22.08.2020 12:03 Uhr

"Familie" Sevilla nach EL-Sieg im Freudentaumel

Der FC Sevilla hat einmal mehr die Europa League gewonnen
Der FC Sevilla hat einmal mehr die Europa League gewonnen

Der FC Sevilla machte seinem Ruf als "FC Europa League" gegen Inter Mailand wieder einmal alle Ehre. Für Trainer Julen Lopetegui war der Triumph nach schweren Zeiten eine besondere Genugtuung.

Die Spieler hüpften lauthals singend bis weit nach Mitternacht auf dem Kölner Rasen umher, in der Heimat versammelten sich die Fans bis zum Morgengrauen auf den Straßen und starteten einen Autokorso nach dem anderen: Die besondere Liebesbeziehung des FC Sevilla zur Europa League wurde noch ein bisschen intensiver. Nach dem spektakulären 3:2 (2:2)-Finalsieg gegen Inter Mailand zeigte sich mal wieder, wie viel der von Franz Beckenbauer einst als "Cup der Verlierer" titulierte Wettbewerb den Andalusiern bedeutet.

Sportdirektor Monchi schwärmte nach dem sechsten Erfolg im sechsten Finale: "Das mit der Europa League ist nicht nur eine Romanze, sondern eine dauerhafte Beziehung." Trainer Julen Lopetegui schossen die Tränen in die Augen. "Ich bin überwältigt", sagte der 53-Jährige: "Wir haben so hart dafür gearbeitet. Wir haben es verdient, gegen so ein fantastisches Team wie Inter zu gewinnen."

Lopetegui und die besondere Genugtuung

Für Lopetegui dürfte der krönende Abschluss seiner ersten Saison beim Europa-League-Rekordsieger eine besondere Genugtuung sein, liegen doch schwere Zeiten hinter ihm. Er galt als größte spanische Trainerhoffnung, dann stürzte er in Rekordzeit ab.

Wegen seines bevorstehenden Wechsels zu Real Madrid wurde Lopetegui wenige Tage vor Beginn der WM 2018 in Russland vorzeitig als Nationaltrainer der Iberer entlassen. Und das Engagement bei den Königlichen dauerte wegen zahlreicher Misserfolge dann auch nur vier Monate. Alles abgehakt beim gebürtigen Basken: "Ich blicke nicht zurück. Ich habe das Glück, in einem Klub zu sein, der mir die Chance mit einer richtigen Mannschaft gegeben hat. Mit allem, was dieses Wort bedeutet."

"Sind eine große Familie"

Tatsächlich war Sevillas Teamgeist wie schon so oft der Schlüsselfaktor im zweithöchsten europäischen Wettbewerb. Sowohl im Halbfinale gegen Manchester United als auch im Endspiel gegen Inter setzte sich das perfekt funktionierende Kollektiv dank großer Hingabe gegen die höhere individuelle Qualität des Gegners durch.

"Seit dem ersten Tag sind wir ein richtig verschworenes Team, und das hilft uns an solchen Abenden", betonte Lopetegui. Doppeltorschütze Luuk de Jong (12., 33.) kann dem nur beipflichten: "Wir haben das Gefühl, dass wir eine große Familie sind. Und das konnte man während des Spiels sehen. Das ist eine super Mannschaft."

Doch er selbst ragte mit seinen beiden sehenswerten Kopfballtreffern nochmal heraus. Der in seiner Bundesliga-Zeit in Mönchengladbach meist unglückliche Angreifer erlebte die größte Sternstunde seiner Karriere - zum Leidwesen von Inter, für das Romelu Lukaku per Foulelfmeter (5.) und Diego Godin (36.) vor der Pause trafen.

Inter droht Trainer-Wechsel

Die zehnjährige internationale Titel-Durststrecke der Nerazzurri geht wegen ungewohnter Abwehrschwächen und Pechvogel Lukaku, der nach Fallrückzieher von Diego Carlos den Ball unglücklich zum entscheidenden 2:3 (74.) ins eigene Tor abfälschte, weiter.

Trotz der besten Saison seit zehn Jahren steht die Zukunft von Coach Antonio Conte angesichts der hohen Ansprüche der chinesischen Besitzer nun mehr denn je in Frage - erst eine Analyse in den kommenden Tagen soll Klarheit bringen.