22.11.2019 07:58 Uhr

Favre über mögliches BVB-Aus: "Kenne die Mechanismen"

Lucien Favre spricht über zahlreiche Themen rund um den BVB
Lucien Favre spricht über zahlreiche Themen rund um den BVB

Trainer Lucien Favre von Borussia Dortmund sieht die Spekulationen um seinen möglichen Rauswurf gelassen.

"Das ist das Geschäft. Ich kann damit gut leben – und als Trainer in der heutigen Zeit musst du das auch können. Ich war auch nicht mit allen Ergebnissen in dieser Saison zufrieden – aber Angst um meinen Job hatte ich nie. Ich versuche, mich immer auf das Wesentliche zu konzentrieren, auf die Dinge, die ich beeinflussen kann", sagte der BVB-Coach im "Bild"-Interview.

Favre schränkte allerdings ein: "Natürlich kenne ich die Mechanismen im Fußball. Bleiben die Ergebnisse aus, gibt es Diskussionen. Ich bin lange genug dabei, um das zu verstehen."

Vorwürfen, er sei als Trainer nicht titelfähig, trat der Schweizer entgegen: "Titel gewinnt man nicht von heute auf morgen. Als Trainer brauchst du Zeit, um eine Mannschaft aufzubauen. Eine Mannschaft, die deiner Idee entspricht."

Titelansage der BVB-Bosse? Favre: "Kann die Marschroute nachvollziehen"

Positiv sieht Favre die offensiven Aussage der BVB-Führung, in dieser Saison die Meisterschaft holen zu wollen. "Ich habe wie die Bosse auch gesagt, dass wir es versuchen wollen. Ich bin aber keiner, der das täglich ausspricht. Ich kann die Marschroute aus Klubsicht nachvollziehen."

Aber: "Nur vom Titel zu reden bringt uns aber keine Punkte. Wir müssen uns auf die Spiele konzentrieren und gewinnen."

Dass der BVB aktuell bereits sechs Punkte Rückstand auf Spitzenreiter Borussia Mönchengladbach hat, habe "keine Aussagekraft", so Favre. "Wir schauen nach elf Spieltagen nicht auf die Tabelle. Die Liga ist momentan sehr eng. Wir müssen bis Weihnachten unser Bestes geben und punkten. Aber es gibt keinen Grund in Panik zu verfallen."

Auch nicht nach dem 0:4-Debakel beim FC Bayern? "Um so ein Spiel zu verdauen, brauchst du zwei, drei Tage – auch als Trainer. Ich bin mit meiner Frau in der Länderspielpause erstmal für zwei Tage in unsere Schweizer Heimat gereist, um einfach mal abzuschalten."

Der BVB sei gegen den Rekordmeister "zu passiv" gewesen, habe "entscheidende individuelle Fehler gemacht", erklärte Favre. "So wird es gegen jeden Gegner schwer."

Favre spricht über Jadon Sancho und Mario Götze

Favre äußerte sich auch zu zwei seiner Sorgenkinder: Jadon Sancho, zuletzt formschwach und immer wieder mit Disziplinproblemen, sowie Mario Götze, der aktuell nur Reservist ist und dessen Vertrag im kommenden Sommer ausläuft.

Sancho sei "ein richtiger Typ", lobte Favre, "ich komme bestens mit ihm zurecht. Bei der ganzen Debatte dürfen wir nicht vergessen, dass wir hier über einen 19-Jährigen sprechen, auf den derzeit mächtig etwas einprasselt und der – gemessen an seinem Alter – lange außergewöhnlich konstant gespielt hat."

Der Engländer sei in seiner Heimat ein Superstar, werde "täglich mit neuen Schlagzeilen, Gerüchten und Millionensummen konfrontiert", gab der 62-Jährige zu Bedenken. "So etwas steckt niemand einfach so weg. Schon vor der Saison war uns klar, dass das alles für uns eine große Herausforderung wird."

Sancho müsse "wie alle Spieler in seinem Alter erst lernen, ein professionelles, fokussiertes Leben zu führen. Wenn er das schafft, kann er einer der Besten werden."

Von Götze schwärmte Favre: "Ich mag Mario sehr! Er ist clever, versteht Fußball, bewegt sich fast immer richtig – und hat es selbst im Sturm zuletzt gut gemacht." Allerdings könne es "einen Spieler belasten, wenn er sich Gedanken darüber macht, wie es im Sommer weitergeht."

Favre über Klopp: "Ein Nachfolger von ihm zu sein, ist nie einfach"

In Dortmund wird Favre immer wieder mit seinem immer noch äußerst beliebten Vorgänger Jürgen Klopp verglichen. "Ein Nachfolger von ihm zu sein, ist nie einfach – das ist kein Geheimnis. Er ist ein toller Trainer, hatte hier sieben hervorragende Jahre, hat die Leute begeistert und Pokale geholt", sagte der BVB-Coach.

Favre erinnerte sich: "Als ich 2018 hierher gekommen bin, haben mir viele Menschen offen gesagt: 'Es gibt hier seit Jahren Leute, die sich wünschen, dass Klopp zurückkommt. Aber du bist jetzt der Trainer.'" Er habe nie ein Problem damit gehabt, "dass Jürgen so viel Wertschätzung von den Fans bekommt. Die hat er sich verdient."

Die Verpflichtung eines Stürmers in der kommenden Winter-Transferperiode schloss Favre nicht aus. "Wir werden – wie Michael Zorc (Sportdirektor des BVB, Anm. d. Red.) schon betont hat – im Winter eine Analyse machen. Und sollten wir zu dem Entschluss kommen, dass wir einen Stürmer benötigen, werden wir sicher versuchen, zu handeln. Michael und ich sind immer im engen Austausch über den Markt."

Dass sich der BVB mit Mario Mandzukic von Juventus beschäftigt, wollte der Trainer nicht bestätigen. "Er ist ein sehr guter Spieler. Nun ist er 33 Jahre alt, das darf man bei der Bewertung und den Summen, die heutzutage im Spiel sind, nicht vergessen."