15.11.2019 12:26 Uhr

Krise beim BVB-Star: Wenn "Schuuulz" nur noch "Schulz" ist

Nico Schulz ging zuletzt mit dem BVB beim FC Bayern unter
Nico Schulz ging zuletzt mit dem BVB beim FC Bayern unter

Mit Nico Schulz hat Borussia Dortmund im Sommer nicht nur die wichtige Planstelle auf der linken Abwehrseite qualitativ hochwertig besetzt. Der BVB sicherte sich auch einen begehrten deutschen Nationalspieler. Nach den ersten elf Bundesliga-Spielen der Saison machte sich unter den schwarz-gelben Fans jedoch Ernüchterung breit: Der Schulz-Effekt scheint verpufft.

Rückblick: Er ist wieder da, dürfte so manch ein Anhänger von Borussia Dortmund im Sommer gedacht haben. Ein Linksverteidiger, der das Potenzial zum Kultkicker hat. Denn erstmals seit 1994 hat der BVB wieder einen Schulz in seinen Reihen. Erinnerungen an Michael Schulz, genannt "Schuuulz", werden wach. Fünf Jahre sprang dieser für den Revierklub in die Zweikämpfe, für fünf Jahre hat Nico Schulz unterschrieben.

Es dauerte nicht lange, da wurde auch der 25-Millionen-Euro-Neuzugang mit dem bekannten Schlachtruf bedacht. So geschehen gleich zu Saisonbeginn, als der selbst ernannte Titel-Kandidat hilflose Augsburger mit 5:1 aus dem Stadion katapultierte. "Das ehrt mich", so der Neuling hinterher über die Rufe der Fans, er wolle es "mit Leistung zurückzuzahlen".

Schließlich weckte der aus Hoffenheim verpflichtete Schulz große Hoffnungen. Mit dem 26-Jährigen sollte das Tempo auf der linken Seite erhöht und mehr Torgefahr kreiert werden. Elf Scorerpunkte lieferte er für die TSG in der Vorsaison. "Schnellere Außenverteidiger als wir wird niemand haben", freute sich ein stolzer Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke.

Was nach einigen Monaten bleibt, ist bislang ein leeres Versprechen: Null Tore, null Vorlagen und zuletzt auffällig schlechte Leistungen machen Schulz eher zur Reizfigur, denn zum Publikumsliebling. Schlachtrufe hallten schon länger nicht mehr durch den Signal Iduna Park. Was ist passiert?

Schulz erntet eine schlechte Note nach der nächsten

Zunächst bremste Schulz ein Teilriss eines Bandes in der Fußwurzel, zugezogen beim 2:4 der DFB-Elf gegen die Niederlande Anfang September, für mehrere Wochen aus. Erst zum Top-Spiel Mitte Oktober gegen seinen Ex-Klub Gladbach war der Verteidiger wieder zurück.

Danach erlebte er ein ständiges Auf und Ab, pendelte zwischen Bankplatz und Startelf. Die eigene Formschwäche, die große Konkurrenzsituation und das System von Trainer Lucien Favre machten dem Neuzugang das Leben schwer. Einen festen Platz beim BVB hat er keineswegs.

Im Champions-League-Hinspiel gegen seinen erklärten Lieblingsverein Inter Mailand (0:2) wurde der Sohn eines Italieners von Favre auf die linke Position im Vierer-Mittelfeld gesetzt und fiel durch. Besonders bitter: Schulz hob die mögliche Abseitsstellung von Torjäger Lautaro Martínez auf und ermöglichte so die Führung.

Im Derby gegen Schalke 04 (0:0) bekam dann Raphael Guerreiro in der Abwehrkette den Vorzug, ebenso beim 3:0-Sieg gegen Wolfsburg. Und in seinen letzten drei Spielen gegen Gladbach im Pokal (2:1), im Rückspiel gegen Inter (3:2) und jüngst beim FC Bayern (0:4) machte Schulz schlichtweg defensiv eine mehr als schlechte Figur.

Tempo und Dynamik bleiben auf der Strecke

Auffällig: Seine großen Stärken, "Physis, Tempo und eine extreme Dynamik", wie Sportdirektor Michael Zorc bei seiner Vorstellung noch hervorhob, blieben bislang völlig auf der Strecke.

Selten traute sich Schulz in der Offensive ins direkte Duell mit dem Gegenspieler. Läufe auf die Grundlinie, um Flanken in den Rückraum zu schlagen, sind daher derzeit nicht im Repertoire des Nationalspielers. Mitunter scheint es, als fordere Favre von Schulz eher defensive Stabilität statt energische Sturmläufe. Gefahr geht über links nur über die Angreifer aus.

Spielt Konkurrent Guerreiro auf der linken Abwehrseite, ist jedoch ein völlig anderes Spiel erkennbar. Der Portugiese geht deutlich öfter ins Dribbling oder schaltet in den Vorwärtsgang. Auch Rechtsverteidiger Achraf Hakimi gibt immer wieder den Außenstürmer, wie etwa im denkwürdigen Spiel gegen Inter, als er die Partie mit zwei Toren beinahe im Alleingang drehte.

Nationalmannschaft als Chance für den BVB-Verteidiger

Ein kleiner Hoffnungsschimmer und eine große Chance dürften nun die Länderspiele mit der deutschen Nationalmannschaft sein. Ähnlich wie beim BVB kämpft Nico Schulz dort um einen Stammplatz auf der linken Seite. 

Zwar hat Leipzigs Marcel Halstenberg in Schulz' verletzungsbedingter Abwesenheit durchaus Eigenwerbung betrieben, entschieden ist das Rennen im Vorfeld der EM 2020 aber noch nicht.

Zudem zeigte Schulz vor seiner Verletzung bisweilen gute Ansätze, sowohl als Linksverteidiger in einer Viererkette als auch im 3-5-2-System als Mittelfeldspieler. Dort konnte der 26-Jährige, der in der jungen DFB-Auswahl zu den ältesten Spielern zählt, immer wieder in die Offensive schalten und Angriffe einleiten.

So kommt es für Nico Schulz in den letzten Länderspielen des Jahres gegen Weißrussland und Nordirland vor allem darauf an, neues Selbstvertrauen zu tanken.

Und damit in Dortmund aus "Schulz" bald wieder "Schuuulz" wird.

Gerrit Kleiböhmer