22.05.2020 13:52 Uhr

Schiris durch Geisterspiele in ungewohnter Rolle

Dr. Felix Brych pfiff Augsburg vs. Wolfsburg
Dr. Felix Brych pfiff Augsburg vs. Wolfsburg

Der Respekt ist gewachsen, ihr Auftritt nahbar: Die Schiedsrichter erlebten den ersten Spieltag nach der Coronapause gefühlt in neuer Rolle. Die Frage ist, ob dies so bleibt.

Felix Brych traut der neuen Harmonie noch nicht. "Ein paar Wochen", sagt der Top-Schiedsrichter, möchte er die Entwicklung lieber beobachten, ehe er sein abschließendes Urteil fällt. "Aber der Umgang mit den Spielern und Trainern", gibt der 44-Jährige in der "Sport Bild" dann doch zu, "war schon angenehmer als vor der Pause".

Brych hatte am ersten Spieltag der Fußball-Bundesliga nach der Corona-Unterbrechung die Partie zwischen dem FC Augsburg und dem VfL Wolfsburg geleitet - für gewöhnlich ohnehin nicht die brisanteste Begegnung und ohne Zuschauer noch weniger. Die Eindrücke des Münchners deckten sich aber mit denen der Kollegen in den anderen Stadien.

So berichtete Deniz Aytekin im Fachmagazin "kicker", dass die Leitung des Revierderbys zwischen Borussia Dortmund und Schalke 04 mit grölenden Anhängern in bestimmten Situationen "bestimmt hektischer gewesen wäre". Guido Winkmann, zuständig für das Duell zwischen dem 1. FC Köln und dem FSV Mainz 05, ergänzte in der "Bild"-Zeitung: "Die Spieler stürmen bei einer kritischen Entscheidung nicht sofort auf den Schiedsrichter zu, es gibt keine Rudelbildung."

Gutes Zwischenfazit von Schiri-Boss Fröhlich

Die auch von Brych beschriebene "positive Grundstimmung" untereinander führte offenbar dazu, dass die oft als Sündenbock angesehen Referees ihren Umgang mit Spielern und Trainern ebenfalls anpassten. Sie traten entspannter auf, wirkten nahbar und bodenständig - und sammelten bestimmt auch bei Zuschauern vor den Fernsehbildschirmen dank der einwandfreien Geräuschkulisse Sympathiepunkte.

"Ich kann doch nur Cerveza", sagte Winkmann während eines humorvollen Dialogs mit dem Mainzer Trainer Achim Beierlorzer, der wegen der leeren Ränge zu vernehmen war. Beierlorzer hatte den Unparteiischen zuvor ermutigt, einen Spieler doch einfach auf Spanisch anzusprechen. Winkmann konterte auf witzige Art und Weise.

Schiedsrichter-Chef Lutz Michael Fröhlich gefiel deshalb, was er bei den Spielen sah. "Das lief alles sehr sachlich ab, zum Teil zwar auch nicht unbedingt im Konsens, aber doch deutlich gestenärmer und mit sichtbar mehr Respekt voreinander", sagte Fröhlich. Der 62-Jährige erkannte zudem eine "große Akzeptanz, wenn die Schiedsrichter ihre Entscheidungen getroffen haben".

Tonübertragung soll bestehen bleiben

Ganz ohne Diskussionen und Anfeindungen kam der Wiederbeginn freilich nicht aus, es wäre ja auch viel zu schön gewesen. Und schuld daran war: die Kommunikation (mit dem Videoassistenten). Der vermeintlich benachteiligte Zweitligist VfB Stuttgart witterte gar eine "extreme Willkür".

Das Spiel beim SV Wehen Wiesbaden ging nämlich nur wegen einer strittigen Elfmeterentscheidung kurz vor Schluss verloren. Schiedsrichter Sascha Stegemann hatte das Spiel zunächst nicht unterbrochen, bei der Ansicht der Videobilder erst nach langen Diskussionen mit Video-Assistent Robert Kampka, die leider für jeden zu hören waren, das Handspiel geahndet. Der DFB teilte auf "SID"-Anfrage aber mit, an der Tonübertragung vorerst nichts zu ändern.

"Letztlich hängt vieles von der Richtigkeit der getroffenen Entscheidungen ab", sagte Brych. Und das war bekanntlich auch vor der Coronapause schon so gewesen.