten.

Für Martínez als Süle-Ersatz spricht zudem die enorme Ruhe, die der Weltmeister von 2010 ausstrahlt. Eine Stärke, die der zurzeit verunsicherten Defensive gut zu Gesicht stehen dürfte. Die Schnelligkeit eines Niklas Süle fehlt Martínez zwar völlig, in der Spieleröffnung verfügt der Routinier allerdings über deutlich stärkere Mittel.

Weiterer Vorteil: Kovac müsste sein restliches System nicht umstellen. Kimmich könnte weiter im zentralen Mittelfeld eingesetzt werden und müsste nicht für Hernández oder Pavard auf die Außen rücken.

Martínez würde den Bankfrust zudem wohl nur zu gerne gegen einen Stammplatz in der Innenverteidigung eintauschen und könnte sich mit starken Auftritten ins Schaufenster spielen. Der Vertrag des Rechtsfußes bei den Bayern endet 2021, seinen vielleicht letzten großen Kontrakt dürfte er im kommenden Sommer unterschreiben. 

Marc Affeldt