26.02.2020 09:05 Uhr

Enthüllt: So vernichtend urteilt Klinsi über Hertha BSC

Jürgen Klinsmann (l.) und Michael Preetz fanden bei Hertha BSC nicht zusammen
Jürgen Klinsmann (l.) und Michael Preetz fanden bei Hertha BSC nicht zusammen

Nach seinem 76-tägigen Intermezzo als Trainer von Hertha BSC ließ Jürgen Klinsmann seine Zeit in Berlin auf DIN-A4-Seiten dokumentieren. Eine Version des Dokuments veröffentlichte nun die "Sport Bild". Wir haben die wichtigsten Passagen zusammengefasst.

Dass ihm bei der Hertha nicht der Rote Teppich ausgerollt wird, spürt Klinsmann früh. "Der Klub steht unter Schock, es gibt keinerlei Willkommenskultur", so der Ex-Stürmer über den Zeitpunkt (8. November), an dem Investor Lars Windhorst die Vereinsführung darüber informiert, dass Klinsmann seinen Platz im Aufsichtsrat einnimmt.

Ein gemeinsames Dinner am Abend lässt die "komplette Vereinsführung" aus, beim ersten Ligaspiel der Berliner einen Tag später (2:4 gegen RB Leipzig) wird Klinsi "vollkommen ignoriert".

Aber auch sportlich geht es weiter bergab. Nach dem krachenden 0:4 in Augsburg (24. November) spürt man, "dass der Verein komplett am Boden ist. Hektisch und nervös. Ohne Perspektive, was das Traineramt und die Zukunft anbelangt", lautet eine Passage des Berichts.

Bei der Suche nach einem Nachfolger für Coach Ante Covic bringt Klinsmann Ralf Rangnick ins Spiel. Der ehemalige Trainer von RB Leipzig und der TSG Hoffenheim, teilt mit, er finde "das Projekt Berlin spannend", schließt ein Engagement unter Sportchef Preetz allerdings kategorisch aus. Am Abend des 26. November bietet Klinsmann seine Hilfe an. "Es wird nachhaltig von allen Beteiligten die Bitte geäußert, dass Klinsmann bis zum Sommer Cheftrainer ist." Klinsmann soll eine "Carte Blanche" im sportlichen Bereich zugesichert worden sein.

Preetz' Planung "eine Katastrophe"

Das Bild, das die Mannschaft bietet, erschrickt Klinsmann. Das Team sei in einem "katastrophalen körperlichen wie mentalen Zustand", der Kader "viel zu groß", die Power für den Abstiegskampf nicht vorhanden. Die Medizinische Abteilung sei zudem "zerstritten" und "inkompetent", Michael Preetz' Planung für die Rückrunde sei "eine Katastrophe".

Klinsmanns Urteil: "Der Verein steckt im Abstiegskampf, plant aber, als wäre er ein internationaler Spitzenklub mit einer Vielzahl an Top-Spielern."

Ohnehin lässt Klinsmann kein gutes Haar an der sportlichen Führung um Preetz. Es wimmele im Klub nur so an Problemen, die in den vergangenen 15 Jahren nicht angegangen wurden. 

Die Stimmung verschlechtert sich weiter, als Klinsmann an Hertha-Präsident Werner Gegenbauer mit der Bitte herantritt, der Verein möge seinen Sohn Jonathan als dritten Torwart zurückholen. Der Vorschlag wird in einer "absolut respektlosen und unverschämten Art und Weise" abgelehnt. Anschließend herrschte dem Trainerteam gegenüber ein Klima, das als "verachtenswert" deklariert wird.

Im Weihnachtsurlaub in seiner Wahlheimat Kalifornien kommen Klinsmann erstmals Zweifel an der Sinnhaftigkeit seines Engagements. Windhorst überredet den Ex-Bundestrainer allerdings erfolgreich, für zwei weitere Jahre zu bleiben. Bei der Ausarbeitung eines entsprechenden Vertrags treten jedoch erneut Unstimmigkeiten auf. Im Nachhinein, erkennt Klinsmann, wird klar, dass "der Verein den Vertrag einfach nicht machen will". Klinsmann droht damit, sein Amt niederzulegen. 

"Lügenkultur" prägt den Klub

Am 22. Januar startet Windhorst erneut einen Versuch, den Vertrag dingfest zu machen. Gegenbauer soll ihm am Telefon in Anwesenheit Klinsmanns ein klares Ja erteilt haben, die Umsetzung bleibt jedoch erneut aus. Streitpunkt Nummer eins: Die angeblich vereinbarte "Carte Blanche".

Insgesamt vermisst Klinsmann die Rückendeckung durch Preetz und Co. Als gegen Ende des Wintertransferfensters öffentliche Kritik von Seiten der unzufriedenen Spieler aufkommt, gibt es "keinerlei Maßregelungen den Spielern gegenüber", heißt es. Auf der Gegenseite schmücke sich Preetz mit Zugängen, die allein Klinsmann von einem Wechsel überzeugt habe. Dem Hertha-Manager wirft das Dokument zudem offen vor, Interna an die Medien weitergegeben zu haben. 

Letztlich steht ein vernichtendes Fazit: Ohne Trainerwechsel wäre Hertha BSC abgestiegen, Preetz' Arbeit sei in vielen Bereichen seit Jahren "katastrophal", es existiere "eine Lügenkultur, die auch das Vertrauensverhältnis der Spieler mit Preetz zerstört hat". "Die Geschäftsleitung muss sofort komplett ausgetauscht werden", lautet das Urteil. Sollte dies ausbleiben, würden selbst die "tollen Neuzugänge nach einer gewissen Zeit zu 'Durchschnittsspielern'".

Die Klinsmann-Seite hat die Echtheit der Mitschriften mittlerweile gegenüber dem "SID" bestätigt. Unklar ist allerdings weiterhin, wie genau die Protokolle an die Öffentlichkeit gelangten. Der Fußballlehrer habe jedenfalls keine Absicht, eine Abrechnung mit Hertha zu betreiben, so das Klinsmann-Management. Eine weitere Stellungnahme gab es nicht.

Hertha BSC erklärte derweil gegenüber der "Sport Bild" lediglich, sämtliche "Vorwürfe und Behauptungen" entsprächen nicht der Wahrheit.

ma