17.02.2020 15:36 Uhr

Vergessener Kronprinz: Mai beim FC Bayern ohne Chance

Lars Lukas Mai spielt beim FC Bayern weiter keine Rolle
Lars Lukas Mai spielt beim FC Bayern weiter keine Rolle

Die fahrige zweite Halbzeit im Bundesligaspiel gegen den 1. FC Köln am Sonntag hat ungeachtet des klaren Ergebnisses (4:1) Spuren beim FC Bayern München hinterlassen. Doch trotz anfälliger Hintermannschaft und großen Personal-Sorgen kommt ein Defensivspieler nun schon länger konsequent zu kurz: Eigengewächs Lars Lukas Mai.

Der Youngster wartet seit fast zwei Jahren auf einen Bundesliga-Einsatz und wird immer mehr zum vergessenen Kronprinzen. 

Fans und Funktionäre rieben sich während des Gastspiels der Bayern am Sonntag in Köln gleich in mehrfacher Hinsicht die Augen. Erst führte der Rekordmeister bereits nach zwölf Minuten mit 3:0, dann verfielen die Münchener nach der Pause immer mehr in Lethargie.

Der mutige Aufsteiger dominierte das Geschehen in der Schlussphase und zeigte der passiven Abwehr des Serienmeisters phasenweise die Grenzen auf. 

Begünstigt wurde die plötzliche Feldüberlegenheit der Rheinländer durch eine taktische Umstellung von Bayern-Coach Hansi Flick: Zur Halbzeit nahm der Trainer den verwarnten Jérôme Boateng vom Platz und brachte Rückkehrer Lucas Hernández.

Flick testet zwei Linksfüße in der Innenverteidigung

Mit den beiden Linksfüßen David Alaba und Hernández in der Innenverteidigung wirkte die Abwehr der Süddeutschen jedoch mehrfach überfordert. Das räumte selbst Torhüter Manuel Neuer ein.

Der unkonventionelle Tausch war wohl als Test für die anstehenden Spiele gedacht. Da sich Boateng und Rechtsverteidiger Benjamin Pavard in der Domstadt jeweils die fünfte Gelbe Karte abholten, sind für das Heimspiel gegen den SC Paderborn am kommenden Freitag weitere Umstellungen unausweichlich.

Nach den Erkenntnissen von Müngersdorf geht es für Flick nun aber zurück ans Reißbrett. Lars Lukas Mai wäre theoretisch eine Alternative. Dass der Rechtsfuß in Köln nicht einmal im Kader stand, ist aber ein Indiz dafür, wie gering seine Chancen sind.

Flick ließ gegen den Effzeh lieber einen Platz im Aufgebot unbesetzt und trat nur mit acht möglichen Einwechselspielern an. Eine solche Entscheidung spricht Bände.

Hochgelobtes Abwehrjuwel 

Vor einigen Jahren sah die Realität noch ganz anders aus: Unter Jupp Heynckes feierte der gebürtige Dresdener im April 2018 bei Hannover 96 sein Bundesliga-Debüt. Die starke Leistung des Youngsters würdigte der FC Bayern sogleich mit einem Profivertrag bis 2021, der inzwischen um ein Jahr ausgeweitet wurde. Gegen Eintracht Frankfurt folgte eine Woche später ein weiterer Startelf-Einsatz.

"Natürlich darf er Fehler machen, aber er hat keine gemacht", kommentierte ein beeindruckter Heynckes die ersten Auftritte des neuen Shooting Stars. Auch Niklas Süle, mit dem Mai bei seinem Debüt zusammen in der Innenverteidigung spielte, würdigte den Junioren-Nationalspieler: "In zwei, drei Situationen habe ich versucht, ihm etwas mitzugeben. Das hat er direkt umgesetzt. Er ist wirklich ein Top-Talent."

Der 1,90-m-Hüne schien intern auf der Überholspur zu sein. Einige Beobachter sahen im B-Jugendmeister von 2017 bereits einen Nachfolger von Boateng und Javi Martínez.

Doch Fakt ist, dass Mai seit seinen beiden Einsätzen unter Heynckes auf eine weitere Bewährungschance wartet. Unter Niko Kovac spielte das Talent kaum eine Rolle, Hansi Flick scheut bislang ebenfalls das Risiko eines Mai-Einsatzes.

Ankunft in der bitteren Realität

Stattdessen hat der Rekordmeister seit dem Debüt des Jugendspielers mit Hernández und Pavard zwei Defensiv-Stars für viel Geld verpflichtet. Als mit Süle und Hernández im November plötzlich zwei Innenverteidiger langfristig ausfielen, entwickelten die Bayern-Trainer zudem lieber kreative Strategien als auf Mai zu vertrauen. 

David Alaba wurde kurzerhand vom Linksverteidiger zum zentralen Abwehrspieler umgeschult, es folgte nach der Genesung des französischen Weltmeisters von 2018 das Experiment mit zwei Linksfüßen im Zentrum, das in Köln fehlschlug. 

Sogar bei der Klubführung scheinen Mais Aktien seit jenem fernen Debüt-Frühling gefallen zu sein. In einem Interview mit der "Bild am Sonntag" überging Bayern-Präsident Herbert Hainer den Abwehrspieler bei seiner Aufzählung kommender Bundesliga-Spieler im Nachwuchs des Serienmeister glatt.

"Wir haben nun vier Spieler dauerhaft bei den Profis: [Joshua] Zirkzee, [Leon] Dajaku, [Oliver] Batista-Meier und [Sarpreet] Singh. Alle vier werden Bundesliga-Spieler, das traue ich mich vorauszusagen. Der eine oder andere von ihnen kann es auch beim FC Bayern schaffen."

Auf Mai ging der Nachfolger von Uli Hoeneß nicht ein. Auch in diesem Fall sagt Schweigen womöglich mehr als tausend Worte.

Jonas Hofmann