14.09.2020 12:38 Uhr

BVB-Härtefälle: Wie plant Favre mit Reus, Brandt und Can?

Müssen Marco Reus, Julian Brandt und Emre Can beim BVB auf die Bank?
Müssen Marco Reus, Julian Brandt und Emre Can beim BVB auf die Bank?

Mit dem DFB-Pokalspiel beim MSV Duisburg (20:45 Uhr) startet Borussia Dortmund in die neue Saison. Beim BVB droht mit Marco Reus, Julian Brandt und Emre Can gleich drei DFB-Stars die Bank. Oder etwa doch nicht? sport.de schaut sich diese Personalien an.

Marco Reus (31, offensives Mittelfeld):

Der Kapitän spielt immer - dieser Regelfall ist so alt wie der Fußball selbst. Bei Borussia Dortmund gestaltete sich die Situation in den vergangenen Jahren notgedrungen etwas anders - denn dort heißt der Kapitän Marco Reus. Und der absolvierte in den vergangenen sechs Jahren durchschnittlich nur 20 von 34 Bundesliga-Spielen.

Immer wieder streikte sein Körper. Zuletzt fiel er seit Anfang Februar mit einer rätselhaften Adduktorenverletzung aus und fehlte dem BVB so nicht nur im Saisonendspurt, sondern auch in großen Teilen der Vorbereitung.

Den Weg in Richtung abermaliges Comeback ebnete dann nicht etwa eine Operation, sondern eine konservative Therapie. Dortmunds Kapitän wandte sich an den Biostatiker Ralph Frank, der zwischen 2001 und 2004 als Physiotherapeut bei den Schwarz-Gelben arbeitete.

Franks Ansatz schlug gut an, sodass Reus Ende August ins Mannschaftstraining zurückkehrte. Vor einer Woche dann stand er dann beim 2:1-Sieg im Test gegen Sparta Rotterdam (endlich) wieder auf dem Platz und traf prompt zum 1:0.

Durch seinen guten Auftritt holte er sich ausgerechnet von seinem direkten Konkurrenten auf der Zehner-Position, Giovanni Reyna, lobende Worte ab: "Er ist nicht nur unser Kapitän, er steht auf der Liste der Spieler, zu denen ich immer aufgeschaut habe, ganz oben an erster Stelle."

Im Kampf um den Startelfplatz "wäre es wohl ein bisschen einfacher für mich, wenn er noch nicht wieder gesund wäre" so der 17-Jährige, "aber seine Rückkehr hat so positiven Einfluss auf uns alle." Dennoch muss er sich wohl keine Sorgen machen, ins zweite Glied zu rücken, denn der Kapitän soll langsam herangeführt werden.

Tendenz: Marco Reus wird zunächst als Joker agieren, die Startelf ist jedoch bei entsprechender Fitness nicht weit weg.

Julian Brandt (24, zentrales Mittelfeld):

Ohne Zweifel ist Julian Brandt ein Spieler mit dem gewissen Etwas. Der gebürtige Bremer ist technisch begabt, laufstark und verfügt auch über einen guten Abschluss. "Ich war nie der Typ, der im Mittelfeld den Ball annimmt und ihn wenige Meter quer zum Mitspieler schiebt. Klar, das könnte ich auch so spielen, aber das wäre dann nicht ich", beschrieb er sich selbst Mitte August im "kicker".

Zudem steht er mit seinen gerade einmal 24 Jahren bei bereits 198 Bundesliga-Spielen und ist damit auch überaus erfahren. Umso mehr überraschte sein fahrlässiger und folgenschwerer Fehlpass im Nations-League-Duell mit der Schweiz.

Dem Fauxpas folgte, worüber sich Brandt im selben Interview vor einem Monat bewusst war: "Wenn es gelingt, ist es top. [...] Geht es aber schief, fängst du dir im schlimmsten Fall einen." Wie um diese These zu untermauern, glich die Schweiz "dank Brandt" aus, der DFB feierte erneut keinen Sieg.

Auch wenn Vereinstrainer nach solchen Aktionen gerne sagen, die Spieler lernten aus diesen Erfahrungen und diese spielten bei der Zusammenstellung der Startelf keine Rolle, wird es Lucien Favre nicht egal sein, was seinem Schützling unterlief. Der Schweizer will Offensivfußball spielen lassen, unnötiges Risiko scheut er aber.

Nach der ohnehin durchwachsenen Vorbereitung des BVB, in der auch Julian Brandt nicht wirklich glänzen konnte, droht dem 32-maligen Nationalspieler die Bank. Das hat auch mit der Kaderbreite und -tiefe zu tun, die in dieser Saison außergewöhnlich ist.

Da hilft auch Brandt seine Vielseitigkeit nicht weiter, denn er hat auf jeder Position, auf der er spielen kann, starke Konkurrenz. Auf Linksaußen ist Thorgan Hazard gesetzt, auf der Zehn entweder Giovanni Reyna oder Marco Reus und eine Position dahinter Axel Witsel oder Neuzugang Jude Bellingham.

Tendenz: Julian Brandt wird zunächst mit der Jokerrolle Vorlieb nehmen müssen.

Emre Can (26, defensives Mittelfeld/Innenverteidigung):

Die Frage, ob Emre Can den Sprung in die Startelf schafft, ist auch eine Frage des Spielsystems. Wird es das von Favre bevorzugte 4-2-3-1 oder doch das 3-5-2? Der Trainer legte sich, wie gewohnt, nicht öffentlich fest: "Wir trainieren mehrere Systeme, müssen auch die Lösung haben, mit Viererkette zu spielen."

Can sieht der Schweizer nicht als Sechser, sondern plant ihn als Innenverteidiger ein. Laut einem Bericht der "Bild" sei der Winter-Neuzugang für die Rolle im defensiven Mittelfeld "zu behäbig". Gemessen daran verwundert es dann schon, dass er in der vereinseigenen Spielvorschau auf genau dieser Position auftaucht.

Aber auch in der Innenverteidigung ist die Konkurrenz durch Mats Hummels, Manuel Akanji, dem derzeit noch verletzten Dan-Axel Zagadou und Routinier Lukasz Piszczek groß. Für den robusten Nationalspieler gilt deshalb: Die Chancen auf einen Startelfeinsatz sind im System mit drei Innenverteidigern ungleich höher als bei nur zweien.

So agierte er beim Test gegen Sparta Rotterdam (2:1) keine 18 Stunden nach dem Länderspiel gegen die Schweiz über 90 Minuten zusammen mit Hummels und Piszczek in der Dreierkette, was es nicht einfacher macht, seinen Status einzuschätzen. Schließlich bestand die BVB-Elf dort fast nur aus jenen Spielern, die nicht bei ihren Nationalteams weilten.

Tendenz: Emre Can bekommt im Pokalspiel gegen Duisburg seine Einsatzchance und kann sich dann für den Bundesliga-Auftakt empfehlen.

Luis Holuch