17.08.2020 14:45 Uhr

Damals: Müllers Bundesliga-Rekord für die Ewigkeit

Dieter Müller (r.) erzielte gegen den SV Werder Bremen unglaubliche sechs Tore
Dieter Müller (r.) erzielte gegen den SV Werder Bremen unglaubliche sechs Tore

Superlative haben im heutigen Fußball-Alltag meist nur eine sehr kurze Halbwertszeit. Ob Einsätze, Tore oder Transfersummen, die meisten Rekorde sind so schnell überholt, dass sich wenig später kaum noch jemand an sie erinnern kann. Eine Bestmarke ist aber seit mehr als 40 Jahren ungebrochen.

Es ist der 17. August 1977 – am dritten Spieltag der Bundesligasaison treffen der 1. FC Köln und Werder Bremen bei rund 17 Grad und Nieselregen im Müngersdorfer Stadion in Köln aufeinander. Viel spricht nicht für einen historischen Tag. Beide Mannschaften stehen nach einem durchwachsenen Start in die Spielzeit unter Druck und liegen mit jeweils einem Sieg und einer Niederlage nur auf dem 12. bzw. 14. Platz der Tabelle.

Was sich an jenem Mittwochabend in den folgenden 90 Minuten auf dem feuchten Grün abspielt, geht jedoch zum Erstaunen aller in die Geschichte der Bundesliga ein. Der 1. FC Köln gewinnt ein wildes Scheibenschießen mit 7:2. Dieter Müller, der Top-Torjäger der Geißböcke, wächst über sich hinaus und erzielt unglaubliche sechs Tore - ein Rekord, der im deutschen Oberhaus bis heute ungebrochen ist. 

Ein Rekord für die Ewigkeit

Das Spiel gegen Werder hatte für den Angreifer eine ganz besondere Brisanz. "Die ersten beiden Saisonspiele hatte ich für den 1. FC Köln nicht getroffen. Als Torschützenkönig der vorigen Spielzeit war ich davon natürlich angefressen", erinnert sich Müller später. 

Hinzu kam: Sein Gegenspieler an diesem Nachmittag hieß Klaus-Dieter Höttges, Spitzname "Eisenfuß". "Vor dem Spiel hatte er gewettet, ich würde leer ausgehen." Für den Toptorjäger der Vorsaison, der in den ersten beiden Spielen noch keinen Torerfolg hatte verbuchen können, stellte diese Provokation einen besonderen Anreiz da: "Und das Gesicht von Höttges wurde mit jedem Gegentor länger. Diese Wette hätte er wohl besser ohne mich gemacht."

Bereits nach 32 Minuten hatte der Knipser sein Team mit einem lupenreinen Hattrick in Führung gebracht, doch das reichte dem damals 24-Jährigen nicht. Nachdem die Bremer noch im ersten Durchgang auf 1:3 verkürzt hatten, traf der Rekordhalter kurz nach Wiederanpfiff doppelt und sorgte damit bereits für die Entscheidung. Danach trafen sowohl die Gäste als auch sein Mitspieler Heinz Flohe, doch den Schlusspunkt der Partie setzte dann wieder Müller mit seinem sechsten Treffer zum 7:2-Endstand.

Doch selbst diese außergewöhnliche Leistung scheint dem Torjäger bis heute nicht genug zu sein. So sagte er in einem Interview zu dem historischen Spiel: "Wenn ich die Möglichkeit gehabt hätte, acht oder zehn Tore zu schießen, hätte ich das auch gemacht. Ich war damals einfach besessen." 

Torschützenkönig und Deutscher Meister

Diese Versessenheit machte den Offenbacher zu einem absoluten Ausnahmestürmer, der sogar vor den eigenen Mitspielern keinen Halt machte: "Tony Woodcock hat später einmal erzählt, bei einem unserer Spiele hätte ich unseren damaligen Mitspieler Pierre Littbarski kurz vor der Torlinie weggeschubst. Nur, um das Ding selbst reinzuhauen."

Für den FC war dieser fanatische Torjäger aber mehr als "nur" eine Bereicherung. So setzte sich der Torriecher des Stürmers auch in den folgenden Spielen fort. Seine 24 Treffer machten ihn in der Saison 1977/78 zum Torschützenkönig und führten sein Team um Trainer Hennes Weisweiler sogar zum Double-Gewinn.

"Stürmer des Jahrhunderts"

Insgesamt absolvierte die FC-Ikone über 300 Spiele für die Geißböcke und erzielte dabei 177 Treffer. In dieser Zeit gewann er mit den Kölnern ein Mal die Meisterschaft, zwei Mal den Pokal und war in zwei aufeinanderfolgenden Saisons der Torschützenkönig. Die Fans des Klubs wählten ihn deshalb zum "FC-Stürmer des Jahrhunderts". Nicht nur, aber vor allem am 17. August 1977 stellte er eindrucksvoll unter Beweis, dass er diesen Titel verdient.

"Der haut uns selbst in den Prominentenspielen die Tore voll"

1982 zog es den Erfolgsspieler für drei Jahre in die französische Ligue 1 zu Girondins Bordeaux. Auch in Frankreich konnte Müller seinen Torriecher beweisen, erzielte für das Team 43 Tore und gewann zwei Mal die Meisterschaft.

Obwohl seit seinem Rekord in der Bundesliga einige Jahre vergangen sind und sich der Fußball "verändert haben mag", glaubt Müller daran auch heute noch "für die ein oder andere Hütte gut zu sein". Das sieht aber nicht nur er selbst so. Franz Beckenbauer sagte einmal über den 12-fachen Nationalspieler: "Der haut uns selbst in den Prominentenspielen die Tore voll."

Christian Meerschiff